»Ich liebe es jetzt schon«, murmle ich ironisch, als ich mein Spiegelbild betrachte. Heute ist mein erster Arbeitstag bei meinem Dad und ich bin gespannt, was mich erwarten wird. Ich rechne mit allem. Um seinen Ansprüchen gerecht zu werden, habe ich mich heute Morgen in einen dunkelblauen Anzug geworfen und trage darunter ein weißes Hemd. Ich streiche den Anzug noch einmal glatt und schließe den Knopf des Sakkos ehe ich mein neues Apartment verlasse und mich auf den Weg in Dads Büro begebe. Der Range Rover erwacht schnurrend zum Leben und ich fädle mich durch den New Yorker Stadtverkehr bis in Dads Büro. Inzwischen ist es kurz vor zehn, ich bin also pünktlich. Gestern habe ich die Zeit genutzt und Nick noch kurz über die Veränderungen informiert. Er war etwas schockiert, aber zu gleich dankbar, denn er wusste nun, wann seine Quälerei enden würde.
Im Fahrstuhl angekommen, prüfe ich erneut mein Outfit. Das Sakko spannt etwas an meinen breiten Oberarmen, aber ich denke mir, dass es meinen Badboy Look dadurch etwas besser untermalt. Allerdings könnte ich langsam mal wieder zum Frisör und meine wilde Mähne bändigen lassen. Länger kann ich in mein Äußeres nicht investieren, denn die Türen zur 37ten Etage öffnen sich.
»Guten Morgen, Kielan. Ich bin übrigens Cassandra«, begrüßt mich Dads Empfangsdame. »Ich zeige dir erstmal dein neues Büro«, erklärt sie direkt und führt mich den langen Flur entlang zu einem Glasbüro. Es ist mittig auf der Etage angesiedelt, sodass es von Glas umschlossen ist und keinen Ausblick über New York ermöglicht. Was hatte ich auch erwartet?
»So, du kannst dich hier einrichten. Mr. King wünscht, dass dich sein engster Vertrauter zunächst etwas einarbeitet, bevor ihr dann um 11 Uhr zu dem Termin im Konferenzraum, gleich da drüben, hinzustoßen werdet. Hast du noch Fragen?«
»Nein, danke«, sage ich freundlich. Cassandra wirft mir ein knappes Lächeln zu, schiebt ihre schwarze Brille wieder höher auf die Nase und verlässt ohne ein weiteres Wort mein Büro.Es vergeht keine Minute und schon wieder wird die Tür zu meinem Büro geöffnet. Entnervt stöhne ich. »Tja, wohl ganz der Papa, was?«, fragt der Mann im dunkelblauen Anzug, der in der Tür steht. »Ich bin Henry Williams und arbeite dich ein.«
Ich mustere Henry von oben bis unten. Er sieht aus wie eine jüngere Version meines Vaters. Vermutlich Mitte dreißig und demnach um einiges jünger als mein Vater. Er trägt einen ähnlichen Anzug wie ich, hat aber kurze dunkle Haare und eine Krawatte um, auf die ich verzichtet habe. Genau wie ich mustert auch er seinen neuen Schüler.
»Hallo Henry«, beginne ich und fahre direkt misstrauisch fort: »Wenn du einer von Dads engsten Vertrauten bist, wieso habe ich dann noch nie von dir gehört?«
Henry beginnt lautstark zu lachen und schließt nun langsam hinter sich die Tür. »Wir werden viel Spaß zusammen haben, das steht jetzt schon fest. Ich kenne deinen Dad schon sehr lange. Mit 29 Jahren habe ich begonnen für ihn in der Kanzlei zu arbeiten. Und inzwischen arbeite ich sowohl für die Kanzlei als auch für eure Familie.«
»Soso«, murre ich und lasse mich hinter meinen Schreibtisch fallen. »Also, was steht an?«
»Ich bereite dich auf das Meeting vor. Und auf die Nachfolge deines Vaters. Aber erstmal starten wir mit dem Meeting«.Nachdem mich Henry auf den Termin vorbereitet hatte, wusste ich nicht, ob jetzt schlauer bin oder noch verwunderter als ohnehin schon. Bei dem Termin ging es um die Kanzlei und den Ausbau weiterer Partnerschaften mit größeren Konzernen. Es ging nicht im geringsten um unsere Familie oder die übrigen Geschäfte, die er von hier steuert. Inzwischen bin ich so verwirrt, dass ich nicht mehr weiß, was mein Dad eigentlich von mir erwartet. Ich habe kein Jura studiert, wie stellt er sich das also vor? Ich komme mir vor wie der blonde Typ aus dieser Anwaltsserie Suits. Wie ein Heuchler, der hier eigentlich nichts verloren hat.
Um 11 Uhr beginnt das Meeting pünktlich. Die potenziellen Neukunden, Henry und ich sitzen bereits im Konferenzraum und tauschen oberflächliche Förmlichkeiten aus. In dem Moment als Matteo King den Raum betritt, steht alles still. Es ist als wäre dies eine One-Man-Show und man bräuchte Henry und mich gar nicht. Alle erheben sich direkt von ihren Stühlen und mein Vater beginnt die drei Geschäftsleute zu begrüßen. Mein Vater hält eine endlose Präsentation darüber, was die Kanzlei King alles ausmacht, was seine Vision für die kommenden Jahre ist und welche Kunden erfolgreich vertreten wurden. Dabei habe ich das Gefühl, das Konstrukt dieser Kanzlei zumindest etwas zu durchdringen. Dad sieht gut aus an der Spitze, er kann gut reden, er hat jedoch in seinem ganzen Leben keinen einzigen Fall vor Gericht ausgetragen. Denn das machen seine Leute für ihn. Er ist nur das Gesicht. Komisch, dass ihm dafür die Leute so viel Respekt zollen.Nach dem Meeting deutet mir mein Vater ihm zu folgen. Wir fahren den Fahrstuhl hinunter, gehen über die Straße und machen bei einem noblen Italiener halt. Mein Magen knurrt laut und ich hoffte inständig, dass die Idee meines Vaters etwas mit Mittagessen zu tun hat.» Mr. King, hinten rechts«, begrüßt uns der Kellner am Eingang. Ohne ein Wort zu sagen, gleitet mein Vater durch den Laden und nimmt an einem abgelegenen Tisch platz.» Setz dich Junge, wir haben was zu besprechen«, erklärt er mal wieder und ich gleite ihm gegenüber auf den Stuhl. Das Restaurant ist in dunklen, modernen Tönen gehalten. Die gesamte Decke ist mit grünen Blumen abgehangen, die zum Teil nach unten ragen.» Weißt du, womit wir außerhalb der Kanzlei unser Geld verdienen, Junge?«»Mit dem Verkauf von Kokain«, antworte ich ihm stumpf. Mein Dad lacht.» Ach Junge, wenn es nur das wäre«, er schüttelt sich fast vor lachen. Dann tritt der Kellner an den Tisch und legt einen dicken beigen Umschlag auf den Tisch.» Wie immer, Mr. King. Was kann ich Ihnen zum Mittag bringen?«, führt er aus. Ich starre den Umschlag an und warte gespannt auf die Reaktion meines Vaters.» Danke. Wir nehmen eine Flasche Wasser und zweimal das Steak. Englisch.« Der Kellner nickt und verschwindet wieder, so schnell wie er gekommen war.» Was ist das?«, frage ich meinen Vater.» Schutzgeld. Jeden Monat fällig. Für die meisten Restaurants in Manhattan«, führt er aus.» Du wirst ab sofort für Ihren Schutz sorgen und zum Ende des Monats das Geld einsammeln. Henry gibt dir eine Liste und ein Handy. Wenn das Teil klingelt, solltest du besser ran gehen. Nun lass uns essen, ich habe großen Hunger.«Langsam kommen wir der Sache deutlich näher.

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Kings of New York
RomanceIhr sagt immer wir wären die Könige, aber wenn ihr genau hinsehen würdet, würdet ihr sehen, dass wir nichts als Verlierer sind. Wir betrügen, verletzen und manipulieren. Wenn uns jemand nicht passt, wird er aus dem Weg geräumt. - Kielan --- Teure Au...