Kapitel 37

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Normalerweise musste man mit sich selbst nicht über so etwas debattieren. Leider blieb mir jedoch nichts anderes übrig. Und dieses Gefühl hätte ich in dem Moment gern mit jemandem geteilt. Ungeachtet dessen war ich schon je her ein Mensch, der sich schwierigen Situationen stellte. Auch was die Sache mit Damian betraf. Ich war trotzdem noch bei ihm, rannte diesem Mann hinterher und wollte nichts anderes, außer ihn. Hätte ich aufgegeben, wären wir uns niemals nähergekommen, aber ich wäre dann auch nicht an diesem Ort gewesen. Das war ebenso Tatsache. Mist.

Andererseits konnte er nichts dafür. Ich war es, die aus dem Haus ging, obwohl mir klar war, dass es nach hinten losgehen konnte. Leider war meine Situation noch beschissener, als so schon. Ich besaß ja nicht einmal Klamotten am Leibe und trotz alledem konnte ich nicht verschwinden. Es ging nicht. Auf der einen Seite war da die Freiheit, wenn das Glück auf meiner Seite stand, oder ich konnte das Leid von Aiden etwas mindern, indem ich dazwischenging, mit ihm versuchte irgendwie zu fliehen. Nur ich selbst hatte die Wahl.

Ich schluckte schwer. Mein Rachen trocknete erneut extrem aus, sodass es mir kaum möglich war ein Husten zu unterdrücken. Er war trocken wie die Wüste. Nun noch mehr wie zuvor. Egal. Wenn ich einfach gehe, wird mich mein schlechtes Gewissen einholen. Immer und immer wieder. Tompson lebte noch. Ich konnte es womöglich verhindern, dass ihm noch Schlimmeres widerfuhr. Eines Tages bereute ich es, falls ich ohne ihn abhaute. Ich dachte nicht weiter groß darüber nach, denn schon beim Überlegen war mir bewusst, für was ich mich entschied. Zwar musste ich von diesem Ort weg, aber ich konnte einen Freund nicht im Stich lassen und das war er für mich nach der ganzen Zeit geworden.

Mit unsicheren Schritten lief ich zu der Tür, woraus die Schreie drangen. Umso näher ich kam, umso leiser wurden sie aber plötzlich. Es lag jedoch nicht daran, dass die Trance mich immer mehr einholte, sondern dass Aiden bloß noch ein Stöhnen zustande brachte. Schließlich hörte ich Simon: »Was ist los, Tompson? Dass ich dich mal erwische hätte ich nicht gedacht. McCain wird es ankotzen, wenn er einen seiner besten Männer verliert und wenn ich mit dir fertig bin, dann ist seine kleine Freundin dran« und über meinen Körper fuhr unwillkürlich eine ekelerregende Gänsehaut. Ich wollte nicht wieder geschlagen werden und auch nicht noch mehr aushalten.

»Lass sie gehen. Sie kann überhaupt nichts dafür«, versuchte Aiden mich schwach zu verteidigen, aber es war sinnlos. Das wusste ich. Martinez verschone mich niemals. Das bemerkte ich schon, als er mich mit diesem Schlagring übel zurichtete. Es war ein extremes Glück, dass ich überhaupt noch bei Bewusstsein war. Eigentlich ging ich in die Höhle des Löwen. Es war Selbstmord, aber Aiden war mir mittlerweile so wichtig geworden, dass ich ihn nicht im Stich lassen konnte und auch nicht wollte. »Auch wenn sie nichts dafür kann, wird Damian dafür bezahlen meine Schwester getötet zu haben. Und wenn ich seine Schwester nicht kriege, werde ich ihm halt sein kleines Spielzeug nehmen«, nahm ich noch von Simon wahr. »Das kannst du nicht machen!«, antwortete Aiden leise und stöhnte quälend auf. 

Ich war mir sicher, dass die beiden nicht allein waren, aber mir blieb nichts anderes übrig. Mein Blick fiel auf eine Stange, die etwas weiter weg auf dem Boden lag. Ohne groß darüber nachzudenken, eilte ich dorthin, ob sie auf und tapste auf nackten Sohlen wieder zurück zu der Tür, hinter der Tompson steckte. Hart biss ich mir auf die Lippe, als ich mit der rechten Hand die Eisenstange fest umklammerte. Was erwartete mich? Konnte ich zuschlagen? Und das ohne zu zögern? Es wäre das Beste. Aber ich war schwach, stand komplett neben der Spur. Scheißegal. Ich nahm all meinen Mut zusammen und drückte die Klinke langsam nach unten. Ich musste es wagen, bevor ich einen Rückzieher machte. Vielleicht lag das Überraschungsmoment auf meiner Seite. Wenigstens machte ich keinerlei Geräusche. Das war schon mal mein Vorteil. Die Angst nagte trotz alledem immer weiter in meinem Innersten, verschluckte mich fast und versuchte mich weiterhin zu lähmen. Aber ich war stark. Ich schaffte das. Irgendwie.

Bad Temptation II - BreatheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt