Kapitel 46

103 8 0
                                    

Kimis Sicht:

Langsam verstand ich gar nichts mehr. „Wieso sorgst du dich um seine Gesundheit? Er ist topfit." Außer der eh gut verheilenden Wunde am Bein war Ashley doch gesund.

„Es ist so. Du weißt ja sicherlich, dass Ashley die Grundausbildung der SEALs hinter sich hat." Verwirrt nickte ich.

„Naja, und bei einer sogenannten Heel Week müssen die ..."

„...Soldaten unter Schlafmangel Übungen absolvieren. Ja, das ist mir nicht neu, ich hab was darüber gelesen, aber auf was willst Du hinaus?"

„Ashley hat letzte Nacht nicht geschlafen, sondern dauernd Boxen trainiert und andere Kraftübungen. Vorhin, als ich nach ihn gesehen hab, war er gerade dabei, Nahkampf an Puppen zu üben und zwischendurch immer wieder Schießübungen mit einzubauen."

„Vicky. Was willst Du mir sagen? Es kann doch auch sein, dass er ein ganz normales Training macht, um beim Angriff gut trainiert zu sein."

„Das ist es nicht. Ich hab Angst, dass er sich selbst über die Grenze hinaus treibt. Bevor er Dich ins Krankenhaus befördert hat, war sein Vater eine Zeit lang ziemlich schlecht drauf. Ashley hat damals wochenlang kaum geschlafen, durchgehend trainiert, kaum gegessen und wenig Pausen gemacht. Ich will nicht, dass er das Ganze nochmal macht. Denn wenn er es macht, da bin ich mir ganz sicher, bricht er seine Grenze und verletzt sich selbst und bringt uns in Gefahr. Bitte Kimi, geh zu ihm und bring diesen Vollidioten zur Vernunft."

In Vickys Augen konnte man ihre Verzweiflung jetzt deutlich lesen. Mit einem Seufzer nickte ich, konnte es mir aber nicht verkneifen, die Augen zu verdrehen. „Dankeeeee", quietschte Vicky und fiel mir erleichtert um den Hals. Männer waren solche Idioten, und wer musste sie wieder auf den richtigen Weg bringen? Richtig, wir Frauen. Mir kam ein Witz in den Sinn, den ich einmal von einer Bekannten gehört hab: Vor langer Zeit kam Gott einmal auf die Erde zu Adam und Eva, denn er hatte für jeden noch ein Geschenk. Und so sprach er: „Ich habe für jeden von euch ein Geschenk. Aber ihr müsst euch einigen, wer was bekommt." Daraufhin sagte Adam: „Ja, das schaffen wir." Dann sagte Gott: „Einer von euch darf im Stehen pinkeln." Adam war gleich ganz aufgeregt: „Ja, ja, das will ich. Ich will im Stehen pinkeln können. Dieses dauernde Hinsetzen nervt." Darauf Eva: „Na gut, wenn es dir so eine Freude macht, dann nimm es." Und Adam freute sich so, dass er sogleich loslief und überall hinpinkelte. Er lief zum Strand und pinkelte ein Muster in den Sand. Dann kam er zurück. „Aber wenn ich im Stehen pinkeln darf, was bekommt dann Eva?", fragte er. Und Gott sagte: „Eva, bekommt ein Gehirn."

Ja, irgendwie ein seltsamer Witz. Aber genau in diesem Moment passte es ziemlich gut. Und auch allgemein waren es ja immer die Möchtegern-Bad-Boys, die sich toll fühlten, aber nicht gerade intelligent waren. Gut, ja, die Frauen, die auf diese Bad-Boys hereinfielen, waren auch nicht schlau, aber trotzdem war ich der Meinung, dass die Frauen in vielen Ansichten die Nase vorn haben.

Ausgenommen solche Männer wie Ian. Mit denen konnten noch nicht einmal Frauen mithalten, höchstens noch welche, die ebenfalls überintelligent waren.

Vicky riss mich aus den Gedanken. „Ich glaube du kannst aufhören. Wenn du gleich zu Ashley magst, der sollte im Einser Bunker sein. Du hast dein Navi ja noch, oder?"

„Klar hab ich das noch." Lächelnd sah ich zu Vicky, die dankbar zurück lächelte. Dann machte ich mich auf den Weg.

Irgendwas musste hier gehörig falsch laufen.

Während Ashley, der eigentliche Anführer dieser Gang, trainierte, rissen sich die anderen den Arsch auf, um irgendwie damit klar zu kommen, dass er nicht helfen konnte.

Und außerdem, waren SEALs nicht hauptsächlich für ihre gute psychische Stabilität bekannt? Psychisch Stabil schien mir Ashley nicht zu sein. Und vor allem, wie würde ich ihn jetzt auffinden? Und was sollte ich sagen? Und wie würde er reagieren? Viele Fragen.

Und die würden alle ohne Antworten bleiben, wenn ich nicht zu ihm ginge. Aber damit könnte ich wahrscheinlich leben.

Ich irrte in den Gängen umher, bis ich irgendwann leise Schüsse vernahm, dann wieder nichts. Nach einer gefühlten Ewigkeit waren wieder welche zu vernehmen. Nach einer weiteren Ecke, um die ich bog, konnte ich eine rostbraune Tür erkennen, auf der in großen weißen Buchstaben '1. Bunker' stand. Neben der Tür waren Haken, an denen Ohrenschützer hingen.

Schnell schnappte ich mir einen und setzte ihn auf. Nach einmal tief Einatmen öffnete ich die Tür und ging hinein.

Ich erschrak, als ich Ashley sah. Er war oberkörperfrei, hatte eine Trainingshose an und trug wie ich einen Ohrenschutz. Aber das war nicht das Schlimme. Jeder seiner Muskeln war angespannt. Seine Adern traten an Hals, Oberkörper und Hand heraus. In einer Hand hielt er verkrampft eine Pistole fest.

Mit sicheren Tritten und Schlägen verprügelte er gerade eine Schaufensterpuppe, die bereits ziemlich demoliert war. Dann drehte er sich ruckartig um, ohne von der Puppe abzulassen, schoss er. Die Kugel schwirrte durch die Luft und blieb direkt im Herz einer weiteren Puppe stecken.

Sie war gute 30 Meter von Ashley entfernt, und hatte bereits viele Einschüsse im Kopf-, Herz- und Brustbereich.


Gut kann auch böse...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt