Lange starrten wir uns erst einmal an, ohne dass jemand etwas sagte. Trotzdem war die Stille nicht unbedingt unangenehm. Ich war eher neugierig und wartete darauf, dass er endlich den Mund aufmachte. »Jasmin!«, murmelte er. »Das ist nicht so leicht, wie du dir das denkst. Vergiss nicht, dass ich nicht normal bin.« Das hatte ich schon längst bemerkt, aber dass er irgendwie innerlich einen an der Waffel hatte, wurde mir erst etwas später tatsächlich richtig bewusst und dass es einen Grund dafür geben musste ebenso. »Aber du bist trotz alledem ein Mensch. Vergiss das nicht.«
Wieder starrte er aus dem Fenster und sagte mit etwas leiserer Stimme: »Damian McCain war schon immer ein Fall für sich, aber eigentlich war ich nie der Mensch, der sich von Frauen komplett fernhielt. Zwar auch nicht einer, der ständig eine andere hatte, aber es ist ja selbstverständlich, dass man irgendwann nicht mehr allein sein will... Ich dachte, dass ich diejenige gefunden habe. Sie tat alles um mir zu gefallen.« Ich wusste, dass er von seiner Exfreundin sprach und kurz huschte ein stechender Schmerz durch meine Brust, aber ich hatte ja auch schon jemanden, mit dem ich zusammen war. Dass er keine Nonne sein konnte, war wohl jedem klar. Trotz alledem dachte ich daran: War sie hübsch? Wie war ihre Art? Wickelte sie jeden um den Finger? Und wie machte sie es bei Damian? Fand er sie heiß? Wenn er uns beide miteinander verglich; welche Frau gefiel ihm besser?
»Grace war damals für mich da. Nicht nur ein paar Tage. Sie hat sich echt Mühe gegeben mein Vertrauen zu erlangen«, sprach er weiter und ich hörte gespannt zu, weil ich wissen wollte, wie die Geschichte ausging. Schließlich war sie tot. »Es fühlte sich zwar irgendwo nicht falsch mit ihr an, aber auch nicht gänzlich richtig. Allerdings habe ich nicht auf meinen Kopf gehört. Irgendetwas hatte sie halt an sich, was einen dazu bewegte ihr zu vertrauen. Ohne Wenn und Aber. Vielleicht war es die Überzeugung ihrer Art zu lügen. Ich weiß es nicht. Ich habe auch nichts anderes mehr gesehen; wollte auf keinen mehr hören. Sogar Thomas' Worte interessierten mich einen Scheiß, auch wenn er mir immer wieder sagte, dass etwas mit ihr faul sei.«
Er machte eine kurze Pause, bis er fortfuhr: »Ständig meinte er, dass uns einer ausspioniert und an Informationen kommt, die keiner wissen konnte, außer eine Person, die uns vertraut war. Nur ich selbst hatte keine Ahnung, wer... Immerhin haben wir nie einen Maulwurf in unserem Haus gehabt. Erst dachte ich, dass es bloß Zufall sein musste, aber die komischen Ereignisse häuften sich. Ständig wusste Simons Vater, wo wir uns herumtrieben; was wir taten... Übrigens ein Arschloch. Nicht besser wie sein Sohn. Damals der Boss seiner Leute. Nun kümmert sich Simon um alles.«
Ich lauschte interessiert weiter seinen Worten zu und wedelte aufgeregt mit der Hand, damit er sprach. Zudem wollte ich wissen, wie es weiterging. Hinzukommend musste ich geradezu alles erfahren. »Jede Gang hat in New York seinen eigenen Bezirk und räumt dort auf. Die Martinez' waren schon je her größenwahnsinnig. Sie wollte mehr und mehr. Weil wir nicht den Schwanz einzogen wie die anderen und nach deren Pfeife tanzten, wurde zuerst mein Vater vor ungefähr fünf Jahren umgebracht. Deswegen bin ich in seine Fußstapfen getreten. Wenn alles anders gekommen wäre, vielleicht würden wir dann nicht hier sitzen. Möglicherweise wäre ich mit dir sogar, wie jeder, einen Kaffee im Diner trinken gegangen« und ein leichtes Lächeln zierte seine Mundwinkel.
»Dann wollte er sich meine Schwester holen, als sie von der Schule kam. Er hat mitten am Tag einige meiner Männer erschossen, die ein Augen auf sie warfen. Deswegen wird sie nun hier unterrichtet. Na ja... Und nur durch Zufall war ich in der Nähe und konnte mit Thomas und Aiden Schlimmeres verhindern. Noch immer habe ich aber nicht daran gedacht, dass wir einen Maulwurf haben könnten. Für mich war es weiterhin nur Zufall; der Zusammenhang mit ihr hatte für mich keinerlei Bedeutung, obwohl mir jeder meiner Jungs sagte, dass etwas mit dieser Frau nicht stimmte. Ich war so blind. Ich hätte das alles verhindern können. Ich weiß das.« Ich spürte, wie schwer es ihm fiel darüber zu sprechen, aber mir war bewusst: Es war nicht seine Schuld. Eigentlich konnte ich es nicht fassen. Es klang alles wie in einem Krimi. Schon fast unglaubwürdig, aber ich wusste, dass er die Wahrheit sprach. Außerdem konnte ich froh darüber sein, dass ich endlich etwas erfuhr und das auch noch von McCain selbst.
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Bad Temptation II - Breathe
RomanceDamian McCain hat Jasmin fortgeschickt. Trotz alledem lässt sie das nicht zu. Stur versucht sie ihm weiterhin die Stirn zu bieten und hofft darauf sein kaltes Herz zu erweichen. Was aber, wenn es ein Fehler war zurückzukommen? Immerhin vergisst sie...