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Tyler

Ich konnte ihm nicht von meinen Depressionen, geschweige denn meinen Gefühlen für ihn erzählen. Er würde nichts mehr mit mir zu tun haben wollen, doch ich brauchte ihn. Ich lebte für ihn. Wenn er mich nicht mehr mögen würde, hätte ich keinen Grund mehr hier zu bleiben.
Also musste ich ihn weiter anlügen, ob es mir gefiel oder nicht. Ob er es mir glaubte war eine andere Frage. Für die paar Monate die wir befreundet waren, kannte er mich unglaublich gut. Ihm fiel es auf wenn es mir schlecht ging, oder wenn ich ihn, wie heute, anlog und umgekehrt genauso. Normalerweise konnte ich ihm vertrauen, doch diese eine Sache musste ich für mich behalten. Das war etwas, was man nicht mal ebenso erzählte. Es war wie ein Vogelei. Man musste behutsam damit umgehen, sonst würde es zerbrechen. Vielleicht war aber auch ich das Vogelei. Nur, war ich ein egoistisches Vogelei. Vielleicht wäre es gut wenn ich zerbrechen würde. Dann hätten eine menge Menschen, eine menge weniger Probleme.
Doch was würde Josh dann tun? Würde er traurig sein? Vielleicht. Vielleicht wäre er aber auch froh, diesen Idioten loszuwerden. Ich wusste es nicht.
Unruhig drehte ich mich auf die Seite und schaute auf den Wecker. 3:46 Uhr.
Na toll. Ich würde morgen ziemlich müde sein. Naja, was sollte es. Ich sah so oder so scheiße aus. Mit oder ohne Augenringe.
So gegen vier schlief ich endlich ein.

Josh (zur selben Zeit)

Es knackte. Ich war auf einen Stock getreten, den ich in der Dunkelheit nicht gesehen hatte. Der Mond schien zwar sehr hell, doch das dichte Blätterdach durchdrang sein Licht nicht. Ich war mir nicht sicher, was ich vorhatte. Ich wollte nur weg. Weg von Menschen. Einfach allein sein und in Ruhe nachdenken können. Die Sorgen, die ich mir um Tyler machte hielten mich vom schlafen ab, also hatte ich mich aus dem Haus geschlichen. Ich wusste, dass ich nicht mehr schlafen würde, also warum dann im Bett rumliegen? Ich war lieber draußen in der Natur. Das hatte ich mit Tyler gemeinsam. Er liebte den Wald genauso sehr wie ich. Manchmal waren wir zusammen auf die Lichtung gegangen und hatten uns Gruselgeschichten erzählt oder einfach Musik gemacht. Er hatte gesungen und manchmal hatte ich dazu Trompete gespielt. Es hatte Spaß gemacht, doch seit ein paar Wochen war Tyler anders. Er schien immer öfter abwesend zu sein. Er wirkte unglücklich, doch ich wusste nicht wieso und er redete nicht mehr mit mir. Ich vermisste diese Momente im Wald. Vielleicht war ich deshalb auf dem Weg zu unserer Lichtung.
Als ich ankam blieb ich erstmal stehen und ließ den Anblick der Mondbeschienenen Lichtung auf mich wirken. Ich hatte vergessen, wie schön sich das Licht in dem friedlich vor sich hin plätschernden Bachlauf spiegelte und tanzende Lichtpunkte auf die umstehenden Bäume warf. Es war, als floss eine magische Kraft, eine Elektrizität durch das sonst so klare Wasser. Es war Atemberaubend. Ehrfürchtig ging ich auf den Saum des Baches zu und ließ mich in das feuchte Gras sinken. Ich war so fasziniert von der Unberührtheit und stille dieses Ortes, dass ich jegliches Zeitgefühl verlor.
Irgendwann merkte ich, dass sich das Licht veränderte. Dann verstand ich auch wieso; die Sonne ging langsam auf. Und auch dieser Anblick war wunderschön, doch ich musste nach Hause. Meine Eltern machten sich sorgen wenn sie aufwachen würden und ich wäre nicht da. Also rannte ich durchs Gebüsch und über den Wanderweg zurück nach hause.
Als ich wieder in unserer Straße war, sah ich, wie Tyler das Haus verließ. Shit, wie spät war es?
"Hey, Ty!", rief ich"wie... viel Uhr..?"keuchte ich.
Er sah auf sein Handgelenk und schrie:"viertel nach!"
Shit shit shit shit shit!
"Warte auf mich ich hol schnell meine Sachen."
Er nickte und ich stürmte ins Haus.
Als ich wieder herausgehastet kam, stand Tyler da und sah mich, halb amüsiert, halb verstört an. Sein Blick verriet mir alles: Warum?
"Ich konnte nicht schlafen, also bin ich auf die Lichtung gegangen. Du kannst dir nicht vorstellen wie schön sie Nachts aussieht. Naja ich hab die Zeit vergessen und... tja..."versuchte ich die Situation zu erklären.
"Erstens, ich weiß wie die Lichtung Nachts aussieht, schon vergessen?
Zweitens, du warst die ganze Nacht im Wald und bist jetzt erst wiedergekommen?!"fragte er ungläubig. "Joa, schon irgendwie... ich hab mich bei Sonnenaufgang auf den Rückweg gemacht, aber ich hab wohl länger gebraucht als ich dachte."
Er fing an zu lachen und, mein Gott hatte ich dieses Lachen vermisst. Unwillkürlich müsste ich auch lachen. Wenn er anfing zu lachen, konnte ich nicht anders als auch zu lachen. Es war herrlich.
Schließlich kam der Bus und die ganze Fahrt über blödelten wir herum. Ich hatte das so vermisst. Mir hatte was gefehlt und das merkte ich erst, als ich es wieder zurück hatte.
Erst als wir ausstiegen fiel mir was auf:"Wo ist eigentlich Maddy? Ich hab sie ganz vergessen."
Sofort schwand seine ausgelassene Stimmung. "Die ist krank. Keine Sorge ist nur n bisschen Fieber."erklärte er mir. "Meinst du ich kann nach der Schule mit zu dir? Ich könnte mal nach ihr sehen und wir beide haben viel zu lange nichts mehr zusammen unternommen."
Er zuckte die Schultern und nickte dann:"Ja klar. Was willst du denn machen?"
"Wir können Super Mario spielen?", schlug ich vor, "oder wir gehen in den Wald, oder wir spielen ne Runde Basketball."
Jetzt grinste er wieder:"Ich schlage vor wir spielen Super Mario, gehen auf den Basketballplatz und danach in den Wald" Wir grinsten uns an, "Cool!"sagte ich dann.
Der Schultag ging schneller um als sonst, und schon saßen Tyler und ich wieder im Bus. Den ganzen Vormittag lang, hatten wir unsere Lehrer in den Wahnsinn getrieben, denn wir waren aus unserer albernen Stimmung einfach nicht mehr herausgekommen. Tyler war so ausgelassen wie schon lange nicht mehr und ich würde alles dafür tun, dass das noch eine Weile so blieb. Als wir bei ihm waren, begrüßte uns seine Mutter:"Hallo Tyler mein Schatz. Oh, Josh! Schön dich mal wieder hier zu haben. Es ist gut dich mal wieder zu sehen." Ich lächelte verlegen:"Danke Kelly. Ich freu mich auch wieder hier zu sein."
"Schleimer!"hörte ich Tyler neben mir murmeln und ich grinste.
Natürlich gewann er beim spielen wieder so gut wie jedes Spiel. Ich denke der Spielstand war ungefähr
1 000 000 : 3 für Tyler. Er behauptete:"Ich spiel das fast nie, also kann ich auch nicht gut sein, du bist einfach nur verboten schlecht."
Für diese Aussage zog ich ihm eins mit dem Kissen über. Und damit entfachte ich eine erbitterte Kissenschlacht, die damit endete, dass wir beide vollkommen am Ende auf seinem Bett langen. "Unentschieden?"fragte ich.
"Unentschieden! Aber nächstes mal kommst du nicht so glimpflich davon, glaub mir."versprach er.
"Oh oh. Ist das etwa eine Drohung?"wollte ich wissen. "Und ob! Nächstes mal bist du sowas von dran!"
Und dann brachen wir beide wieder in Gelächter aus. "Hey Ty, sollen wir das Basketball spielen verlegen und jetzt einfach ne Serie gucken? Big Bang Theory oder so. Wenns dunkel ist gehen wir dann in den Wald."
Er war einverstanden. Also holte er sein Laptop hervor und startet die beliebte Sitcom.
Ungefähr 7 Folgen, zwei Chipstüten und eine Colaflasche später zogen wir uns die Schuhen an, um nach draußen zu gehen. Mein Bauch schmerzte, einerseits von den Chips und der Cola, andererseits vom vielen Lachen.
Immer noch glucksend taumelten wir wie besoffene in den Wald. Wir hatten uns eine Decke und eine Taschenlampe mitgenommen. Die Decke, gegen die herbstliche Kälte, die Taschenlampe für einen höheren Gruselfaktor.
Als wir auf der Lichtung angekommen, setzten wir uns auf unsere Jacken und kuschelten uns in die Decke. "Du fängst an!"sagte Tyler und drückte mir die Taschenlampe in die Hand. Okay. Was konnte ich ihm erzählen, dass er sich richtig schön gruselte? Da fiel mir eine Geschichte ein, die mir meine Oma immer erzählt hatte. Ich räusperte mich und begann...

To be continued...

Holding On To You [Joshler]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt