Kapitel 48

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!!!Vorsicht!!! Die folgenden Kapitel können Spuren von Aggression, Spannung, Adrenalin und Liebe enthalten.

Kimis Sicht:

Nervös trommelten meine Finger auf den bereits schmerzenden Oberschenkel.

In der linken Hand hielt ich eine Papiertüte, in der Vicky Essen und Trinken eingepackt hatte. Meine rechte Hand umschloss jetzt fest den kalten Griff der Tür zum Bunker. Meine Knöchel traten bereits weiß heraus, und doch konnte ich diese Tür nicht überwinden. Zu viel Angst hatte ich davor, die Leere in Ashleys Augen sehen zu müssen. Zudem wusste ich immer noch nicht genau, wie ich es schaffen sollte, ihn aus seiner Trance heraus zu holen.

Jetzt oder nie.

Vorsichtig trat ich ein. Ashley sprintete gerade zu einer Seite, machte ein paar Liegestützen, sprintete zurück und machte wieder Liegestützen. Kurz sah ich ihm zu. Dann ging ich zum Rand, legte die Tüte an die Wand und holte langsam ein Lebensmittel nach dem anderen heraus.

Als ich einige Dosenfrüchte und andere Sachen ans Licht befördert hatte, drehte ich mich um. Ashley machte gerade Kniebeugen. Das war mein Moment. Mit ein paar Schritten war ich bei ihm. „Ashley? Die anderen machen sich schon Sorgen um dich." Nichts. Keine Reaktion.

Vorsichtig legte ich meine Hand auf seine Schulter. Er zuckte kurz zusammen, machte dann aber ungestört weiter. Als er kurz aufrecht stand packte ich ihn mit beiden Händen an den Schultern und rüttelte an ihm. Er kam aus dem Gleichgewicht und machte einen Schritt zurück. Doch noch immer war keine Regung in seinen Augen zu sehen, was mich zum Verzweifeln brachte.

„Ashley, bitte!" Langsam aber stetig schob ich ihn nach hinten, bis er nur noch einen halben Meter von der Wand entfernt stand.

Ich atmete einmal tief durch. Dann nahm ich meine ganze Kraft zusammen und schubste ihn gegen die Wand. Kurz und nur ganz leicht zuckte er zusammen, als er gegen die Wand prallte. Gut, jetzt half wirklich nur noch Plan B. Was rede ich von Plan B. Plan Z wohl schon eher, auch wenn die dazwischen teils gar nicht existierten.

Langsam legte ich meine Hände in seinen Nacken, drückte ihn gegen die Wand. Immer näher ging ich zu ihm, bis ich seinen Atem auf meiner Haut spürte. Nochmal sah ich tief in seine Augen, in denen immer noch dieselbe Leere herrschte wie zuvor.

„Runde um Runde. Schlag um Schlag. Zahn um Zahn." Immer noch murmelte er dieses kranke Zeug. Dann legte ich meine Lippen sanft auf seine. Er zuckte zusammen, sein Atem wurde minimal schneller, doch dann erwiderte er meinen Kuss. Ich sah ihm tief in die Augen, ein Lächeln legte sich auf meine Lippen. Das zuvor so leere Blaugrau wurde wieder kräftiger, lebendiger und wurde zu einem tiefen Blau.

Es fühlte sich falsch an. Gestern war ich noch wütend auf ihn, weil er jemanden getötet hatte und jetzt, jetzt küsste ich ihn einfach, obwohl ich wusste, dass zwischen uns nie mehr sein könnte.

Andererseits war das die einzige Möglichkeit, ihn zurück ins Hier und Jetzt zu befördern. Sanft lösten sich unsere Lippen, und ich legte mit einem Lächeln meine Stirn gegen seine verschwitzte. „Schön, dass du wieder ansprechbar bist", seufzte ich.

Wir lösten uns voneinander, ich nahm ihn bei der Hand und zog ihn hinter mir her zu dem Essen. „Es ist mir pupsegal, ob du Hunger hast oder nicht, aber du musst was essen und wenn nicht für dich, dann für meine Nerven."

„Und was, wenn ich sage, dass ich einen Bärenhunger hab?"

„Umso besser."

Schweigend sah ich Ashley zu, wie er das mitgebrachte Essen in sich hinein schlang. Es schien ihm zu schmecken, denn er aß ziemlich viel. Nach einer Weile wurde sein Blick traurig.

„Ich hab's schon wieder getan", murmelte er mehr zu sich selbst. Ich wusste nicht, was ich antworten sollte, deswegen hielt ich den Mund. „Es tut mir leid. Ich müsste mich selbst besser unter Kontrolle bekommen." Ashley klang traurig. Ich hielt diese ganze Traurigkeit nicht mehr aus.

„Versuchs mal mit Meditieren." Ein Grinsen schlich sich auf Ashleys Lippen, und auch ich musste unweigerlich anfangen zu lachen. Sich Ashley vorzustellen, wie er meditierte, war einfach lustig.

Stell dir einen muskulösen, jungen Kerl vor, der mit Cargohose und im Schneidersitz dasitzt, links und rechts neben ihm Waffen und ein Headset im Ohr.

Ich stelle es mir sehr seltsam vor.

„Ich hab eine Frage an dich", meinte ich nach einer ganzen Weile Schweigen. „Dann schieß ... leg los." „Wieso fällt es dir so schwer, andere an dich heranzulassen?"

Ashley Miene verfinsterte sich schlagartig. „Es fällt mir schwer, Menschen so zu vertrauen, dass ich sie an mich heranlassen kann. In all den Jahren, in denen ich jetzt schon in der Mafia unterwegs bin, haben viele mein Vertrauen gebrochen, deshalb fällt es mir schwer."

„Aber es kann doch nicht so schwer sein, jemanden zu vertrauen."

Mit einem Ruck stand Ashley auf und reichte mir seine Hand, um mir aufzuhelfen.

„Vertraust du mir?" Verwirrt nahm ich seine Hand. Er zog mich in einer fließenden Bewegung auf die Beine.

„Ja, Ja, ich vertrau dir." Ich weiß nicht, woher ich den Mut nahm, ihm zu vertrauen, aber mein Bauchgefühl sagte, dass er mir nie etwas antun würde.

Yeah, sie haben sich endlich geküsst. Wer hat noch darauf gewartet, dass sie sich endlich näher kommen? Ich hab immer überlegt, wie ich ihren ersten Kuss machen soll, und fand dann diese Lösung recht passabel. Tja, aber die Spannung wird in den nächsten Kapiteln noch ein Stückchen mehr steigen.


Gut kann auch böse...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt