Entbehrlich [KAPITEL 39]

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Ein immer lauter werdender, nervtötender Ton riss mich am nächsten Morgen aus meinem doch recht erholsamen Schlaf. Als ich meine Augen nach anfänglichen Protesten schließlich öffnete, sah ich dem zeigerförmigen, böse schauenden Mund der Uhr entgegen, die vom schwachen Licht der Öllampe erhellt wurde und lauthals vor sich her schimpfte. Dabei war es erst zwanzig nach acht. Jonas würde mit dem Essen nicht vor neun kommen, außer ich sollte ab sofort früher aufstehen, um Barnes zu trainieren. Wie dem auch sei, da ich sowieso nichts Besseres tun konnte blieb ich einfach liegen und wartete. Ich zog die Decke, die über Nacht halb von meinem Bett gerutscht ist, wieder hoch und verkroch mich unter dieser. Zog meine Beine eng an den Rest meines Körpers, als ich weiterhin starr auf die Uhr blickte. Einundzwanzig nach acht.

Genervt pustete ich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht, streckte meine Beine durch und drehte mich anschließend auf den Rücken. Das Bett quietschte einmal kurz protestierend, ehe es wieder verstummte. An die Decke starrend begann ich darüber nachzudenken in was und wie ich Barnes trainieren sollte. Durfte ich selbst entscheiden oder müsste ich einen Plan abarbeiten?

Der Schwarzhaarige, Arian, würde mir ja assistieren, dann könnte auch er einen Teil des Trainings übernehmen und eigenhändig umsetzen. Oder hatte Zola damit gemeint, dass er mich überwachen soll? Meine Augen etwas zukneifend legte ich meine Hände gefaltet auf meinen Bauch. War Barnes überhaupt in der Verfassung weiter zu trainieren? War Barnes überhaupt noch Barnes? Oder hatte Hydra ihn nun vollkommen gelöscht?

Ein kleiner, sehr kleiner Teil von mir hoffte es, denn dann müsste ich mich diesem Thema, diesem Kuss nicht nochmals stellen, doch der größte Teil von mir erstickte den kleineren sofort wieder. Was dachte ich denn da? Würde ich es wirklich bevorzugen, wenn Barnes nicht mehr er selbst war nur damit ich sicher sein konnte, dass er den Kuss nicht ansprach? War ich wirklich bereit dazu mein Wohl über seines zu stellen? Nach allem, was passiert war? Nachdem er mir mehrmals zu verstehen gegeben hat, dass er mit vertraute? Doch nach seinem Vertrauen habe ich nie gefragt. Ich brauchte es auch nicht. Vertrauen würde früher oder später brechen, und dann wäre es meine Schuld. Aber diese Schuld wollte ich nicht auf mich nehmen! Es war allein seine Entscheidung gewesen mir zu vertrauen. Sollte ich es vielleicht demnächst zerstören? Vernichten, bevor der Schmerz zu groß werden würde?

Bevor ich auch nur eine dieser Fragen beantworten konnte wurde ich durch das Klopfen an der Tür aus meinen Gedanken gerissen. Mein Blick wanderte zur Metalltür und anschließend weiter zur Uhr, welche kurz nach halb neun anzeigte. Also würde ich ab sofort früher Essen bekommen und aufstehen müssen. So schlimm war dies allerdings auch nicht. Ich hasste es zu warten. Vor allem hasste ich es, wenn ich mir in dieser Zeit Fragen stellte, die ich nicht einmal zu beantworten wagte.

Schwungvoll richtete ich mich schließlich im Bett auf, meine Beine über dessen Rand baumelnd, während die Decke noch halb in meinem Schoß lag. Die Tür öffnete sich langsam ohne dabei ein Geräusch von sich zu geben. Das Licht vom Gang warf sich sofort in den dunklen Raum, erhellte zuerst nur ein Stück der Wand, an der der kleine Spind stand, ehe es auch mich erreichte. Meine Augen aufgrund des ungewohnten, grellen Lichts etwas zusammengedrückt wartete ich darauf, dass die Gestalt mit dem Tablet in der Hand endlich eintrat. Die Person tastete nach dem Lichtschalter, betätigte ihn, ehe sie schließlich hereinkam.

Jonas kam müde und mit zerzaustem Haar auf mich zu. Entweder war er gestern lange wach, oder er schlief eigentlich auch immer bis um neun. Letzteres wagte ich allerdings zu bezweifeln. Ich vertrat nicht die Meinung, dass Hydra mitarbeiterfreundliche Arbeitszeiten hatte. Vielleicht hatte er ja eine Mission? Aber welcher Auftrag konnte schon in solch kurzer Zeit ausgeführt werden? Meine Miene regte sich kein bisschen, als ich in diesem Augenblick bemerkte, dass ich mir noch nie wirklich Gedanken darüber gemacht hatte wie gut Jonas in dem war, was er machte. Welchen Rang er überhaupt hatte. Ich schätze mal ich habe mich nie damit befasst, da ich davon ausging, dass er ein Neuling und daher noch recht weit unten in der Hierarchie war. Ein hochangesehener Soldat würde wohl kaum zum Überwachungsdienst verdonnert werden, oder? Ich wusste nicht was in Zolas Kopf vorging, aber das wäre unsinnig. Außer natürlich er stufte mich als eine solch große Gefahr ein, dass er einen seiner besten Soldaten mit dieser Aufgabe, mit mir, betraute. Meine Miene verdunkelte sich für den Bruchteil einer Sekunde, ehe sie sich wieder normalisierte.

How to become a Winter SoldierWo Geschichten leben. Entdecke jetzt