Kapitel 42

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Kimis Sicht:

Ashley drückte aufs Gas. Wir waren auf einer Autobahn gelandet. Er beschleunigte den Wagen auf 150 kmh. Geschickt schlängelte er sich zwischen den anderen Autos hindurch. In mir kam eine Frage hoch. „Wie schafft es dieser normale Jeep, so ein Tempo zu bekommen?" Ich weiß, falsche Frage im falschen Moment, aber trotzdem interessierte es mich gerade. Erstaunt und verwirrt zugleich sah Ashley kurz zu mir hinüber und erkannte, dass ich es ernst meinte. „Wir werden verfolgt, könnten jeden Moment in ein Auto crashen, und du fragst, wie es dieses Auto schafft, so schnell zu werden? Aus dir könnte doch mal was werden." „Ach weißt du, ich vertrau dir wahrscheinlich einfach zu viel, dass du uns hier hindurch bringst." „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser", meinte Ashley, ein seltsam gefährliches Grinsen stahl sich auf seine viel zu schönen Lippen. Dann drückte er aufs Gas.

Der Wagen wurde immer schneller. Wir flogen über den Asphalt. „Einer unserer Leute ist ein recht guter Bastler, was Autos angeht." Das war für mich genug Erklärung. Sie tunten ihre Autos also. Es fing an, Spaß zu machen, so schnell zu fahren. Ich grinste. Meine Muskeln hatten schon lange aufgehört zu schmerzen. Und deshalb saß ich jetzt in diesem Jeep, frei von jeglichen Beschwerden und lachte vor mich hin.

Ashley warf mir einen kurzen Blick zu. Gab Gas, und auch in seinem Gesicht konnte man erkennen, dass das Adrenalin durch ihn strömte. Das Auto hatte aufgehört, uns zu verfolgen. Nach einiger Zeit verlangsamte Ashley den Wagen wieder und fuhr von der Autobahn. Es dämmerte. Ashley wurde wieder ernst. Nachdenklich sah er zu mir rüber. Ich lächelte ihn an und fragte: „Was ist denn los?" „Nichts", meinte er, immer noch nachdenklich, und sah wieder auf die Straße. Sein Blick war undefinierbar. Eine ungesunde Mischung aus Kälte, Trauer, Fürsorge, Verwirrtheit. Über was dachte er nach?

Ich fühlte mich, als hätte ich Drogen genommen. Irgendwann kamen wir an. Das Gefühl von Drogen war ersetzt von Müdigkeit. Meine Augenlieder waren schwer. Das Geräusch des Motors hörte sich wie ganz weit weg an. Irgendwann verstummte das Geräusch. Autotüren öffneten und schlossen sich. Dann wurde ich an einen warmen Körper gedrückt und hochgehoben. Ashley trug mich sicher zu meiner Matte. Er legte mich hin und deckte mich zu. Dann verschwand er.

Ashleys Sicht:

Seufzend schloss ich hinter mir die Tür der Lagerhalle. Schnell eilte ich durch die Gänge zu meinem Büro. Ich zog mich um. Der Anzug passte wie jeder andere meiner Anzüge perfekt. Doch das berauschende Gefühl, das ich normalerweise bekam, wenn ich aus so einem Grund einen Anzug anzog, blieb heute aus. Ich wusste, dass es dieses Mal gefährlicher wurde als sonst. Heute bleibt keine Zeit, um den Rausch der Kontrolle zu fühlen. Fertig angezogen lief ich schnell zu Vicky. „Verkabelst du mich bitte?" „Aber klar Ash. Was brauchst du?" „Kamera, Mikrofon und Peilsender." „Verstanden. Ich hab gar keine Pläne, übernimmt das Ian?" „Ja, wo ist er." „Müsste ich Büro sein." Es blieb mir gerade keine Zeit, lange Gespräche mit Vicky zu führen. Ich musste dringend los. Als ich fertig verkabelt war, lief ich schnell zu Ian, der gerade noch den letzten Pfeil auf eine seiner Tafeln malte. „Bereit?", fragte ich und sah gespannt zu ihm rüber. „Jep, von dem Dach gegenüber hast du einen guten Blickwinkel. Er sollte dort in einer Stunde auftauchen, also beeil dich." „Verstanden, behalte mit Vicky alles im Auge. Und wenn etwas schief geht ... erhält Paolo die volle Kontrolle über alles." „Boss, sie sind so oft in misslichen Lagen gewesen. Und sehen Sie sich an. Bisher haben sie alle überlebt. Und außerdem reden wir von einer Wahrscheinlichkeit von..." „Ja hab verstanden. Bitte Ian, lass es. Wir wissen, dass du intelligent bist." Ich ging aus dem Raum. Diese Mission startete in diesem Augenblick.

Mit einem schwarzen Auto fuhr ich durch die Nacht. Das Geld war überwiesen worden. Vicky hatte mir eine Nachricht geschickt. Also stand der Kugel nichts mehr im Weg. Das Opfer: männlich, reich, viele Feinde. Es war ein korrupter Richter. Er saß auf zu viel Geld, und wenn er durch eine Kugel starb, würde man seine Fälle nochmals untersuchen, um zu sehen, ob er sich Feinde gemacht hatte. Dann würde man die Fehler sehen, und zack, haben ein paar Häftlinge ihre Freiheit zurück. „Ian? Wo park ich ohne Kameras?" „Fahr links und park ungefähr auf Höhe des Secondhand Geschäfts. Dort sind keine Kameras. Ab da wird dich Vicky leiten, sie ist bereits im Netzwerk." Ians Stimme in meinem Ohr gab mir Sicherheit. Ich kannte ihn schon lange. Und schon immer hatte er mit seinem hohen IQ und der Fähigkeit des Profilens geholfen und uns aus der Scheiße geritten. Und dafür war ich ihm mehr als dankbar.


Gut kann auch böse...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt