Kapitel 27

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Es war bereits schon spät in der Nacht und ich war noch immer hell wach. Von Hailey und meiner Mutter fehlte noch immer jede Spur. Justin saß seit einer Stunde nur auf dem Sofa und starrte die Wand an. Er hatte kein Wort mehr mit mir gewechselt. Wir hatten immer wieder versucht, meine Mutter zu erreichen, doch ihr Handy war aus und auch zu Hause nahm niemand ab. Ich war auch verwundert, dass mein Dad sich keine Sorgen machte. Er musste doch schließlich auch bemerkt haben, dass Mom weg war. Zu viele unbeantwortete Fragen kreisten in meinem Kopf umher.Ich setzte mich neben Justin und nahm seine Hand in meine. Seine Hand war total kalt und er war total bleich im Gesicht.
„Ihnen wird schon nichts passiert sein, oder?“ Ich legte meinen Kopf auf seine Schulter, doch er rührte sich nicht.
„Rede doch bitte mit mir, es bringt doch nichts, wenn wir uns jetzt gegenseitig anschweigen.“
„Lia, unsere Tochter ist verschwunden und das jetzt schon den ganzen Tag und deine Mutter ist schuld daran!“
Er wurde mir gegenüber wieder lauter, obwohl er mich doch nicht für das, was meine Mutter vielleicht getan hatte, verantwortlich machen konnte.„Du weißt nicht sicher, ob meine Mutter schuld war Justin.“
„Komm schon Lia, hör einfach auf damit“, sagte er und schüttelte abwertend den Kopf.„Mit was soll ich aufhören?“
„Du sollst aufhören, deine Mutter in Schutz zu nehmen. Sieh endlich ein, dass sie es war. Wer soll es denn sonst gewesen sein? Denkst du wirklich es bricht jemand in so kurzer Zeit in unser Haus ein und nimmt ganz unbemerkt deine Mutter und unsere Tochter mit? Das glaubst du ja wohl selber nicht.“
Er stand vom Sofa auf und entfernte sich von mir. Ich hörte nur wie die Schlafzimmertüre zugeschlagen wurde. Es bahnten sich erneut die Tränen in meinen Augen an. Nicht nur er machte sich Sorgen, Hailey war immerhin auch meine Tochter.Ich hatte beschlossen, ihm nicht zu folgen, er würde mich doch eh nur wegschicken. Warum können wir in solchen Situationen nicht einfach zusammenhalten, sondern machen es uns noch schwerer als es schon war. Ich legte mich hin und versuchte mich zu beruhigen, bis meine Augen irgendwann schwer wurden und ich in einen traumlosen Schlaf fiel.

Ich wachte auf, als ich von den Sonnenstarahlen geblendet wurde, die durch die großen Fenster im Wohnzimmer strahlten. Im Haus war noch alles still, es fühlte sich einfach alles so leer an. Ich nahm als erstes mein Handy in die Hand, doch vergebens, denn es waren keinerlei Nachrichten drauf. Ich setzte mich auf und hörte wie jemand das Wohnzimmer betrat. Ich hielt meinen Blick gesenkt und ignorierte die Tatsache, dass Justin im Raum stand. Er hatte mich immerhin auch einfach weggeschoben, obwohl wir beide darunter litten, dass unsere Tochter verschwunden war.
„Lia, können wir reden, bitte?“, fragte er und näherte sich dem Sofa. Er hatte eine Jogginghose und  einen grauen Pulli an und hatte die Kapuze über seinen Kopf gezogen.
„Worüber willst du jetzt reden? Als ich reden wollte, hast du mich einfach hier sitzen lassen. Du hättest mich wenigstens wecken können und mich zu dir ins Bett holen können. Stattdessen lässt du mich die ganze Nacht auf dem Sofa liegen“, antwortete ich und vermied den Blickkontakt mit ihm. Justin setzte sich zu mir.
„Es tut mir leid.“ Ich sah zu ihm und seine Augen waren leicht gerötet. Ich hatte ihn noch nie so gesehen.
„Wieso bist du nicht zu mir gekommen?“
„Lia, ich wollte einfach alleine sein, dass hatte nichts mit dir zu tun, glaub mir das bitte.“
„Warum alleine? Hailey ist genauso meine Tochter. Warum lässt du mich damit alleine? Ich bin genauso traurig wie du. Weißt du, was ich mir für Vorwürfe mache? Hätte ich die beiden nicht alleine gelassen, wäre vielleicht gar nichts passiert. Du gibst mir nur noch mehr das Gefühl, ich könnte schuld daran sein, indem du mich so ignorierst“, sagte ich und war einfach enttäuscht. Er konnte doch nicht einfach vor allem wegrennen und sich alleine im Zimmer verkriechen. Ich musste für ihn da sein und er für mich in guten wie in schlechten Zeiten.
„Es wird nicht wieder vorkommen. Babe, es tut mir wirklich leid und hör bitte auf dir die Schuld zu geben. Du kannst nichts dafür und ich wollte dir auch nicht das Gefühl geben, schuld an allem zu sein. Ich hätte gestern nicht so zu dir sein dürfen, es tut mir schrecklich leid. Ich kann nur froh sein, dass ich so eine tapfere und starke Freundin wie dich habe, die es auch ohne mich irgendwie durch schwere Zeiten schafft.“ Seine Worte berührten mich sehr, ich kletterte auf seinen Schoß und legte meine Arme um seinen Nacken.
„Ich will das aber nicht mehr ohne dich schaffen.“
„Das wirst du auch nie mehr müssen. Ich liebe dich, Lia“, sagte er und zog mich noch fester an ihn.
„Ich liebe dich auch.“  Es könnte alles so perfekt sein, wenn da nicht der Gedanke wäre, dass unsere Tochter und meine Mutter immer noch verschwunden waren, ohne dass die Polizei etwas unternimmt.Als es dann an der Haustüre klingelte, sprang ich sofort von Justins Schoß auf.
Doch was ich sah, als ich die Türe öffnete, ließ mich sprachlos werden…

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