Kapitel 31

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Mit einem dröhnen im Kopf schlage ich die Augen auf. Doch es ist noch real. Es war kein Traum. Ich werde wirklich erpresst. Von Liams Kindergartenfreund Cole Daniels. Fuck! Jetzt weiß ich endlich, wozu Dad's Regeln gut sind. Sie schützen mich vor solchen Leuten. Vor denen, die die Stellung meiner Familie benutzen wollen. Benutzen um an Dinge zu kommen oder um Dinge zu erreichen. Ich muss nun Taylor's Freundin spielen, damit er freie Bahn hat. Damit seine Eltern zufrieden sind und die elitären Kreise einen tollen jungen Mann auf- und annehmen können. Jemanden der mit der Tochter des Senators geht. Wie verkorkst ist das bitte?
Wenn ich das nicht tue, wird meine Familie öffentlich bloß gestellt. Dad verliert seinen Job als Senator, Mom ihr geliebtes Ansehen und Liam einen besten Freund. Was für eine riesige scheiß Katastrophe! Und das nur, weil ich einmal in meinem Leben glücklich sein durfte. Aber was ist dieses kurze Glück mit Kielan nun wert? Gar nichts.
Meine Gedanken sind so sehr am wüten, dass ich mich Frage, wie ich gestern überhaupt schlafen konnte. Achja, da waren ja Mom's Schlafmittel. Nur so konnte ich das Gedankenchaos abstellen. Ich gehe sehr bedacht damit um und nehme sie nur im äußersten Notfall. Dies war ein Notfall. Dies war mehr als das. Eine Tragödie mit mir in der Hauptrolle.

Meine Hände werden schwitzig bei dem Gedanken an die gestrige Situation. Ein Schauer überkommt mich und ich schüttle mich. Nachdem Cole gestern von mir abgelassen hat, bin ich sofort nach Hause geflohen. Mr. Donovan war so nett mir einen Fahrer zu schicken, sodass ich unbemerkt entkommen konnte. Noch bevor der Wagen eingetroffen ist, habe ich mein Handy ausgeschaltet. Kielan sollte mich so nicht sehen, er hätte sofort gewusst, dass etwas nicht stimmt.

Der Gedanken einen der schönsten Abende ruiniert zu haben macht mich unendlich traurig. Nein, Cole hat ihn ruiniert. Wenn ich doch nur wüsste, wie ich da wieder raus komme. Aus Angst, ich könnte einige Nachrichten von Kielan bekommen haben, schalte ich mein Handy erst gar nicht ein, sondern gehe direkt nach unten zu Mom.

»Guten Morgen Schatz! Wie war dein Ball? Ich hoffe du hattest Spaß. Wo ist das versprochene Foto geblieben?«, plappert meine Mom direkt los.
»Ja, war super! Und ähh... das Foto habe ich einfach vergessen. Es war so viel los.«
»Zum Glück gibt es noch mehr Bälle, dann wirst du das nächste Mal eben hier festgehalten bis ich mein Foto bekomme«

An dieser Aussage habe ich nicht den geringsten Zweifel.

»Lilly hat köstliches Rührei zubereitet. Magst du etwas zum Frühstück?«, erkundigt sie sich. Ich schüttle den Kopf. Niemals würde ich jetzt einen Bissen herunter kriegen.

»Ich muss in die Schule, esse doch immer dort, Mom«

»Ist gut. Dann viel Spaß heute. Sehen wir dich zum Abendessen? Dein Dad ist heute auch da«

»Klar«, grinse ich sie an und gebe mich gespielt freundlich. Was kann es denn schöneres geben, als ein Abendessen im Hause McKenzie? Da haben wir ja alle schon so tolle Erfahrungen sammeln können.

Ausnahmsweise fahre ich heute direkt in die Schule. Zoe durfte wegen des Herbstballs bei Sean übernachten. Echt unfassbar was Mr. Ward alles erlaubt. Sie darf echt alles. Im Radio läuft ein Hit aus den 90ern und ich drehe es direkt auf. Schlagartig hebt sich meine Laune und ich kann kurz vergessen, was in der Schule gleich auf mich wartet – Taylor.
»It's tearin up my heart when i'm with you...«, summe ich und trommle auf mein Lenkrad. Heute bin ich relativ früh dran und stelle mein Auto weiter vorne ab. Kaum steige ich aus dem Wagen, entdecke ich schon Cole an der Mauer der Windsor High lehnen. Verdammt. Sofort bekomme ich feuchte Hände. In aller Öffentlichkeit kann er mir ja schlecht an die Gurgel springen, wäge ich ab und gehe direkt auf ihn zu.

»Allie! Wie schön dich zu sehen. Ich hoffe du hast die Nacht genutzt deine öffentliche Entschuldigung einzustudieren?« Seine Stimme klingt freundlich, doch ich spüre die Ironie dahinter. Er will einfach nur kontrollieren, ob ich mich an seine Regeln halte. Ja verdammt, das tue ich! Ich habe ja keine andere Wahl. Mistkerl.

»Klar und daneben liegt deine Grabrede. Aber die hebe ich mir für später auf«, sage ich und zwinkere ihn zuckersüß an. Dann stolziere ich erhobenen Hauptes an ihm vorbei. Meine innere Göttin triumphiert. So macht man aus Scheiße Gold!
Meine Euphorie über meinen kurzzeitigen Matchsieg hält jedoch nicht lange an. Cole packt mich grob am Arm und zerrt mein Ohr direkt vor seinen Mund: »Pass mal auf du kleine Schlampe. Ich mache hier die Regeln und wenn du meinst mich so herablassend behandeln zu müssen, dann legen wir doch noch ein paar Bedingungen oben drauf, oder was meinst du?«
Stumme nicke ich und mache mich von ihm los. Ich sollte mich wohl doch besser im Zaum halten, sonst muss ich nachher noch seine Freundin werden...

Der Unterricht vergeht heute viel zu schnell und ich werde immer nervöser je näher die Mittagspause rückt. Verdammt. Unruhig wippe ich auf meinem Stuhl hin und her. Zoe ist zum Glück in einem anderen Kurs und kriegt von der aktuellen Situation nichts mit. Und selbst wenn, ich dürfte ihr es gar nicht erzählen. Mein Blick geht erneut auf die Uhr an der Wand über der Tür zum Kursraum. Noch zehn Minuten. Dann mache ich mich zum Obst der Woche, zum Gespött der Schule oder einfach zur Freundin von Taylor.

Der Pausengong kommt viel zu schnell und ich trotte wie ein Roboter in die Mensa. Reiß dich zusammen, Allie. Es ist nicht für immer! Mein Handy habe ich bisher immer noch nicht angerührt. Vielleicht auch aus Angst, dass Nachrichten von Kielan mich umstimmen könnten. Mich wieder egoistisch werden lassen könnten.

Ich öffne die Tür zur Mensa und suche den Raum nach Taylor ab. Dieser lehnt neben Ash und Jackson an deren Tisch. Mein Atem geht stoßweise. Ein letztes Mal atme ich tief aus und nehme Kurs auf Taylor. Scheiße, scheiße, scheiße!

Taylor erblickt mich bereits, seine Augen sagen mir, dass er genau weiß was kommt. Er ist eingeweiht – natürlich! Hinterhältiger Arsch!

Kurz bevor ich die Jungs, deren Blicke bereits auf mir liegen, erreiche beginne ich nach Taylor zu rufen: »Taylor, bitte gib mir eine Minute«, sage ich und nehme extra einen flehenden Ton an. Taylor muss nicht lange überlegen und nickt mir zu.

Ich komme vor ihm zum Stehen und meine Hände fahren direkt in seinen Nacken. Wenn ich eins gelernt habe, dann gute Miene zum bösen Spiel zu machen.

»Taylor, Baby! Es war ein riesen Fehler, dass ich zum Ball gegangen bin. Baby, kannst du mir noch einmal verzeihen? Du weißt wir gehören zusammen!«, schmachte ich ihn an.

»Wirklich? Willst du mich zurück?«, fragt er und ich würde ihm dafür am liebsten eine Ohrfeige geben. Nein, du Arsch!

»Natürlich...«

»Dann vergebe ich dir« Direkt als er den letzten Ton ausgesprochen hat ziehe ich ihn auf meine Lippen. In der Mensa wird es ganz still. Klischee komm raus: Die Leitung der Cheerleader geht jetzt mit dem Jahrgangsprecher.

Nach einem für mich völlig emotionslosen Kuss ziehe ich mich etwas zurück und spüre die Blicke der Menge. Würde mich nicht wundern, hätten die auch noch Fotos gemacht. Ash und Jackson starren mich an, als wäre ich verrückt geworden. Natürlich, so muss es ja auch aussehen. Ich hatte bisher nie was mit Taylor am Hut. Es ist also eine total logische Sache die wir hier spielen...

»Ty? Ich muss noch was für den nächsten Kurs vorbereiten. Sehen wir uns später?«

»Klar, Babe!«, sagt er und zwinkert mir zu. Ich verlasse die Mensa mit einem provokanten Hüftschwung. Kaum fällt die Tür hinter mir zu, sprinte ich zu meinem Auto. Mit zitternden Händen suche ich krampfhaft nach meinem Schlüssel, finde ihn und steige ein. Ich drücke auf die Türverriegelung und lasse meinen Tränen freien lauf. Scheiße, scheiße und nochmal scheiße!

Kings of New YorkWo Geschichten leben. Entdecke jetzt