Kapitel 59

1.2K 46 1
                                    

Lia's POV ~

Ich saß auf einer Bank auf dem Spielplatz, auf dem ich immer mit Hailey war. Ich hatte die Beine angewinkelt und legte die Stirn auf meinen Knien ab. Mir liefen warme Tränen die Wange hinunter. Warum mussten wir immer wieder streiten? Ich weiß, Streit gehört zu einer Beziehung dazu, aber so oft wie bei uns doch nicht. Eigentlich war ich ja Schuld an dem Streit und dann war ich auch noch so feige und rannte weg. Justin's Worte hatten mich jedoch zum Nachdenken gebracht und ich konnte nur einen klaren Kopf bekommen, wenn ich alleine war. Ich hatte keinen Gedanken daran verschwendet, dass es mir wegen den Pillen so schlecht ging. Ich war so überzeugt davon gewesen...
Ich fing laut an zu schluchzen und ließ meinen Tränen freien Lauf. Ich fuhr mit beiden Händen durch meine Haare und zog aus Wut leicht daran. Plötzlich tropfte Wasser auf meine Hände und es fing leicht an zu regnen.
Scheiße! Was mache ich denn jetzt? Ich war manchmal wirklich kindisch wie eine 14-Jährige.
Warum war ich überhaupt weggelaufen? Ich kannte hier in der Nähe doch gar niemanden, zu dem ich hätte gehen können, außer zurück zu Justin. Als der Regen stärker wurde, rannte ich schnell zu dem Diner um die Ecke. Dort konnte ich unterkommen, bis der Regen etwas nachgelassen hatte. Ich setzte mich an einen der Tische und wischte mir mit der Hand die Mischung aus Regentropfen und Tränen aus dem Gesicht.
Nachdem die Bedienung mir mein Wasser gebracht hatte, bedankte ich mich freundlich und blickte aus dem Fenster auf den strömenden Regen. Ich hätte nicht weglaufen sollen, eigentlich war es ja verständlich, dass Justin sauer war. Er hatte ja Recht gehabt, ich hätte nicht so verantwortungslos einfach irgendwelche Pillen aus dem Internet schlucken sollen.
"Hey, ist alles in Ordnung bei dir?", holte mich eine männliche Stimme aus meinen tiefen Gedanken. Ein Typ in meinem Alter setzte sich mir gegenüber an den Tisch.
"Ja, ich denke schon", antwortete ich knapp, da ich etwas verwirrt war. Sah ich so aus, als könnte ich gerade Gesellschaft gebrauchen? Ich versuchte den Blickkontakt mit ihm zu vermeiden, da meine Augen total verheult aussahen.
"Du siehst so traurig aus, deshalb dachte ich, ich frage mal nach." Ich sah zu dem Typ auf und bemerkte, dass er auch nicht gerade fröhlich aussah. Er war etwas größer als Justin und seine schwarzen Haare waren zu einer perfekten Frisur gestylt.
"Naja, du siehst auch nicht gerade besser aus, wenn ich das so sagen darf." Ich konnte mir ein leises Kichern nicht verkneifen.
"Ich bin Josh", sagte er und streckte mir seine Hand entgegen.
"Lia", sagte ich und gab ihm die Hand.
"Lia, ein sehr schöner Name. Na dann erzähl mal Lia, was bedrückt dich denn so?" Ich kannte diesen Josh nichtmal eine Stunde und trotzdem erzählte ich ihm die Ganze Geschichte. Angefangen von den Pillen bis zu dem Streit mit Justin. Er wirkte so vertrauenswürdig und seine Augen strahlten Ehrlichkeit aus. Er hörte mir einfach nur zu und nickte ab und zu aufmerksam mit dem Kopf.
"Und was lässt dich so traurig aussehen, lieber Josh?", beendete ich meine Erzählung.
"Meine Geschichte ist nicht annährend so spektakulär wie deine, meine Freundin hat mich sitzen lassen. Wir waren vor zwei Stunden hier verabredete und sie ist nicht aufgetaucht wie du sehen kannst und gemeldet hat sie sich auch nicht", sagte er und man konnte merken, dass seine Traurigkeit nun von Wut übermannt wurde.
"Vielleicht ist ihr etwas passiert und sie meldet sich des-"
"Nein, nein, das kam schon öfter vor, ich sollte es eigentlich gewohnt sein", unterbrach er mich und lachte spöttisch.
Es tat mir total leid, dass er so etwas schon öfter ertragen musste. Er schien so ein lieber und fürsorglicher Mensch zu sein, er hatte es nicht verdient, dass man ihn einfach so sitzen ließ. Ich kannte ihn zwar erst seit einigen Minuten, hatte aber trotzdem das Gefühl, ihn schon ewig zu kennen. Ich hatte kein Problem damit, mich ihm komplett anzuvertrauen, keine Ahnung wieso.
"Ich würde meinem Freund die Hölle heiß machen, wenn er mich öfter einfach grundlos sitzen lassen würde", sagte ich und lachte ihn an.
"Ich würde dir auch zurecht die Hölle heiß machen, wenn du solche Pillen schluckst!", sagte er ernst und besänftigte die Schärfe seines Tonfalls wieder mit einem sanften Lächeln.
"Jetzt mal im Ernst, Lia, ich weiß du wirst einem fremden Typ nicht glauben, aber du hast sowas nicht nötig. Ich kenne deinen Freund zwar nicht, aber ich muss ihm zustimmen und kann verstehen, dass er sauer ist." Ich konnte ihm nicht böse sein, dass er sich auf Justins Seite geschlagen hatte.
"Ich kann auch verstehen, warum er sauer ist. Ich weiß, dass diese Pillen eine blöde Idee waren, aber ich habe mich seit der Geburt meiner Tochter in meinem Körper einfach nicht mehr wohl gefühlt. Durch die Pillen erschien mir dann eben alles besser."
"Ja, im ersten Moment scheint vielleicht alles gut zu sein, aber wie du mir ja erzählt hast, geht es dir gesundheitlich ja nicht mehr so gut. Deine Gesundheit darf niemals unter so etwas leiden, denn dann ist es definitiv der falsche Weg und das weißt du auch." Seine Worte machten mir wieder Mut. Ich fühlte mich schon viel besser, obwohl der Streit mit Justin noch nicht geklärt war.
"Und jetzt geh los und vertrag dich wieder mit deinem Schatz!", sagte er und fing an zu lachen. Sein Lachen war viel schöner, als die trübe Miene, mit der ich ihn kennen gelernt hatte.
"Danke, Josh", sagte ich und meinte es auch wirklich ernst.
"Sorg du aber auch dafür, dass dich deine Freundin in Zukunft nicht mehr sitzen lässt. Das hast du nämlich nicht verdient", sagte ich ehrlich und verabschiedete mich von ihm. Nachdem ich mein Getränk bezahlt hatte, verließ ich das Diner und winkte Josh im Gehen nochmal zu. Draußen hatte sich der Regen zum Glück wieder beruhigt und ich kam ohne eine erneute Dusche trocken zu Hause an.
Ich wartete einen Moment vor der Türe, bis ich reinging. Ich machte mich auf die Suche nach Justin, den ich mit Hailey im Arm schlafend auf dem Sofa vorfand. Der Anblick war einfach nur zu süß. Ich schlich mich leise aus dem Zimmer, um die Beiden nicht aufzuwecken. Justin und ich konnten auch später noch reden. In der Küche lagen immer noch überall die Pillen verstreut. Ich holte einen Besen und kehrte die Pillen alle zusammen. Diese wanderten dann auch auf sofortigem Wege in den Müll. Vielleicht ging es mir ja wirklich wegen diesen Pillen so schlecht und würde ich sie weiterhin nehmen, würde Justin kein Wort mehr mit mir sprechen. Somit gab es nicht so viele Möglichkeiten.
"Lia?" Justin stand plötzlich in der Küche und hatte mich total erschreckt, weshalb ich zusammenzuckte. "Sorry, ich wollte dich nicht erschrecken."
"Schon okay", sagte ich und drehte mich zu ihm um.
"Lia, es tut mir lei-"
"Nein, mir tut es leid", unterbrach ich ihn, bevor er weitersprechen konnte. "Es war falsch von mir, einfach diese Pillen zu nehmen. Ich hätte selbst drauf kommen müssen, als es mir anfing so schlecht zu gehen, dass das nicht mehr gesund ist."
"Ich habe mir einfach Sorgen um dich gemacht, verstehst du? Und dann finde ich raus, dass du dir irgendwelche Pillen reingezogen hast und deshalb so abgenommen hast. Lia, du musst nächstes mal einfach mit mir reden. Hättest du mir gleich gesagt, dass du vorhast solche Abnehmpillen zu schlucken, hätte ich dir gleich davon abgeraten und wir hätten es auch so geschafft, dass du abnimmst. Wir müssen einfach ehrlich zueinander sein, Liebling. Mir tut es auch leid, dass ich dich vorher so angeschrien habe. Ich wollte dich nicht zum Weinen bringen."
"Und ich wollte mich nicht so kindisch verhalten. Ich sollte mich einfach so akzeptieren wie ich bin oder einfach mehr Sport machen."
"Du musst dich wegen mir kein bisschen verändern und das solltest du mir jetzt einfach glauben. Wenn du dich unwohl fühlst und abnehmen willst, stehe ich voll hinter dir. Wenn es aber deine Gesundheit gefährdet, dann ist das nicht in Ordnung. Hailey und ich brauchen dich gesund und für dich ist das doch auch kein Zustand so."
"Ja, du hast Recht, Baby", sagte ich und verschränkte seine Hände mit meinen.
"Ich habe die Pillen alle weggeschmissen und hoffe, dass das Erbrechen und so jetzt wieder aufhören", fügte ich hinzu.
"Danke", sagte Justin und nahm mich fest in den Arm.
"Also ist alles wieder gut zwischen uns?", fragte ich vorsichtig.
"Ja, wenn du mir versprichst, dass so etwas nicht nochmal vorkommt", sagte er dicht an meinem Ohr.
"Versprochen", flüsterte ich und krallte mich an seinem Shirt fest. Wir verharrten eine Weile in der Umarmung, bis Justin mich fragte, wo ich mich bei dem starken Regen eigentlich aufgehalten hatte. Ich erzählte ihm von dem Diner, in das ich mich gesetzt hatte, weil ich noch zu beleidigt war, um nach Hause zu kommen. Josh erwähnte ich nicht, da ich wusste wie schnell Justin eifersüchtig werden konnte und zwischen uns war ja sowieso nichts besonderes passiert. Ich würde ihn wahrscheinlich so schnell auch nicht wiedersehen. Schade eigentlich, ich hätte mir gut vorstellen können, mit ihm befreundet zu sein.

Back TogetherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt