Kapitel 52

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Kimis Sicht:

Ich spürte seinen Atem in meinem Nacken. Dann flüsterte er leise in mein Ohr, „Wenn du jetzt etwas sagst, was die nicht hören dürfen, darfst du deine Lippen nicht bewegen, nur wenn sie es hören dürfen oder sollen, darfst du sie bewegen. Verstanden?" Ich nickte kaum merklich, doch er merkte es, stieß sich von der Wand ab und sah mir noch einmal tief in die Augen.

Als er die Bestätigung in meinen Augen sah, nahm er mich an der Hand, und wir gingen nach draußen.

In der linken Hand hielt er meine Hand und in der rechten ein Maschinengewehr.

Langsam hatte ich mich daran gewöhnt, dass alle um mich herum eine Waffe trugen, und so störte es mich nicht mehr sonderlich. Ashley steuerte zielstrebig auf einen schwarzen und ziemlich großen Lastwagen zu.

Er öffnete die Beifahrertür, und bevor ich reagieren konnte, hatte er mich bereits an der Hüfte gepackt und hochgehoben, als würde ich nichts wiegen. Er ließ die Tür offen und ging zur anderen Seite, um es sich selbst elegant auf dem Fahrersitz bequem zu machen. Der Lastwagen hatte drei Sitze, weshalb ich in die Mitte rutschte.

Kurz drauf ließ sich auch, wie auf Kommando, Jason nieder. So saß ich in der Mitte zwischen zwei breiten muskelbepackten Kerlen, die zusätzlich auch noch die Westen anhatten, links und rechts von mir Waffen ohne Ende und bald hinter mir noch mehr.

Doch jetzt sah ich erstmal überrascht zu Ashley, der, wie als würde er es täglich machen, den Lastwagen startete und lässig durch das, mir viel zu klein vorkommende, Tor steuerte. Dabei behielt er immer den hinteren Teil durch den Seitenspiegel im Blick, um nirgends anzufahren.

Und ja verdammt, er sah so ausgerüstet, hinter dem riesigen Lenkrad verdammt gut aus.

Dann warf ich einen schrägen Blick zu Jason, der sich voll auf die Umgebung konzentrierte. Manchmal kam er mir vor wie ein zu groß geratener Bär. Gemütlich, aber trotzdem gefährlich, und er wollte eigentlich nur, dass man ihn mochte.

Ich fand Jason nett. Er redete zwar nicht sonderlich viel, war mir aber allein durch das, dass er mit Ashley befreundet war, sympathisch. Und außerdem, wer würde denn nicht einen so riesigen Tollpatsch süß finden?

Denn, auch wenn diese beiden Kerle neben mir aussahen wie Türsteher vor einem prominenten Club, waren sie tief drin auch einfach nur nette und liebenswerte Menschen. Andererseits musste man das auch erst beweisen, denn momentan waren sie noch die 'Bösen'. Oder wie ich sagen würde: die Grauen. Nicht schwarz. Nicht weiß. Einfach grau.

Wir fuhren eine gute Stunde. Ashley fuhr gut und sicher, sodass ich nie Angst haben musste, dass er einen Unfall baut. Und dass ich ihm vertraute, war gut, denn er machte immer wieder riskante Überholmanöver auf der Autobahn. Immer wieder, wenn ein Autofahrer blöd fuhr, fing er an, lautstark zu fluchen. Dabei musste ich dann immer grinsen, denn es passte einfach gar nicht zu ihm. Also, das Fluchen schon, aber die Wörter nicht. Die waren eher mädchenhaft, vielleicht sagte er aber auch keine anderen, weil ich neben ihm saß.

Als wir endlich ankamen war ich froh, nicht noch länger auf diesem Sitz sitzen zu müssen. Denn der Gurt hatte sich während der Fahrt immer enger zugezogen. Ein sogenannter Würgegurt.

Das Gelände, auf dem wir uns befanden, war eine alte Fabrik. Es standen viele schwarze Autos herum. Ab und zu sah man einen Schatten herumhuschen. Ashley stellte sich ein Stück von dem Lastwagen entfernt hin, dann streifte er seinen Pulli ein Stück zurück, sodass das Tattoo frei lag. Langsam streckte er den Arm in die Höhe und drehte sich einmal.

Mit einem lauten Krachen öffnete sich eine Metalltür, und ein etwas dicklicher Kerl kam auf uns zugeeilt.

„Nicht schießen, das ist Ashley, ihr Idioten!", brüllte er und sofort erhoben sich einige Männer mit Waffen aus dem Schatten und sahen entschuldigend zu Ashley.

„Ist schon okay, in diesen Zeiten muss man vorsichtig sein", rief er. Sofort entspannten sich die Männer wieder und liefen in die Halle.

„Hey, Gaston. Schön dich mal wieder zu sehen. Siehst immer noch so frisch aus wie eh und je."

Ashley gab Gaston einen freundschaftlichen Schlag auf die Schulter. Gaston erwiderte den Schlag freundlich, jedoch recht fest, denn Ashley stolperte ein Stück auf die Seite.

Lachend meinte er, „Und Kraft hat der Alte auch noch. Mann, wo trainierst du nur?" Alle lachten, nur Jason nicht. Er stand etwas abseits und beobachtete alles.

„Und wen hast du mir da mitgebracht?", fragte Gaston jetzt freundlich und sah zu mir.

„Darf ich vorstellen, das ist Kimi, unser Schützling. Kimi, das ist Gaston, er sorgt dafür, dass wir in den schlaflosen Nächten nicht vom Fleisch fallen." Gaston schüttelte kräftig meine Hand. Dann flüsterte er mir zu: „Schnapp dir diesen Prachtkerl, einen besseren findest du nicht."

Ich fing an zu grinsen, doch Ashley meinte streng: „Gaston, komm nicht auf falsche Gedanken." Gaston zwinkerte mir trotzdem zu.

„So, wenn die Vorstellungsrunde vorbei ist, kannst du mir sagen zu welchem Tor ich fahren soll?", erkundigte sich Ashley.

Schnell zog Gaston einen Zettel aus der Hosentasche und sah nach. „Mh, Ashleys Special Lieferung an Gate 3."

„Gut, dann schau ich mal. Kimi, bleibst du bitte bei Gaston?" Ich nickte und lief zusammen mit Gaston und Jason zur Fabrik. Wir stellten uns auf das Metallgerüst, welches gleich die Verbindung zwischen der Halle und dem Lastwagen darstellen sollte.

Dieser Würgegurt existiert tatsächlich, und zwar in dem weißen VW Bus meines Opas. Das Problem bei dem Ganzen ist, er zieht sich enger, du kannst ihn aber nicht mehr herausziehen. Das geht nur, wenn du ihn einmal wieder ganz zurück tust und dann wieder neu rausziehst.


Gut kann auch böse...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt