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Layla,                                                                                                                                                                      irgendwie fühlt es sich komisch an das ganze hier zu schreiben, damit du es mit achtzehn oder danach lesen kannst, wenn du gerade neben mir liegst. So klein. Du bist gerade mal ein paar Wochen alt, aber trotzdem würde mir in einem Leben ohne dich etwas fehlen.                                     Wie du so friedlich schlafend neben mir in deinem Hängekorb liegst, ist es kaum vorstellbar, dass du irgendwann ausziehen wirst, selbst Kinder kriegst. Es ist einfach unglaublich. Alle sagen immer, dass die Zeit viel zu schnell vorbeigeht, die Kinder viel zu schnell groß werden, aber selbst wenn es so ist, ich will jeden Moment mit dir genießen.

Der erste Eintrag, aus dem Jahr 2000. Es ist schon siebzehn Jahre her, dass meine Mutter vor diesem Buch saß und ihre Gedanken festgehalten hat. Lächelnd wende ich mich den nächsten Einträgen zu, die fast schon ein wenig langweilig sind. Es kommt nun mal das Typische, meine ersten Worte, die ersten Schritte. Es ist vielleicht uninteressant aber mein erstes Wort war Katze, nicht perfekt ausgesprochen, aber es war deutlich Katze. Laut Mum zumindest. Den Eintrag zu meinem ersten Schultag lese ich mir dann doch genauer durch.

Sie hatten alle recht, die Zeit vergeht viel zu schnell. Es kommt mir wie gestern vor, dass du zum ersten Mal in meinen Armen lagst und jetzt bist du schon in der Schule. Heute Morgen standest du schon um halb sechs vor unserem Bett, ganz aufgeregt, du konntest es kaum erwarten, endlich in die Schule gehen zu dürfen. Aber dann in der großen Menge von Schülern. Du hast so verloren gewirkt mit deinem riesen Ranzen und dem roten Kleidchen. Du hast dich nochmal zu mir und Dad umgedreht, gewinkt und bist dann ins Gebäude verschwunden. Ich muss zugeben, bei mir sind die Tränen geflossen. Meine kleine Layla wird groß!

So geht es weiter und weiter. Doch je älter ich werde desto weniger werden die Einträge. Ich überfliege sie, aber oft blättere ich einfach weiter. Denn an das meiste, was Mum aufgeschrieben hat, kann ich mich selbst sehr gut erinnern. Irgendwann sind es nur noch drei, maximal vier Einträge im Jahr. Zu der Zeit müsste ich etwa vierzehn gewesen sein. Doch dann werden es wieder mehr, vor etwa zwei Jahren.

Ich hab schon ewig nicht mehr geschrieben. Du wirst immer erwachsener, selbstständiger und wächst einfach viel zu schnell. In ein paar Jahren bist du vielleicht aus dem Haus. Weg. Wahrscheinlich sollte ich das nicht hier reinschreiben. Irgendwie rede ich ja indirekt mit meiner Tochter, aber vermutlich merkst du es selber. Zwischen mir und deinem Vater läuft es nicht gerade sehr prickelnd. Jetzt, wo ich James kennengelernt habe, ist mir das noch einmal viel bewusster geworden. Natürlich habe ich deinen Vater geliebt, sehr sogar. Aber er hat sich in den letzten Jahren verändert. Wir haben uns auseinandergelebt und er ist einfach nicht mehr der Mann von damals in den ich mich verliebt habe. Bei James ist alles irgendwie anders. Seit längerer Zeit habe ich wieder das Gefühl gehabt, dass sich jemand dafür interessiert wie es mir geht.                                                                                                                                                                                  Gott, ich schreibe für meine Tochter und erzähle dir von meinen Problemen. So war das eigentlich nicht gedacht... Aber vielleicht hoffe ich auch einfach unterbewusst, dass du dann später meine zukünftigen Entscheidungen nachvollziehen kannst.

Wow! Das Buch ist anscheinend in gewisser Weise zu einem Tagebuch für Mum geworden. Und sie hatte recht. Ich konnte sie zwar schon vorher verstehen, aber nachdem ich das gelesen habe, tue ich es noch mehr. Dad ist einfach nicht mehr derselbe. Als wir noch in England waren, habe ich es nicht gemerkt, doch jetzt hier in Australien und nach seiner Aktion mit dem Sorgerecht verstehe ich meine Mutter absolut. Ich verstehe, dass sie Dad für James verlassen, England für Australien hinter sich gelassen hat. Ein wenig gespannt, fast als wäre ich in einen Roman vertieft, lese ich weiter.

Broken Home #CA19Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt