Der Lauf der Zeit [KAPITEL 7]

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Zu Beginn unseres kleinen Gesprächs bleib er noch sehr schweigsam und antwortete, wie ich es bei ihm inzwischen gewohnt war, nur sehr knapp. Erst als auch ich einen Teil meiner, etwas abgeänderten, Vergangenheit darlegte wurde auch er lockerer und erzählte mehr über sich ...

"Hast du irgendwelche Spitznamen?", fragte ich und blinzelte interessiert, während sich das schlechte Gewissen weiterhin in mir, wie eine dunkle Wolke, ausbreitete. In gewisser Weise verhörte ich ihn ja, auch wenn Hydra davon nichts mitzubekommen scheint, dennoch blieb das Unwohlsein. Ich wollte in hiermit ja irgendwie auch nur schützen, denn sein Leben sollte nicht für immer verloren sein.

"Mein bester Freund nannte mich immer Bucky.", erwiderte er leicht lachend, verstummte aber schnell wieder und sah zur Seite. Ein trauriger Schleier legte sich wie ein Schatten​ um ihn und ließ mein schlechtes Gewissen nur weiter wachsen. "Du musst es mir nicht sagen, wenn du es nicht willst, aber ... wer war denn dein bester Freund?", fragte ich vorsichtig und rutschte nochmal näher ans Gitter.

Zuerst blieb er stumm, doch dann seufzte er auf und drehte seinen Kopf zurück in meine Richtung. "Kennst du Captain Amerika?", stellte er mir eine Gegenfrage, welche ich etwas verwirrt, aber mit einem Nicken beantwortete. Ja Captain Amerika kannte ich. Ein Held Amerikas und ein Feind Hydras und somit musste er auch irgendwie mein Feind sein, dennoch wusste ich nicht viel über ihn, da mich hier keiner auf dem Laufenden halten will ... er könnte genauso gut tot sein, ich wüsste es nicht.

"Ja, ich kenne ihn. Jeder kennt ihn hier. Warum? Ich verstehe nicht, was das mit meiner Frage zu tun hat.", erwiderte ich noch immer verwundert und legte den Kopf etwas schief, um einen noch verwirrteren Eindruck zu machen. Barnes räusperte sich, ehe er zur Antwort ansetzte.

"Er, Steve Rogers, ist ... war mein bester Freund.", überrascht riss ich meine Augen auf. Stück für Stück setzten sich meine Gedankengänge für mögliche Pläne Hydras zusammen. Wussten sie das? Sollte er zu Captain Amerikas, Steves Schwachpunkt werden? Würde Amerikas Held gegen seinen besten Freund kämpfen, wenn er es musste? Oder wäre es ein leichter Sieg seitens Hydras? Lebte Captain Amerika nun überhaupt noch? Was hatten sie vor?

"Er denkt nun wahrscheinlich, dass ich tot bin ...", murmelte mein Gegenüber, sodass ich ihn kaum verstand. Ich warf ihm einen mitleidigen Blick zu. Von seinem Unfall wusste ich bereits, wie er seinen Arm verloren hatte. Ein Zugunglück ...

Barnes schüttelte sich kurz und blickte nun mit einem aufgesetzten Lächeln wieder in meine Augen. "Hast du denn einen Spitznamen?", wollte er wissen und lehnte sich nach hinten, wobei er sich mit seinen Händen abstüzte. Kurz zögerte ich, ob ich ihm die Wahrheit sagen sollte.

"Eigentlich ... ist Raven schon mein Spitznamen.", druckste ich etwas drum herum und wippte nach vorne und hinten, während mein Blick bewusst dem seinen auswich. Als ich schließlich wieder zu ihn blickte, sah er mich gerade mit hochgezogener Augenbraue an. Ich seufzte auf. Nun war es eh zu spät.

"Mein eigentlicher Name, mein voller Name ... lautet Ravenna. Ravenna Morgan.", beantwortete ich seine stumm ausgesprochene Frage. Ich mochte meinen Namen nicht wirklich ... er erinnerte mich zu sehr an Dinge aus meiner Vergangenheit, die ich lieber vergessen wollen würde. "Aber nenn mich weiterhin Raven ... wenn überhaupt."

Kurz blieb es wieder Still zwischen uns. Das einzige was zu hören war, war das Tropfen des defekten Waschbeckens, die Schritte der Hydra-Soldaten, die ab und zu an unserem Raum vorbei gingen, und das regelmäßige Atmen von Barnes und mir.

"Hattest du eine ... beste Freundin oder vielleicht sogar einen Freund?", fragte Barnes nach einer Weile und sah etwas verlegen aus, was sich nach einem Wimpernschlag allerdings schon wieder geändert hatte, weshalb es auch sein könnte, dass ich es mir nur eingebildet hatte.

"Eine beste Freundin hatte ich nicht wirklich. Ich war die meiste Zeit meines Lebens vor Hydra bei meiner Familie oder alleine.", antwortete ich langsam auf seine Frage, während ich etwas in Gedanken versank. "Einen Freund hatte ich im der Tat. Ich war sogar einmal verheiratet ... hatte Kinder ...", murmelte ich betrübt.

"Entschuldige, wenn ich dir dadurch zu nahe trete, aber bist du nicht etwas jung, um Kinder zu haben?", fast hätte ich aufgelacht, besann mich allerdings noch eines besseren. Zeit spielte bei mir keine besondere Rolle, denn von der hatte ich genug ...

"Sie sind inzwischen alle tot...", erwiderte ich nur, wobei man eher sagen könnte, dass ich seinen Kommentar einfach ignorierte. Es gab Teile, viele Teile meines Lebens, über welche ich nicht reden wollte. Über welche ich nie reden wollte. Eigentlich redete ich nie gerne über mich und mein Leben ... Das ganze erzählte ich hier nur zu einem Zweck, nämlich Barnes Vergangenheit und somit ihn zu retten, denn er hatte das ganze hier nicht verdient ... das war meine Mission ... meine kleine Geheimmission.

Ich wusste, dass ich durch dieses Gespräch in sehr große Schwierigkeiten kommen könnte, beim Versuch Barnes zu retten, doch ich musste es einfach versuchen. Ich musste hier irgendetwas gegen Hydra Unternehmen, mit meinen eingeschränkten Mitteln und das war das einzige, was ich momentan tun konnte ...

Wahrscheinlich sagte Barnes noch irgendwas zu mir, doch ich hörte nicht mehr zu. Einerseits war ich viel zu sehr in meinen Gedanken versunken, andererseits hatte ich heute sogar schon mehr erreicht als ich erwartet hätte und wollte ihm nun einfach nicht mehr zu hören. Das Erzählen einiger Teile meiner Vergangenheit hatte mich mehr aufgewühlt, als ich vermutet hätte

Langsam stand ich, ohne ein weiteres Wort, auf, schritt auf meine Pritsche zu und legte mich dort darauf. Das einzige was ich noch von Seiten Barnes mitbekam war, dass er ebenfalls aufstand und einige Zeit in seiner Zimmerhälfte herum tigerte, ehe er sich ebenso wie ich auf seine Pritsche legte.

Auch wenn noch einige Dinge, die ich sagen wollte, auf meiner Zunge brannten, starrte ich weiterhin stumm vor mich hin. Ich musste zuerst wieder meine Gedanken ordnen, bevor ich wieder nützlich sein konnte. Einige Dinge wieder verdrängen ... hoffentlich würde Hydra mich in dieser Zeit, die ich für mich alleine brauchte, nicht benötigen ...

How to become a Winter SoldierWo Geschichten leben. Entdecke jetzt