Kings of New York

Kapitel 29

Die Limousine hält direkt vor dem Schulgebäude. Inzwischen rast mein Puls wieder fast so schnell wie zu dem Zeitpunkt, als plötzlich Kielan zu Hause aus dem Fahrstuhl stieg. Was werden die anderen Mitschüler denken, wenn ich nicht mit Taylor komme? Oder wird jemand sogar Kielan erkennen? Kriegt mein Bruder oder meine Familie dann vielleicht davon Wind? Dass er gar nicht der Fahrer ist, sondern vielmehr ein... naja ein Verehrer?

Kielan scheint mein inneres Gedankenchaos zu spüren und ergreift ermutigend meine Hand.

»Ich habe keine Ahnung, warum du auf einmal so durch den Wind bist. Falls es das ist was ich denke, dann schalt einfach den Kopf aus. Hier kennt mich niemand. Niemand weiß wer ich bin. Wir haben einfach einen schönen Abend. Ein Date. Ein typisches High School Date«

Genau diese Art von Beruhigung habe ich gebraucht. Langsam atme ich die angehaltene Luft aus und entspanne meine Schultern. Woher weiß er nur was in mir vorgeht und das meine Familie so etwas nicht dulden würde? Und wir haben was? Hat er eben gesagt wir haben ein Date? Schwer schlucke ich, ehe ich die Worte hervorbringen kann.

»Wir... wir haben ein Date?«, stottere ich.

»So verlegen kenne ich dich gar nicht«, grinst er mich an. »Wir sollten jetzt aussteigen, was meinst du?«

Unsicher, was ich davon halten soll, nicke ich. Kielan steigt aus dem Wagen aus und hält mir seine Hand entgegen. Dankend nehme ich sie entgegen und spüre direkt wieder ein Kribbeln, das meinen ganzen Körper erhitzt. Zufrieden mustert er mich, als ich mich vor ihm aufbaue und mein Kleid zurecht ziehe.
»Du siehst... also... dein Kleid... es ist der Wahnsinn«, bringt er hervor. Verlegen grinse ich. Ich kann mich nicht daran erinnern, je so ein schönes Kompliment bekommen zu haben.

Mein Blick gleitet an ihm hinunter. Der Smoking sieht unverschämt gut aus und betont seinen muskulösen Körper. Verdammte scheiße, wie kann ein Kerl nur so gut aussehen? Vor allem macht mich sein Anblick noch nervöser, als ich es eh schon bin. Mit Kielan auf eine Party zu gehen, wo ich keine Zuschauer befürchten muss ist das Eine. Mit ihm auf den Abschlussball zu gehen, eine völlig andere. Belustigt zieht er die Augenbrauen hoch. Es ist ihm natürlich nicht entgangen, dass ich ihn von oben bis unten abgecheckt habe. 

»Los, sonst kommen wir zu spät«, sagt er und legt seine Hand bestimmt auf meinen unteren Rücken. Dezent schiebt er mich in Richtung Eingang – diese kleine Überzeugung kann ich wirklich gut gebrauchen.

Als wir die geschmückte Sporthalle betreten, kann ich kaum glauben, dass dies meine Schule sein soll. Das Gestaltungsteam hat wirklich unglaubliche Arbeit geleistet. Ganz nach dem Motto „Casino Royale" haben sie diesmal die Sporthalle geschmückt. Es riecht köstlich nach frischem Popcorn und von der Decke hängen glitzernde Girlanden zwischen denen man sich fast verstecken kann. Links von mir kann ich das Foto-Team entdecken, welches rege damit beschäftigt ist lustige Fotos zu machen. Ganz im Sinne des Mottos stehen verschiedene Requisiten für die Fotos zur Verfügung. Einer aus meinem Jahrgang hampelt gerade mit einem Zylinder rum und hält sich einen schwarzen Schnurbart vor den Mund. Das würde ich auch gerne ausprobieren.

Als ich die Sporthalle und die Schüler so beobachte, merke ich, dass ich die letzten Jahre nie auf einem Ball war. Vielleicht liegt das auch daran, dass ich im letzten Jahr auch noch nicht Kapitän des Cheerleader Teams war. In diesem Jahr hatte ich also nicht nur Lust zum Ball zu gehen, sondern damit auch eine neue Pflicht zu erfüllen.

»Magst du was trinken?«, erkundigt sich Kielan liebevoll. Noch stehen wir halb im Eingang, weshalb wir noch niemandem aufgefallen sind. Ich bin sicher, dass sobald ich einen weiteren Schritt in den Raum setze, alle Blicke auf uns gerichtet sein werden. Entschlossen den Abend mit Kielan zu genießen, atme ich aus und trete einen Schritt nach vorn.
»Gern!«
Kielan reicht mir seinen Arm, damit ich mich einhaken kann und wir betreten den heutigen Ballsaal. Der Saal ist schon sehr voll und ich spüre die Blicke der Schüler, die nun auf mir und meiner Begleitung liegen. In der Menge kann ich Zoe ausmachen, die nun direkt auf uns zuschreitet. Ich übe etwas Druck auf Kielan's Arm aus, um ihm deutlich zu machen kurz inne zu halten.

»Ach nee, wen haben wir denn hier!«, platzt es aus Zoe heraus. Sie sieht mich freudestrahlend an.
»Kurzfristige Planänderung«, erkläre ich ihr und grinse wie ein Honigkuchenpferd. Ich bin nämlich unglaublich stolz auf meinen heißen Begleiter.
»Hi Zoe. Du siehst toll aus. Ist Sean heute auch da?«, erkundigt sich Kielan höflich.
»Nein. Er muss noch etwas für die Uni vorbereiten und die Party ist ihm zu lahm.« Zoe zuckt gleichgültig mit den Schultern.
»Allie und ich wollten gerade was zu trinken holen, magst du auch was?«
»Nein, danke! Ich wollte gerade mit Ava und Heather Fotos machen. Wir sehen uns später. Viel Spaß euch zweien!«, sagt sie und wackelt dabei belustigt mit ihren Augenbrauen. Ich weiß genau, was sie mir damit sagen will: Schnapp ihn dir!

Kielan und ich gehen zur Bar und halten nach etwas trinkbarem Ausschau. Leider ist offiziell kein Alkohol erlaubt, weshalb es nur Alkoholfreies gibt. Mich überkommt das Gefühl, dass Kielan diese Party vielleicht überhaupt nicht gefallen könnte. Es gibt weder Alkohol noch Leute in seinem Alter.

»Tja, diesmal gibt es wohl kein Bier«, murre ich die Getränke überprüfend.
»Ist doch kein Drama! Dann kannst du besser tanzen«
»Du willst tanzen?«
»Wir sind doch auf einem Ball, oder?«
Grinsend lehne ich mich an seine Schulter und kann sein Parfüm riechen. Er hat immer das Gleiche und es ist absolut mein Fall. Irgendwie kann ich mein Glück kaum fassen und warte darauf, dass mich jemand aus meinem Traum holt. Aber es passiert nichts. Ich stehe immer noch auf dem Herbstball - mit Kielan.

»Ich hoffe du langweilst dich nicht«, rutscht es mir raus.
»Wieso denkst du sowas?« Seine Miene verhärtet sich.
»Naja, das sind nicht die Partys die du sonst so gewohnt bist« Verlegen blicke ich zu Boden und löse mich wieder etwas von seiner Schulter.
»Mhm...Du solltest mich schnell besser kennen lernen, Allie« Ich blicke in seine Augen und kann pure Neugierde darin erkennen.
Kielan reicht mir einen Becher mit Cola und führt mich anschließend in Richtung Tanzfläche. Einige sind bereits ausgelassen am Tanzen. Die Band, die extra für den Abend arrangiert wurde, spielt immer abwechselnd moderne und eher tanzbare Musik.

Gerade spielt ein Rocksong von Linkin Park und ich kann Ash und Jackson erkennen, die gerade durch die Menge hüpfen. Absolut kein Vergleich zu Kielan. Gemeinsam trinken wir stillschweigend unsere Cola und beobachten das Geschehen. Es ist kein unangenehmes Schweigen, sondern angenehm. An seiner Seite fühle ich mich unglaublich wohl und kann sogar meine Ängste, von meiner Familie erwischt zu werden, verdrängen.
Ein neuer, langsamer Song setzt ein und Kielan grinst mich vielsagend an. Er greift nach meinem Becher und stellt diesen kurzfristig auf dem Boden ab.
»Komm, wir tanzen!«
Ich kann gar nicht so schnell antworten, wie er mich zur Tanzfläche zieht.  Sofort erkenne ich das Lied. Es ist einer meiner Lieblingssongs: Snowflake von - White Apple Tree. Der Song beschert mir direkt eine unfassbare Gänsehaut. Gekonnt greift Kielan nach meiner Taille und nimmt meine Hand in die andere. Natürlich kann er tanzen – für die ganzen elitären Veranstaltungen musste er das sicher auch lernen. Er setzt an und führt mich in einem Walzer über das Parkett. Verdammte Scheiße, ein Kerl der auch noch tanzen kann. Der Tanz ist sehr schnell und ich kenne kaum jemanden, der sich so fantastisch bewegen kann. Auf den ganzen Veranstaltungen konnte ich schließlich so einiges beobachten.

Ich fühle mich ein bisschen wie in einem kitschigen Roman. Mein Herz wird warm und ich bin so stolz mit so einem tollen Mann tanzen zu dürfen. Auf einem Herbstball. Das hätte ich mir nie erträumen lassen. Und in diesem Moment weiß ich genau, dass ich ihm bereits verfallen bin. Von Kopf bis Fuß – es ist amtlich! Ich bin in Kielan King verliebt.