Kapitel 38

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Am liebsten hätte ich geschrien. Aber das Beste, wenn wir tatsächlich unsichtbar wären. Zumindest für einen Augenblick. Zu schön um wahr zu sein. Bitte. Bitte. Bitte. Das einzige Wort, was mir ständig durch den Kopf ging. Sie durften uns nicht erwischen. Die Strafe dafür wäre definitiv zu hoch. Unvermittelt hörte ich eine Stimme. Es war der Fremde. »Habe ich dir gesagt, dass du gehen sollst?« Ich hatte keinen Plan, wen er meinte. Zumindest nicht Tompson. Auch nicht mich. »Komm sofort hier her.« Angst nagte an mir. »Ich wollte nach den beiden sehen«, nahm ich nun wahr und erkannte, dass es nicht Zac sein konnte. Es war der kleine Scheißer. Was sollte das werden? Was wollte er bei uns? Nach dem Rechten sehen? Ich wusste es nicht. Wollte es aber auch nicht unbedingt erfahren. 

»Die beiden sind eingeschlossen. Was willst du da jetzt nachsehen?« Eben. »Der Boss ist noch immer nicht da. Er wollte nur kurz bei diesem Pisser reinschauen. Ich muss noch mal mit ihm reden.« Nein. Nein. Nein. Das war blöd. Immerhin lag Simon in dem Raum auf dem ich Aiden herausholte. Mit einem weiteren Mann. Bewusstlos. »Hast du nicht gehört, was gesagt wurde?«, ranzte es plötzlich und sofort drang mir die Stimme von Zac in die Ohren. Schnellstmöglich drehte ich mich herum. Ich sah zwar, dass die Tür offenstand, aber nicht ganz. Sie ging nach inne. Vielleicht war das unser Glück. Der Kleine hatte die Klinke in der Hand. Das konnte ich sehen. Aber sonst bloß ein Stück von seinem Arm.

Nun brummelte er etwas, was ich nicht verstand, schließlich sagte Zac: »Bewege deinen Arsch hier rein. Du weißt genau, dass ihm niemand auf den Sack gehen soll, wenn er seinen Spaß hat.« Das klang widerlich. Meine Kopfhaut prickelte bei den Worten und ich dachte erst an Aiden. Dann an mich. Spaß hatte Simon auf jeden Fall daran jemandem wehzutun und genau deswegen fiel mir auch ein Stein vom Herzen, als die Tür wieder geschlossen wurde, ohne dass einer herauskam. Verdammte Kacke. Auch Aiden schien endlich wieder zu atmen. Dass er noch immer geistig anwesend war, freute mich echt. Somit schafften wir es vielleicht doch noch, wenn wir niemandem draußen begegneten.

»Los komm weiter!«, flüsterte er und wurde nun schneller. Entweder hatte noch letzte Reserven irgendwo in seinem Körper, oder er bekam echt Schiss und ihm wurde klar, dass er sonst alles versauen konnte. Natürlich wäre es nicht seine Schuld. Er war verletzt. Das fiel mir spätestens dann auf, als ich noch einmal zurückblickte. Eine Blutspur. Das war eher schlecht. Wenigstens fiel das bei dem ganzen Dreck kaum auf. Es waren zwar nur Tropfen, aber auch nicht gerade wenig. Ich drängte meine Angst wieder etwas zurück und folgte Aiden weiter, bis ich mich wieder aufrichten konnte.

Meine Knie taten weh, waren wund und bluteten, aber das ging mir am Arsch vorbei. Als ich wieder festen Boden unter den Füßen hatte, hielt ich mich verzweifelt an der Wand fest. Ein extremer Schwindel erfasste mich und auch die Übelkeit drang durch meinen Oberkörper. Zugleich ein Stechen im Bauch. Shit. Unwillkürlich legte ich meine Finger auf meinen Unterleib. »Hast du Schmerzen?«, fragte mich Aiden auf Anhieb und ich nickte wehleidig. »Kannst du trotzdem laufen?«, wollte er wissen. »Ich schaffe das.«

Besorgte Blicke huschten über meinen Körper, aber er nickte nur, schnappte sich meine Hand und zog mich weiter an der Wand entlang, zu dem Wagen, wo die Motorhaube offenstand. Im Anschluss dort herum. Aiden schien nun irgendwie so viel Adrenalin in sich zu haben, dass er wirkte, als wäre das alles die normalste Sache der Welt. Er schien konzentriert zu sein; bedacht, welchen Schritt er als nächstes tat. »Okay. Los!«, murmelte er und riss mich schon fast hinter dem Auto wieder hervor. Von dort, wo wir uns nun befanden, sahen sie uns nicht und wir sie ebenso nicht. Das Tor war mittlerweile auch nicht mehr allzu weit weg. Fast hatten wir es geschafft.

Hoffnung keimte in mir auf, umso mehr wir der Freiheit näherkamen. Das Tor stand offen und ein Stein fiel mir vom Herzen. Aiden wies mich kurz darauf an, in die Hocke zu gehen und wir versteckten uns augenblicklich zwischen der alten Wand und einem Haufen aus Schrott. Ich wusste, dass ich in Glas lief, was mir die Sohlen aufschnitt, aber das war mir egal. Hauptsache wir kamen raus. Und auch Aiden verursachte kein Geräusch, bis es plötzlich von weiter weg schrie: »Wo sind sie!« Es war Simon. Fuck. Fuck. Fuck. Genau das sollte eben nicht passieren. Seine Stimme drosch aggressiv durch die komplette Halle, obwohl er noch nicht in ihr stand, sondern erst den Gang entlangkam. Sehen konnte ich nicht, ob sein Kumpane ihm nach lief, aber ich glaubte nicht daran, dass er sich überhaupt Sorgen um einen seiner Männer machte. Sicherlich nicht einmal um Zac.

Bad Temptation II - BreatheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt