Josh
Ich hypnotisierte seit einer halben Stunde die Uhr. Nicht, dass sie sich besonders schnell bewegte, doch ich konnte das Ende des Schultages kaum erwarten. Wie auf glühenden Kohlen zappelte ich auf meinem Stuhl herum und betete, dass die Zeit schneller vergehen möge.
"Mr. Dun müssen sie auf die Toilette oder warum zappeln sie auf ihrem Platz herum als hätten sie Hummeln unterm Hintern?" wollte Herr Niegel wissen.
Ich wurde rot. "Nein ich hab nur... also ich hab nach der Stunde noch was wichtiges vor."
"Nach der Stunde. Nicht jetzt. Bitte Konzentrieren Sie sich noch die letzten 10 Minuten."bat er. Ich nickte. Nur noch 10 Minuten! Dann konnte ich nach Hause. Zu ihm.Die 'letzten 10 Minuten' kamen mir vor wie eine halbe Stunde. Endlich klingelte es und ich stand sofort ruckartig auf und verließ den Raum.
Während ich auf den Bus wartete, tippte ich ungeduldig mit dem Fuß auf den Boden. Der Bus kam und ich stieg ein. Wieder schien die Zeit nicht vergehen zu wollen, und ich überlegte, ob Gott mich irgendwie ärgern wollte.
Endlich kam der Bus bei meiner Haltestelle an und ich rannte geradezu auf Tylers Haus zu. Er war tatsächlich mein neuer Nachbar.
Außer Atem stieg ich die Stufen der Veranda hoch und drückte auf die Klingel, unter welcher 'Joseph' stand.
Die Tür wurde geöffnet und ich schaute in warme braune Augen.Tyler
Er stand da, und sah mich einfach nur an. Ich hatte keine Ahnung was ich davon halten sollte. Sah ich so fertig aus? Verlegen wischte ich mir über die Augen.
Als er immer noch nicht reagierte, räusperte ich mich schüchtern.
Er schien aus seiner Trance zu erwachen und räusperte sich ebenfalls:"Ähm, sry, dass ich störe. Ich bin Josh. Wir wohnen neben euch, in dem Haus da rechts." er deutete auf das Haus am Waldrand.
"Und wir gehen in eine Klasse."
Ob er etwas mit Lucas zu tun hatte? Schoss es mir unwillkürlich durch den Kopf.
Als ich nichts sagte sprach er unsicher weiter:"Öhm, ich hab das in der Mittagspause mitbekommen und bin dir hinterher gerannt aber ich hab dich in den Gängen aus den Augen verloren, darum bin ich hierhin gekommen."
Ich sah ihn fragend an. Was meinte er damit?
"Naja... i-ich glaube nicht, dass du gegangen bist, weil du dich schlecht gefühlt hast. Also irgendwie schon aber wegen...Lucas."
Wow. Das hatte er sich einfach so zusammen gereimt? Er musste eine ziemlich gute Menschenkenntnis haben oder mich einfach nur sehr genau beobachtet haben.
Erschrocken sah ich ihn an. Wollte er mich vielleicht noch zuhause fertig machen? Hat Lucas ihn geschickt?
Besorgt sah er mich an:"Keine Sorge ich tu dir nichts" Er streckte eine Hand aus, als wollte er mich umarmen.Josh
Ich wollte ihn umarmen, ihn trösten und beruhigen. Er hatte Angst vor mir!
Ich konnte nicht anders, ich musste ihn einfach umarmen. Mit einem großen Schritt überbrückte ich den Abstand zwischen uns und schlang die Arme um seinen Schlanken Körper. Er versteifte sich doch ich ließ ihn nicht los. Schließlich entspannte er sich und erwiderte die Umarmung zögernd. Dann vergrub er seinen Kopf an meinem Hals und ich spürte, wie mein T-Shirt an der Stelle feucht wurde. Weinte er etwa? Ich drückte ihn fester an mich und er schluchzte auf.
"I-ich bin Abschaum... L-lucas h-hat recht."schniefte er in mein T-Shirt.
"Nein! Das stimmt nicht!"rief ich, entsetzt, dass Tyler dem glauben schenkte was Lucas erzählte. "Lucas hat einfach Angst vor Leuten die anders sind. Er ist ein Idiot und du darfst ihm nicht glauben, hörst du?"
Er nickte. Wir lösten uns aus der Umarmung und Tyler strich sich verlegen die Tränen von den Wangen. Dann grinste er mich zögernd an:"Du glaubst nicht wie wie oft ich heute schon geheult hab."
Ich schaute ihn bestürzt an. Er hatte das nicht verdient. Niemand hatte das, aber Tyler erst recht nicht.
"Ähm, willst du vielleicht rein kommen?" fragte er unsicher.
Ich nickte und trat durch die Tür. In dem Flur hingen Familien Fotos und Bilder von kleinen Kindern. Ich grinste und deutete auf eines der Kinderfotos:"Bist du das etwa?"
Er wurde rot und nickte verlegen. Das Bild zeigte ihn mit ungefähr 11 Jahren in Football Klamotten. Er grinste fröhlich in die Kamera. Schon damals war er sehr dünn gewesen.Das änderte jedoch nichts daran, dass er auf diesem Foto sehr süß aussah.
"Süß."sagte ich lächelnd. Ich glaube er wurde noch röter als vorher. Er sah immer noch sehr süß aus. Moment! Du bist nicht schwul, Josh. Er ist nicht süß.
Wobei das auch gelogen wäre, denn das war er. Er war echt süß. Diese Augen...
Tyler räusperte sich und holte mich so aus meinen Gedanken.
"Du kannst deine Jacke da vorne aufhängen und die Schuhe einfach hier hin stellen." Ich schaute ihn an. Warum war ich nochmal hier?
"Natürlich nur wenn du willst!"schob er hastig hinterher. Ich musste lachen. Er war so unsicher. "Ja, ich will meine Schuhe ausziehen und die Jacke aufhängen" sagte ich mit theatralischer Stimme, eine Hand auf meinem Herz, die Augen geschlossen. Als ich sie öffnete, war Tyler wieder rot angelaufen.
Kurze Zeit später saßen wir in seinem Zimmer und zockten Super Mario Smash Bros. Er war ziemlich gut darin, ich eher weniger. Jedesmal, wenn ich starb, jubelte er und grinste mich breit an. Normalerweise hätte ich so etwas nach zwei Runden beendet, aber Tylers lächeln zu sehen war die Demütigung wert.
"Mist!"fluchte ich und warf dem Kontroller auf Tylers Bett.
"Das musst du aber noch üben."machte sich Tyler über mich lustig.
"Zum Glück hab ich nen coolen Nachbarn mit dem ich üben kann!"
Er lächelte und spielte mit seinen Fingern. " Was ist?"wollte ich wissen.
Er schaute zu Boden. "Sag ruhig. Ich verurteile dich nicht oder so."
"Es ist nur... findest du mich echt...cool?"fragte er schließlich.
"Ja. Ich find dich echt cool und ich verstehe auch nicht was Lucas gegen dich hat."Tyler
Tja. Ich schon.
Ich hatte das Gefühl, ich müsste es ihm sagen, doch die Angst vor seiner Reaktion war zu groß. Ich sah ihm in die Augen. Großer Fehler, Tyler! Ganz großer Fehler!
Seine braunen Augen sahen mich so ehrlich und lieb an. Ich bekam ein schlechtes Gewissen und sah wieder auf meine Hände. Ich musste es ihm sagen:"Ich weiß es aber..."
Ich flüsterte fast. Ich spürte seinen fragenden Blick auf mir ruhen, also redete ich weiter:"Er hat es in der Klasse doch laut genug gesagt!"
Stille.
Es herrschte toten Stille und ich traute mich nicht ihn anzusehen. Es war eine schlechte Idee gewesen es ihm zu erzählen. Was dachte er jetzt nur von mir?
"Du darfst mich ruhig hassen. Du-du musst nie wieder mit mir reden, aber bitte tu mir nicht weh." ich hatte Angst.
"Tyler, sieh mich an!"
Ich spürte wie er mit seiner Hand mein Gesicht anhob, bis ich ihn anschauen musste. "Denkst du wirklich ich würde jetzt irgendwie anders über dich denken?! Du bist doch immernoch der selbe Tyler, den ich kennengelernt habe. Es ist mir egal ob du auf Jungs oder Mädchen stehst! Denkst du es macht irgendeinen Unterschied?!"
Mir stand der Mund offen. Ich schien ihn verärgert zu haben. Wir sahen uns in die Augen. Er hatte Tiefbraune Augen, sie waren fast schwarz. Sein Griff an meinem Kinn lockerte sich und sein Blick wanderte zu meinen Lippen.
Plötzlich wurde mir bewusst was hier geschah. Ich lehnte mich von ihm weg und sah auf den Boden. Wir hätten uns beinahe geküsst!
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Holding On To You [Joshler]
FanfictionTyler kommt aus einer großen, liebevollen Familie. Es geht ihm gut, doch als er erfährt, dass seine Familie unziehen muss, bricht für ihn eine Welt zusammen. Sein Leben scheint den Bach hinunter zu gehen und keiner kann ihn retten. Oder doch? Start...