38

1.5K 52 11
                                    

Zögernd bleibt er vor der Tür stehen, der Schlüssel in seiner Hand schwingt leicht hin und her und klappert. Sanft drücke ich Dannys Hand in meiner. Seufzend dreht er sich zu mir um. "Ich...ich schaff das nicht", ohne mich anzuschauen fährt er sich verzweifelt durch die Haare. "Du musst das auch nicht alleine schaffen. Ich bin da, wir schaffen das zusammen, okay?", fragend schaue ich zu ihm und ziehe leicht an seiner Hand, damit er mich anschaut. Zögerlich nickt er. "Aber versprich mir eins: Lass mich das mit meinem Vater regeln, bitte?!" Ich überlege kurz, nicke dann jedoch. 

Neugierig schaue ich mich in der kleinen Wohnung um. Der kurze Flur ist recht dunkel. Links und rechts gehen jeweils zwei Türen ab und am Ende des Gangs ist nochmal eine. Alles wirkt etwas düster durch das wenige Licht und den Staub, der sich in einer dünnen Schicht überall abgelegt hat. Ich will gar nicht wissen, wann hier das letzte Mal ordentlich geputzt wurde. Fast schon habe ich die Hoffnung, dass wir unbemerkt bleiben, einfach Dannys Sachen holen und wieder abhauen können. Aber das wäre ja alles zu schön. "Ach, der feine Herr lässt sich auch mal wieder blicken?!", ertönt es aus dem Wohnzimmer, "Was fällt dir eigentlich ein einfach so die ganze Nacht zu verschwinden?" Dannys Vater tritt aus dem Wohnzimmer und ich weiß nicht mehr, was ich sagen soll. Er trägt irgendeine alte Jogginghose und ein kurzes Shirt mit Bierflecken. Der Bart ist mehr als nur unordentlich und die wenigen Haare kleben fettig an seinem Kopf. Aber das absolut schlimmste ist die extreme Fahne, die er mit sich zieht. Ich stehe so weit wie es der Flur erlaubt von ihm weg und trotzdem erschlägt mich der Gestank. Er stinkt als hätte er mehrere Tage in einer Badewanne voll Alkohol verbracht. 

"Was? Hats dir die Sprache verschlagen?", verächtlich schaut er seinen Sohn an und macht bedrohlich einen Schritt nach vorne. Danny neben mir wird immer kleiner, fast als würde er in sich selbst zusammenschrumpfen. Mir tut es weh zu sehen, wie er leidet und fast schon Angst vor seinem Vater hat. Am liebsten würde ich mich vor ihn stellen und dem werten Herrn Vater mal die Meinung geigen, aber ich habe Danny versprochen es ihn regeln zu lassen, also halte ich mich zurück. Leise, im Versuch keine Aufmerksamkeit auf mich zu lenken, trete ich näher zu Danny und leicht hinter ihn. Meine Hand, die nicht seine hält, lege ich auf seinen Arm. Ich sehe wie er noch einmal schluckt und sich bereit macht seinem Vater zum ersten Mal im Leben die Stirn zu bieten. "Ich...ich werde ausziehen.", bringt er schließlich hervor. Leise, aber er sagt es. "Nicht für immer, aber erst...", will er weiterreden, doch wird wütend von seinem Vater unterbrochen. "Was? Was fällt dir ein?! Du bleibst hier! So war es schon immer und so wird es bleiben!", aggressiv kommt Mr. O'Connor auf uns zu. Bevor ich überhaupt reagieren kann, hat er Danny eine runtergehauen. Aus Dannys Mund kommt ein überraschter und gleichzeitig schmerzerfüllter Laut. Und der fragt, was Danny einfällt. Was fällt dem bitte ein?! "Du gehst hier nicht weg, mein Herr. Das hat dir doch alles deine kleine Hure eingeredet!" 

Fassungslos starre ich den Mann vor mir an. Das hat er gerade nicht getan! Jetzt ist es bei mir mit Zurückhaltung vorbei. Ich achte nicht auf Danny, der mich versucht an meiner Hand zurückzuziehen, und trete zwischen Mr. O'Connor und seinen Sohn. "Was fällt Ihnen ein, wäre die bessere Frage", beginne ich, hoffentlich, selbstsicher, "Ich weiß, Sie haben ihre Frau verloren und das ist hart, aber was sie Danny antun ist mehr als unmenschlich. Wie konnten Sie ihren eigenen Sohn so vernachlässigen? Verdammt, Sie Arsch, haben ihn schuften lassen, geschlagen und es hat Sie einen Scheiß interessiert, wie es ihm geht. Haben Sie überhaupt eine Ahnung, was Sie ihm angetan haben?", hasserfüllt sehe ich den Mann vor mir an. "Nein, haben Sie nicht. Verdammte Scheiße, Danny ist zwanzig und hat Angst vor seinem Vater, vor Ihnen. Was sage ich eigentlich?! Vater. Sie sind alles aber ein Vater. Denken Sie mal darüber nach, was Sie ihrem Sohn angetan haben!" 

Erleichtert stoße ich die Luft aus. Endlich bin ich einen Teil von dem los, was ich ihm, seit ich die ganze Geschichte kenne, sagen wollte. Mit wutverzerrtem Gesicht schaut Dannys Vater auf mich herunter. Ich hasse meine Größe, wieso muss ich so klein sein?! Und langsam wird mir klar, dass ich grade ein bisschen sehr tief in der Scheiße sitze. "Von dir lasse ich mir nichts sagen, kleine Schlampe!" Bevor ich realisiere, was gerade passiert, vernehme ich einen heißen Schmerz in meinem Wangenknochen und Danny, der mich hinter sich schiebt.

Broken Home #CA19Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt