Kimis Sicht:
Ich saß gerade zusammengekauert auf dem Stuhl und dachte über den Toten nach, als Vicky mich rief. „Kimi? Wir gehen jetzt, kommst du mit?“ Mitfühlend sah sie mich an. Ich nickte abwesend. Ich wollte nicht alleine sein. Nicht jetzt. Und selbst wenn ich noch mehr Tote sehen würde, so wollte ich gerade einfach zu Ashley.
Langsam stand ich auf und schlürfte Ian und Vicky hinterher. Immer und immer wieder spielte sich das Szenario in meinem Kopf ab. Immer wieder sah ich, wie der Mann zusammenklappte und sich die Blutlache bildete, wie Ashley da saß und das Ganze ignorierte. „Hey?“ Vicky riss mich aus meinen Gedanken. Ich zuckte zusammen, als sie ihre Hand auf meine Schulter legte. Traurig sah ich zur ihr rüber.
Ein sanftes Lächeln bildete sich auf ihren pink geschminkten Lippen. „Ash meinte, ich soll dich vorwarnen. Roxy, eines unserer Mitglieder ist hier, du darfst nicht erschrecken, sie ist ein wenig … groß.“ Ich nickte. Ich verstand zwar gerade nichts und konnte an nichts denken, aber das musste Vicky ja nicht wissen. Sie würde sich sonst wahrscheinlich nur Sorgen machen.
Wir gingen durch die Gänge. Ich konzentrierte mich darauf, nur auf den Rücken von Ian zu starren. Die toten Menschen waren gerade zu viel für mich gewesen. Irgendwann kamen wir zu der Tür der Lagerhalle. Ian stieß sie auf, und da war er.
Ashley. Ohne auf die Masse an Toten auf dem Boden zu achten, lief ich zu ihm. Er kniete gerade neben einem Mann am Boden, doch als er mich sah, stand er sofort auf. Er hatte kein T-Shirt an, weswegen ich sah, was er abbekommen hatte. Blaue Flecken zierten seine Muskeln. Kratzer und Schnitte waren an den Armen verteilt. Doch all das hinderte mich nicht daran, ihm um den Hals zu fallen. Er war verschwitzt, doch es war mir egal. Er legte seine Arme um mich, und zumindest für einen kurzen Moment vergaß ich den Mann. Ich schloss meine Augen und versuchte nur an das Hier und Jetzt zu denken. Ashley legte sein Kinn auf meinen Kopf, und ich spürte, wie auch er versuchte, sich zu entspannen. „Es ist vorbei“, flüsterte er leise.
Langsam entspannte ich mich ein wenig, als Ashley mich neben sich zog, sodass ich mich in der Lagerhalle umsehen konnte. Überall lagen Menschen. Bei manchen, die noch lebten, saßen schwarz gekleidete Männer. Bei allen sah ich das Tattoo am Handgelenk. Dann fiel mein Blick auf ein … Etwas? Auf den zweiten Blick erkannte ich, dass es eine Frau war. Sie war riesig. Nicht nur groß, sondern auch verdammt breit. Ein wenig erinnerte sie mich an eine Bodybuilderin. Breite muskelbepackte Schultern, sie trug ein Top und eine Cargohose. Sie hatte dunkelblonde, kurze Haare. Ein Nasenpiercing, ein Lippenpiercing und ein Tunnelohring ließen sie aussehen wie einen Hardrock-Fan.
„Kimi, das ist Roxy, eine gute Freundin. Roxy, das ist Kimi, unser Schützling“, erklärte Ashley. Eng an Ashley gedrückt musterte ich sie. „Hallo“, flüsterte ich. „Hey“, meinte sie freundlich, „Ash hat schon viel von dir erzählt allerdings noch nicht genau wie ihr euch kennengelernt habt. Ich weiß nur das er dir ein paar Knochen gebrochen hat.“ Ich lächelte schüchtern. „Ja, Ashley hat mich geschubst und ich bin hingefallen, dabei hab ich mir dann das rechte Schlüsselbein und zwei Rippen gebrochen“, erklärte ich leise. „Oh Mann, Ash, ich wusste einfach schon immer, dass du auf die Mädchen eine umhauende Wirkung hast. Aber was mich wundert, Kimi, warum sagst du Ashley und nicht wie jeder andere Ash?“ Verwirrt sah sie mich an, und ich sah genauso verwirrt zurück. „Wieso sollte ich?“, fragte ich. „Auweia, naja, weil jeder von seinen Freunden ihn so nennt. Und komm, Ashley hört sich doch mädchenhaft an, oder?“ Diese Frau wirkte zwar nett, überforderte mich aber gerade gedanklich.
Eine unangenehme Stille entstand, doch Ashley löste sie sofort auf. „Ich weiß ja nicht, wie es bei euch ausschaut, aber ich hab Hunger.“ Er sah in die Runde. Alle nickten zustimmend und setzten sich in Bewegung. Doch bevor wir gingen, kümmerten wir uns um die Verletzten. Zusammen brachten wir sie zur zweiten Lagerhalle, um sie medizinisch versorgen zu können. Ich half beim Verbinden der Wunden und Desinfizieren. Es tat gut, eine Aufgabe zu haben, bei der man alles andere vergessen konnte. Auch die anderen machten Verbände. Ash und Paolo nähten die Platzwunden zusammen. Es sah ziemlich ekelig aus, weshalb ich froh war, dass ich sowas nicht machen musste. Vermutlich hätte ich es eh nicht gekonnt.
Nach einer guten dreiviertel Stunde waren wir durch. Ash sorgte dafür, dass jeder seiner Männer einen Fahrer bekam, der ihn heim fuhr, während Logan und die anderen die feindlichen Verletzten entweder in eine Zelle sperrten oder an den Krankenbetten fixierten. Nach und nach wurden wir weniger, bis nur noch Paolo, Jason, Vicky, Ian, Roxy, Logan, Ash und ich übrig waren. Langsam setzten wir uns in Bewegung, um zu ersten Lagerhalle zu kommen.
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Gut kann auch böse...
Misteri / ThrillerSeit kurzem ist da dieser mysteriöse Junge. Der Junge, um den sich so viele Gerüchte drehen und der Junge, der von allen gemieden wird. Kimi hat eigentlich nichts mit ihm zu tun, bis sie zur falschen Zeit am falschen Ort ist und plötzlich eine ganz...