Sonnenaufgang [KAPITEL 14]

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Wie bei all meinen anderen Missionen zuvor fuhren wir mit einem Aufzug auf die Erdgeschossebene, da die Zellen, der Trainingsraum und generell der größte Teil der Hydra-Basis unterirdisch gebaut wurde. Der Aufzug selbst war ebenfalls versteckt, damit im Falle eines Angriffs die Labore und alles andere, was nicht gesehen werden sollte, weiterhin im Geheimen blieb. Oberhalb befanden sich eigentlich nur Büros mit einigen Aufzeichnungen und eine riesige Lagerhalle, in der verschiedenste Waffen und Fahrzeuge gelagert wurden, wobei die Büros nur unnütze oder falsche Unterlagen enthielten, die wieder der Ablenkung dienten.

Als der Aufzug seine langsame Fahrt endlich beendet hatte wurde ich sofort zur großen Halle geführt, in der mir einige Waffen und ein Motorrad zugeteilt wurden. Die meisten Waffen, die auf einem Tisch vor mir lagen, waren einfache Schussfeuerwaffen, aber mir wurden auch einige Messer für den Nahkampf gegeben, wobei ich vermute, dass es soweit nicht einmal mehr kommen wird. Eigentlich kämpfte ich bevorzugt im Nahkampf, aber bei dieser Missionen wäre ein Schuss aus sicherer Entfernung sinnvoller. Ich musste nur davor prüfen, dass sonst keiner da ist, der dies mitbekommen könnte …

Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als mir einer der zwei Hydra-Agenten auf die Schulter tippte. Ich drehte mich langsam zu ihm um, während ich das letzte Messer in einer Schlaufe meines Anzugs befestigte. “Hier.“, sprach er und reichte mir eine schwarze Maske, die Mund und Nase verdeckte zusammen mit einer Brille für die Augen, welche ich allerdings ablehnte. Beim Schießen wäre sie mir nämlich nur im Weg. Der Soldat zuckte unbekümmert mit den Schultern und legte die Brille auf den Tisch, auf dem zuvor noch meine Waffen lagen, ab, während ich die Maske anlegte und an meinem Hinterkopf befestigte.

“Bekomme ich kein Funk- …“, wollte ich fragen, doch da unterbrach mich der andere Agent auch schon. “Nein, sie sind komplett auf sich alleine gestellt.“, berichtete er mir kopfschüttelnd und sprach anschließend etwas in das Walkie-Talkie​, welches an seiner Schulter befestigt war, allerdings konnte ich nicht verstehen was er sagte und zu wem. Ich hätte gedacht, dass ich auch ein Funkgerät bekommen würde, damit ich Bericht erstatten konnte, wenn die Mission vollendet wäre, oder wenn etwas nicht nach Plan laufen würde, aber diese Tatsache brachte mir ganz neue Probleme, die es im Notfall zu lösen galt …

Natürlich wäre ich nicht komplett 'alleine', schließlich werden sie mich weiterhin über meinen GPS-Sender überwachen, damit sie immer genau wussten wo ich war und ob ich auch wirklich die Mission machte oder einen Weg aus Hydras Fängen suchte … aber mit einem Funkgerät als Versicherung hätte ich mich auf alle Fälle sicherer gefühlt, als jetzt ohne.

“Okay, ich sags ihr …“, sprach einer meiner Begleiter in sein Funkgerät und blickte anschließend zu mir. “Zola lässt ausrichten, dass Sie genau einen Tag Zeit haben Ihre Mission auszuführen. Sind Sie morgen um die selbe Zeit wie jetzt nicht zurück, holen wir Sie ab … und das wird ganz sicher nicht angenehm.“, er grinste dreckig, während sein Kollege einmal kurz auflachte, ehe beide wieder eine ernste Miene aufsetzten. Der, der gelacht hatte, legte eine Hand auf die Mitte meines Rückens und drückte mich zu meinem zugeteilten Fahrzeug, ein dunkles Motorrad, mit welchen man auf Straßen aber auch auf anderen Untergründen fahren konnte.

“Viel Erfolg.“, lachten sie beide, warfen mir den Schlüssel zu und verschwanden anschließend aus der Halle. Einige Zeit lang blieb ich an Ort und Stelle stehen, ehe sich das große Tor vor mir öffnete und mir somit signalisierte, dass es an der Zeit war zu gehen. Ich schwang mich auf das Motorrad, startete den Motor und sah noch einmal nach hinten, ehe ich die Basis verließ. Draußen wurde ich sofort von einem eisigen Wind empfangen, der an meinen Haaren zerrte und in den Augen stach. Im Nachhinein hätte ich die Brille wohl doch annehmen sollen, aber nun war es bereits zu spät … denn zurückfahren würde ich ganz sicher nicht.

Ich fuhr einige Zeit lang gerade aus, ehe ich die Geschwindigkeit drosselte und im schneebedeckten Wald stehen blieb, um mich erstmal zu orientieren. Die Sonne stand noch sehr tief im Osten, wodurch ich vermutete, dass es erst um die sechs oder sieben in der Früh war, doch bereits jetzt glitzerte der unberührte Schnee in all seiner Pracht. Es war ein schöner und friedlicher, doch irgendwie auch … gefährlicher Anblick. Eiszapfen in den verschiedensten Größen hingen an den schneebedeckten Ästen der vereisten und in der Sonne glänzenden Bäume. Es wäre komplett still im Wald, wenn der noch immer laufende Motor des Motorrads diese angenehme Ruhe nicht stören würde. Hier und dort konnte man noch leichte Tierspuren, wahrscheinlich vom Vortag, im Schnee entdecken, der wohl in der letzten Nacht etwas erneuert wurde. Auch jetzt sah es mit den gräulichen Wolken nach weiteren Schnee aus … ich müsste mich wohl etwas beeilen. Hätte ich keine Maske auf, dann würde mein Atem wohl kleine Wolken in der kalten Luft bilden … bei einer solchen Kälte würde man nicht einmal eine Nacht überleben …

Mein Blick wanderte von der Sonne in meinem Rücken in Richtung Nord-west. Nach kurzem Überlegen gab ich wieder Gas und fuhr ich in dieser Richtung weiter, denn das Dorf von Wilhelm Basels zuletzt dokumentierten Aufenthaltsort sollte ungefähr dort liegen. Ob ich es aber finden würde war eine ganz andere Frage …

Wie lange genau ich fuhr wusste ich nicht genau, aber die Sonne schien schon ein ganz schönes Stück weitergewandert zu sein, als ich endlich auf eine Straße stieß. Ich wechselte vom Waldboden auf den gepflasterten Weg innerhalb einer Sekunde, währenddessen kein einziges Mal Abbremsend. Hoffentlich war es auch die Straße, die mich ein Stück näher zu Basel führen würde.

Nach einer Weile tauchten Fahrzeuge vor mir auf, die ich ohne mit der Wimper zu zucken überholte, allerdings sah ich zuvor immer erst einmal in das Fahrzeug hinein, was hieß, dass ich eine Sekunde länger als nötig direkt neben den Fahrerfenster fuhr. Schließlich wusste ich ja nicht ob Basel vielleicht drin sein könnte. Es war zwar unwahrscheinlich, aber lieber wahr ich einmal öfter vorsichtig, als einmal zu wenig. Zu meiner Enttäuschung saßen in den Autos nur unwichtige Zivilisten, die mir erstaunt nachsahen, doch keiner von ihnen erblickte mein Gesicht. Niemand würde das jemals … kein Zivilist, der später noch am Leben sein würde … denn so wollte es Hydra haben …

Hydra wollte existieren … existieren in den Schatten der Menschheit, unsichtbar für die meisten und gefährlich für alle …

How to become a Winter SoldierWo Geschichten leben. Entdecke jetzt