Prolog

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Schlagartig erstarre ich auf dem kalten feuchten Untergrund. Meine nackten Zehen graben sich tiefer in kleine Steinchen, Moos und Dreck. Nicht nur ich bin bewegungsunfähig. Aiden ebenso. Er taumelt unvermittelt; jedoch so sehr, dass er möglicherweise gar nicht mitbekommt, dass sich in der Dunkelheit, genau vor unserer Nase, etwa in zehn Metern Entfernung, jemand befindet. Was mich allerdings irritiert... Diese Person steht da, ohne sich zu bewegen. Im ersten Moment glaube ich mich zu täuschen. Womöglich spielt mir auch bloß meine Verwirrtheit einen Streich und dort ist gar keiner.

Tompson umschlingt mich noch immer mit seinem linken Arm. Ich hingegen kneife ihn leicht in die Seite, sodass er mir seine Aufmerksamkeit schenken muss, doch er scheint ganz wo anders zu sein. Auf jeden Fall nicht mehr richtig bei Bewusstsein. Seine Verletzung ist einfach zu schlimm. Er verliert zu viel Blut. »Da ist jemand?«, hauche ich leise, sodass nur er es hört. Am liebsten würde ich fluchen, möchte schreien und im Erdboden verschwinden. Vielleicht wäre es sogar besser sich selbst zu töten, um den Fängen von Simon zu entkommen. Wir dürfen uns nicht schnappen lassen. Er wird mir Schlimmes antun. Das weiß ich. Immerhin sind wir beide erst entkommen. 

Nichtsdestotrotz blitzt etwas in meinem Augenwinkel auf. Es ist die Pistole, die noch immer im Jeansbund von Aiden steckt und die er von diesem toten Typen klaute, den er vor wenigen Minuten noch umbrachte. Da sie sich genau auf meiner Seite befindet, greife ich gezielt danach und hole sie schnellstmöglich heraus. Ich weiß zwar nicht, wie man dieses Ding benutzt, da mir das zuvor niemand zeigte, aber so schwer wird das doch nicht sein, oder? Natürlich wird ein lauter Knall noch mehr Aufmerksamkeit erregen. Definitiv kann die ganze Sache nach hinten losgehen, denn dann müsste ich Aiden tatsächlich zurücklassen. Er ist zu schwer und wir kommen nur schleppend voran. 

Tränen steigen mir in die Augen, verschleiern die Gestalt vor mir mehr und mehr, die sich noch immer nicht bewegt. Was soll ich nun machen? Das Metall in meiner Hand wiegt schwer, zieht meinen Arm immer weiter nach unten, den ich probiere oben zu halten und irgendwie zu zielen. Ich weiß überhaupt nicht, ob ich treffen werde, kann nicht sagen, ob die Waffe überhaupt noch gesichert ist oder nicht und ob sich eine Kugel im Lauf befindet. Ich tippe auf Letzteres. Möglicherweise ist es auch so, denn Tompson hat sie sicher nicht grundlos mitgenommen.

Ich atme tief ein, als ich die Lider kurz zusammenpresse. Dann öffne ich sie extrem weit, sodass mir meine Tränen nicht mehr die Sicht versperren und ich wieder sehen kann. Dort steht definitiv einer. Ich erkenne es klar und deutlich. Nun tritt jedoch noch ein weiterer Schatten aus der Dunkelheit. Genau daneben. Meine Glieder beginnen noch mehr zu zittern. Nicht bloß vor Kälte, sondern auch durch die Angst, die mich um den Verstand bringt.

Ich kann Aiden nicht mehr halten, der auf der Stelle dumpf auf dem Waldboden aufschlägt. Panisch reiße ich die Lider weiter nach oben, habe keine Ahnung, was der beste Ausweg in dieser misslichen Lage ist. Soll ich mich lieber selbst umbringen? Kurz fällt mein Blick nach unten. Ich sehe kaum etwas, aber weiß, dass Aiden bewusstlos ist. Er hat keine Chance mehr auf die Beine zu kommen. Nur was ist jetzt das Richtige? Das Beste für mich? Ich darf nicht mehr daran denken, dass wir beide doch heil aus der Sache herauskommen. Alles ist vergeblich.

Zu diesem Zeitpunkt taucht schon wieder ein Schatten vor mir auf. Erneut einer neben dem anderen. Es sind Männer. Durch die Größe kaum zu verkennen. Verdammter Scheiß. Prompt fährt meine Hand weiter in die Höhe, obwohl ich noch immer auf die erste Person ziele. Keiner geht mir aus dem Weg, niemand sagt etwas, obwohl ich mir sicher bin, dass man meine helle Haut, trotz der Wunden und des Blutes, eindeutig erkennt. Wird mein Leben jetzt enden? Bin ich dazu verdammt so jung zu sterben und mein Kind, was ich im Leibe trage, niemals kennenzulernen? Die Hoffnung in mir zerbricht komplett. Aber ich weiß eines: Ich werde Simon nicht die Genugtuung geben mich zu quälen, nur um Damian damit zu verletzen. Lieber beende ich es.

Ich weiß genau, dass ich keine Chance gegen diese Typen vor mir habe. Vor allem nicht, als noch ein weiterer Schatten auftaucht. Ich bin nicht schnell, meine Kraft am Ende. Keinen Plan, was das Schießen betrifft. Als es dann auch noch hinter mir knarrt, ist mir bewusst, dass sich auch dort einer befindet. Dabei traue mich nicht, meinen Kopf zu drehen, aber derjenige, ist nur ein paar wenige Schritte von mir weg.

Es besteht nur noch ein Ausweg. Der Einzige. Ich denke nicht nach. Mein Arm macht sich selbstständig und etwas Kaltes berührt unvermittelt meine Schläfe. Es ist die Waffe, die ich in den Fingern halte. Die von Aiden. Oder um genauer zu sein von einem Typen, dessen Namen ich nicht einmal weiß und auch nie erfahren werde. Ich muss abdrücken, nicht nachdenken, sondern von dieser Welt verschwinden. Jetzt.

Ungeachtet dessen gibt es jedoch ein Hieb. Die Pistole fliegt fast geräuschlos in den Dreck. Jemand hat sie mir aus der Hand geschlagen. Zugleich schluchze ich auf, will wieder nach ihr greifen, aber ich komme gar nicht nach unten, weil ich schlagartig von hinten festgehalten werde. Und meine ganze Hoffnung von dieser beschissenen Welt zu kommen... verpufft.

 verpufft

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Bad Temptation II - BreatheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt