14 Tage später
Die letzten zwei Wochen waren einfach nur anstrengend. Es ist Samstag Abend und ich liege total erschöpft auf der Couch in meinem Apartment. Dad verlangt von mir jetzt eine Entscheidung über den neuen Posten von Nick. Ich solle klug wählen und ihm am Montag meine Entscheidung mitteilen. Noch nie in meinem Leben habe ich mich so verausgabt gefühlt. Die zehn Stunden Tage im Büro fordern bereits nach zwei Wochen ihren Tribut. Wie kriegt mein Vater das bitte hin? Ich lasse meinen Blick schweifen und starre auf die Glasfenster über meiner Couch. Der Regen prasselt auf die Scheiben und das Laub beginnt langsam zu fallen. Ich fühle mich ausgelaugt und einsam. In solchen Situationen wünschte ich mir jemanden an meiner Seite. Jemanden wie Allie. Das Klingeln der Haustür zerstört meine Gedankenwelt, mürrisch richte ich mich auf und schlendere die Treppe hinunter zur Tür. Ich wüsste nicht, wer mich um diese Zeit besuchen wollen würde – oder wer mich überhaupt besuchen wollen würde.
Ich blicke auf die Videokamera und sehe Nick unten vor der Tür stehen. »Was willst du hier?«, murre ich.
»Was ist das denn für eine freundliche Begrüßung? Wollte bisschen quatschen, Mann. Lass mich rein. Habe auch was mitgebracht«, flötet er und hält eine Flasche Belvedere Wodka in die Kamera. Genervt drücke ich auf den Türöffner, lasse die Haustür offen und lümmle mich zurück auf mein Sofa.
» Man, das ist ja ne Bude«, entfährt es meinem Bruder, als ein paar Minuten später die Treppe zum Wohnzimmer betritt.
»Dad hat wohl nicht gespart, was?«, erkundigt er sich.
» Was willst du hier?«, wiederhole ich meine Frage genervt. Dabei kann ich mir gar nicht so genau erklären, warum ich so genervt bin. Vielleicht, weil ich ruhe brauche.
» Was zur Hölle ist denn mit dir los?«, knurrt mein Bruder verwundert und lässt sich mir gegenüber in einen Sessel fallen. Die Flasche Wodka stellt er auf den Tisch.
»Nichts«, murre ich.
»Würdest du mir verraten, wie oft ich meine Frage noch wiederholen muss bis du endlich antwortest?«.
»Junge, Junge. Du brauchst wohl mal wieder einen anständigen Fick«.
»Grrr«, knurre ich entnervt und lege mir ein Kissen auf das Gesicht. Nick scheint lebensmüde zu sein, denn er hat ernsthaft die Eier, an meinem Kissen zu ziehen.
»Mensch, lass uns reden, Kielan, was ist denn los mit dir? Du verhältst dich wie ein kleines Kind.«
Das war mein Stichwort, ich konnte nicht anders. Ohne, dass Nick auch nur etwas ahnen würde, hole ich mit der Faust aus und boxe ihm in die Rippen. »Man, was soll das?«, faucht er und zieht mir das Kissen endgültig weg. »Du tickst doch nicht ganz sauber. Willst du dich prügeln oder was?«, fordert er mich weiter heraus. Mit einem lauten tiefen Schrei springe ich vom Sofa auf und stürze mich auf Nick, der wieder in seinem Sessel Platz genommen hatte, nun aber mit diesem und mir nach hinten umkippt. Auf dem Boden angekommen beginne ich wie von Sinnen auf seine Rippen einzudreschen. Nick, der überhaupt nicht versteht, was mit mir los ist, haut mir seine Faust mit voller Wucht aufs Auge. Dies lässt mich kurz innehalten. Trotz stechendem Schmerz an meiner Augenbraue, erfasst mich eine neue Welle der Wut, die ich ohne nachzudenken an meinem Bruder auslasse. Knurrend werfe ich mich wieder auf ihn. Wir ketschen auf dem Boden, bis mein Bruder es schafft sich aufzuraffen. Jetzt stehen wir uns schnaubend gegenüber. »Wenn ich als dein Ventil herhalten soll, bitte. Dann tu es.«
Ohne weiter nachzudenken, stürme ich auf ihn zu, er verliert den Halt und wir krachen zeitgleich in meinen Glas-Couchtisch der mit einem lauten scheppern in tausend Teile zerspringt. »Fuck«, murmle ich und blicke auf uns herab. Aus meiner Hand läuft ein Blutrinnsal und ebenfalls aus Nicks Ellenbogen. »War es das, was du wolltest? Geht es dir jetzt besser?«, knurrt Nick mich an. »Es tut mir leid. Ich weiß nicht, was mit mir los ist«, sage ich ruhig und versuche langsam aus dem Chaos aufzustehen. Freundschaftlich reiche ich Nick meine Hand. Er ergreift sie sofort und lässt sich von mir aufhelfen. »Wie wäre es mit einem Glas Wodka?«, erkundigt sich Nick. Ich nicke daraufhin nur und besorge aus dem Küchenschrank zwei Gläser, die Nick dann zügig befüllt. Wir stoßen kurz an und kippen die Gläser in eins hinunter. Meine Kehle brennt wohlig und ein Gefühl der Entspannung macht sich breit. Nick beginnt zu lachen und starrt mich an.
»Man, du bist echt nicht mehr ganz knusper. Was ist los mit dir?«, bohrt er weiter nach. Dann beginne ich zu erzählen. Von der Arbeit, dem Stress, von Dad und von Henry. Von meinen neuen Aufgaben, dem neuen Handy, den Anrufen. Meinen schlaflosen Nächten und meinen langen Arbeitstagen. Und davon, dass es mir vorkommt wie eine Strafe. Wie ein Gefängnis, in das ich eingesperrt wurde. Nick hört mir die ganze Zeit aufmerksam zu, sagt jedoch nichts. Ich werte das als stillschweigende Zustimmung. Es tut gut und ich bin ihm mehr als dankbar, dass er mich heute ausgehalten hat und mir beisteht. Nachdem wir die Flasche Wodka fast geleert haben, sprudelt ein altbekanntes Thema aus Nick heraus.
»Hast du Allie nochmal gehört?«, erkundigt er sich.
»Nein, nicht seit dem Club.«
»Willst du sie nicht mehr sehen?«, bohrt er weiter nach.
»Das ist es nicht. Ich habe keine Zeit für eine Freundin«
»Ach, das ist doch Bullshit, Kielan.«
»Nein, das ist das einzig vernünftige an mir. Ich hau mich aufs Ohr. Du kannst gerne das Gästezimmer nehmen«, erkläre ich und flüchte ohne ein weiteres Wort in mein Zimmer. Dank der anstrengenden Woche und des Alkohols habe ich keine Probleme einzuschlafen.

DU LIEST GERADE
Kings of New York
RomanceIhr sagt immer wir wären die Könige, aber wenn ihr genau hinsehen würdet, würdet ihr sehen, dass wir nichts als Verlierer sind. Wir betrügen, verletzen und manipulieren. Wenn uns jemand nicht passt, wird er aus dem Weg geräumt. - Kielan --- Teure Au...