Schnell greife ich nach meinem Handy und tippe eine Nachricht an Liam.
Liam? Ist bei dir ein Schlafplatz frei?
Dad ist die Hand ausgerutscht.
:'(Seufzend lasse ich mich auf mein Bett fallen und lasse meinen Tränen im Stillen freien Lauf. Die familiäre Situation hat einen neuen Grad erreicht. Ich fühle mich machtlos und gefangen. Gegen meinen Vater komme ich nicht an und meine Mom auch nicht. Sie nickt nur und sagt zu allem ja und amen! Das ist so frustrierend. Aber es ist ja Schicksal, es ist für mich bestimmt und auch mein Dad hat die Politik-Karriere für mich bestimmt. Gott, ich bin so wütend. Ich weiß nicht, ob ich weinen oder schreien soll.
Ich tippe eine weitere Nachricht an Zoe:
Meinem Dad ist heute die Hand ausgerutscht.
Erzähle dir morgen alles.
Leitest du am Donnerstag wieder das Training der Tanzgruppe?
Kuss,
AllieKaum habe ich die Nachricht abgeschickt, klingelt mein Handy. Es ist Liam. Ich erzähle ihm genau was passiert ist und er bemitleidet mich. Aber er ist nicht schockiert, denn auch er hat Dad's Hand bereits zu spüren bekommen. Er rät mir, es durchzustehen, denn wenn ich abhauen würde, es alles nur schlimmer machen. In einem Jahr bin ich mit der Schule durch und kann auch auf's College. Ich nicke zustimmend, obwohl ich weiß, dass Liam das nicht sehen kann. Ich muss ihm versprechen nichts Dummes zu tun und dann beenden wir das Telefonat.
Die restlichen Tage sind an mir vorbei gerast. Ich fühle mich wie von Watte umhüllt und bis ins Mark erschüttert. Meinem Cheerleader-Team habe ich extra viel Training aufgedrückt, damit ich nicht zu viel Zeit zu Hause verbringen muss. Heute hat Zoe strahlend das Tanztraining geleitet und auch da habe ich mir extra viel Zeit genommen. Jetzt liege ich völlig erschöpft auf dem Bett, habe aber immer noch keinerlei Gefühle. Es ist, als wäre etwas in mir zersprungen oder ganz und gar gestorben. Es macht mein Leben noch unerträglicher.
Ich nehme ein kurzes, zartes klopfen an meiner Tür wahr, bevor meine Mom eintritt. Resigniert sieht sie mich an und schließt leise die Tür hinter sich.
»Es tut mir leid, Allie«, sagt sie so leise, dass ich es kaum verstehen kann.
»Du kannst nichts dafür. Ach Mom? Kann ich morgen bei Zoe übernachten? Ich brauche etwas Abstand. Bitte«, sehe ich sie flehend an. Ich will wirklich bei Zoe übernachten, aber davor noch ein schnelles Rennen fahren. Inzwischen freue ich mich richtig darauf. Heute war Nick in der Schule und hat mir die gefälschten Kennzeichen gebracht. Ich habe das Gefühl, morgen meine angestaute Energie verarbeiten zu können. Dabei hilft mir nämlich nicht mal mein exzessives Training. Anders als besprochen, treffen wir uns nun doch in einer Lagerhalle in Brooklyn. Nick meinte, es gäbe Informationen, dass am Freitag mehr Streifenwagen am Times Square unterwegs wären. Das müssen wir also dringend umgehen. Wie er das herausgefunden hat, habe ich sicherheitshalber gar nicht wissen wollen.
»Ja, darfst du. Bist du Samstag zum Mittag wieder da? Wir müssen noch den Ablauf der Gala durchgehen.« Mom lässt sich neben mir auf dem Bett nieder und legt mir ihren Arm auf die Schultern. Ich lasse meinen Kopf in ihre Arme sinken.
»Welche Gala?«, flüstere ich während sie sanft meinen Rücken streicht.
»Na die Spendengala von HumanSafe. Die ist doch jedes Jahr und wir spenden doch immer mit.«
»Achso. Ok. Ist Liam auch dabei?«, erkundige ich mich. Ich bin völlig gleichgültig. Vor der Ohrfeige wäre ich genervt gewesen, aber inzwischen erdulde ich den ganzen Quatsch einfach nur noch.
»Na klar. Du weißt doch, wie wichtig das ist.«
»Mhm«
Mom löst sich langsam von mir und geht aus dem Zimmer. Sie schließt die Tür genauso leise wieder, wie sie sie vorhin geöffnet hat. Ich rolle mich auf meinem Bett zusammen und genieße die Stille, ehe ich voll bekleidet einnicke.
Mein Handywecker weckt mich pünktlich zum Aufstehen. Ich fühle mich trotz des vielen Schlafs überhaupt nicht erholt. Es fühlt sich auch wie eine geistige Erschöpfung an. Bei dem Gedanken an das heutige Rennen werde ich jedoch etwas munterer und beschließe die Übernachtungssachen direkt einzupacken.
»Allie, Schatz! Frühstückst du noch mit mir?«, erkundigt sich meine Mom als ich die Treppen hinunter laufe und meine Trainingstasche mit den Schlafsachen und meine Schultasche auf den Boden plumpsen lasse.
»Jepp. Haben wir Fruit Loops da?«
»Nein. Die sind total verzuckert. Iss lieber ein Müsli mit Joghurt« Ach, wie ich es liebe! Ich bekomme so gerne mein Essen vorgeschrieben. Zum Glück bin ich echt schlank, denn ich möchte wetten wenn ich dicker wäre, würden sie mich auf Diät setzen nur damit ich ins gesellschaftliche Bild passe.
»Dann frühstücke ich wohl in der Schule«, sage ich resigniert. Es ist nicht mal mehr eine Auflehnung. Ich nehme es einfach hin. Auf son blödes Müsli hab ich keinen Hunger, also esse ich in der Schule. So einfach.
»Schade«, sagt Mom. Erreicht damit jedoch auch nicht mein Gewissen.
»Wir sehen uns morgen Mittag, okay? Wenn was ist, ruf mich an. Habe mein Handy dabei.«
»Ja in Ordnung. Viel Spaß in der Schule.«
Ich drehe mich um, nehme meine Taschen und verabschiede mich mit einem gekünzelten Grinsen in den Fahrtstuhl, der mich in die Tiefgarage bringt.
Schnell stopfe ich meine Taschen ins Auto und fahre Richtung Ausfahrt. Kurz davor halte ich noch einmal an, um die Kennzeichen zu tauschen. Denn an dieser Stelle sind keine Kameras. Ich bin ja nicht ganz blöd...
Beim Umstecken der Kennzeichen habe ich mir fast einen Fingernagel abgebrochen, aber sonst hat es gut geklappt und ich rase genervt mit neuen Kennzeichen zur Schule.

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Kings of New York
RomanceIhr sagt immer wir wären die Könige, aber wenn ihr genau hinsehen würdet, würdet ihr sehen, dass wir nichts als Verlierer sind. Wir betrügen, verletzen und manipulieren. Wenn uns jemand nicht passt, wird er aus dem Weg geräumt. - Kielan --- Teure Au...