Kapitel 26

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Wir erreichen Kielan's Zimmer in einem der anderen Verbindungshäuser. Es ist ganz oben im Dachboden und wir müssen neben der großen Treppe auch einige kleinere nehmen, die schließlich in sein Zimmer führt. Wenn ich es nicht anders wüsste, würde ich vermuten, dass er die Verbindung anführt. Der mit dem größten Zimmer hat doch immer das Sagen, oder nicht?

Die Wirkung des Alkohols hat auch nach unserem kleinen Spaziergang nicht nachgelassen. Fast jede Stufe bereitet mir ein paar Stolperschwierigkeiten. Kielan scheint das zu amüsieren, denn jedes Mal, wenn ich fast abrutsche, darf er mich an der Taille stützen und wieder in die richtige Richtung drücken. Das Torkeln hat also auch für mich seinen Vorteil, grinse ich in mich hinein. Als wir vor einer weißen Holztür ankommen, drückt sich Kielan an mir vorbei und öffnet die Tür.

»Herein, die Dame«, sagt er mit einem belustigten Ton in der Stimme.

»Wahnsinn. Ist das riesig! Ich dachte immer Studentenwohnheime wären so klein« Mit großen Augen blicke ich mich in dem modernen Dachboden um. Die Wände sind weiß verputzt und auf dem Boden liegt ein dunkelbrauner Laminatfußboden. Einige Holzpfosten stützen das Dach und machen es sehr gemütlich. Auf der einen Seite des riesigen Dachbodens stehen zwei Doppelbetten einander gegenüber an der Wand und auf der andere Seite ist ein Wohnbereich mit Sofa, Fernseher und einem zugestopften Schreibtisch. Nicht gerade klein.

»Das Wohnheim wurde von meinem Vater gekauft und saniert«, sagt er und ich glaube zu sehen, dass sich seine Züge dabei verhärten.

»Wahnsinn! Also bist du hier das Alphatier?«, erkundige ich mich grinsend.

»Ähh... Nein... Ich war es mal. Jetzt habe ich meinen Platz an West abgetreten«

»Warum?«

»Ne andere Geschichte!«, sagt er und versucht mich damit abzuwürgen. Menno, das Gespräche führen für Männer immer nicht möglich ist. Mit einem Mal überwältigt mich die Müdigkeit und ich muss gähnen.

»Bist du müde? Wir können ruhig schlafen gehen«

Nervös blicke ich zwischen den Betten hin und her. Wie wir? In einem Bett? Das kann er vergessen!

Möglicherweise war mein Schweigen so deutlich, dass Kielan nachsetzt: »Also du kannst gerne in meinem Bett schlafen und ich weiche auf das von West aus«

»Das wäre lieb«, grinse ich zufrieden.

»Ich schau mal, ob ich ein Schlafshirt für dich finde«

Kielan wendet sich ab und sucht in einem eingebauten Wandschrank nach einem Shirt. Sollte das sein Schrank sein, dann besitzt er wirklich sehr wenig Klamotten...

»Hab was! Hier...« Kielan reicht mir ein schwarzes Shirt von den New Yorker Rangers und ich bedanke mich mit einem nicken.

»Wo ist denn das Bad?«, frage ich etwas schüchtern. Wenn es darum geht mich vor jemandem auszuziehen, gerate ich immer leicht in Verlegenheit. Da bringt mir leider auch mein Alkoholpegel nichts.

»Treppe runter und dann direkt rechts. Aber schließ ab, hier sind nur Kerle im Haus« Kielan grinst schelmisch und zieht ein weiteres Shirt aus seiner Sporttasche hervor.

Ohne groß zu zögern, streift er seine Lederjacke ab und zieht sich sein Shirt über den Kopf. Wie gebannt starre ich seinen Körper an.

»Na? Gefällt dir was du siehst?«, fragt er und wackelt dabei mit den Augenbrauen. Meine Fassungslosigkeit scheint ihn noch mehr zu erheitern. Denn nun starre ich ihn mit offenem Mund an, nicht in der Lage ihm zu antworten. Reiß dein vernebeltes Hirn mal zusammen, ermahne ich mich.

»Naja«, antworte ich trocken, da ich sein Ego nicht weiter pushen möchte. Schnell wende ich mich ab, um eine weitere peinliche Situation zu vermeiden und eile ins Bad.

Wie von Kielan verlangt, schließe ich die Tür direkt ab. Ein Blick zur Uhr verrät mir, dass ich noch genau fünf Stunden Schlaf habe, ehe ich zur Schule muss.

»Na prima«, brumme ich bei dem Gedanken. Und dann ist auch noch Cheerleader-Training.

Schnell schlüpfe ich aus meinen Klamotten und streife Kielan's Shirt über. Dies riecht zwar gar nicht nach ihm, sondern eher nach Schrank, aber ich bin trotzdem dankbar, nicht in meiner Jeans schlafen zu müssen.

Meine Boots behalte ich an, so einen Wohnheim Boden finde ich nämlich irgendwie ekelig. Und das vor allem im Badezimmer. Ich binde mein Haar noch schnell zu einem Knoten und verlasse dann das Bad.

»Wow! Ich glaube ich träume!«

»Äh...«, stottere ich und entdecke einen jungen Studenten gegenüber an der Wand lehnen.

»Wer bist du meine Hübsche?«, fragt er und kommt auf mich zu geschlendert. Er ist ziemlich klein und hat braunes, lockiges Haar. Er sieht ebenfalls sehr muskulös aus, jedoch kein Vergleich zu Kielan.

»Allie... Ich... ich sollte jetzt...«, stottere ich vor Verlegenheit. Mein Shirt reicht nämlich nur bis kurz über den Po und ich habe jetzt echt keine Lust, irgendwelche Fantasien bei dem Kerl zu wecken.

»Hast du dich verlaufen? Mein Zimmer ist da drüben. Du kannst gerne mitkommen«, sagt er und steht inzwischen so nah vor mir, dass ich seinen Atem auf meinem Arm spüren kann.

»Ne. Ich schlafe oben«

»Soso...Falls du es dir nochmal anders...« Auf einmal bricht er mitten im Satz ab und seine Augen werden groß.

»Brain du solltest lieber gehen«, brummt mir ein stink wütender Kielan in meinen Nacken. Ich habe gar nicht gemerkt, dass sich die Tür zum Dachboden geöffnet hat.

»Hey Kielan. Aber na klar doch! Wenn deine Freundin das gleich gesagt hätte, wäre ich schon längst weg!«, sagt er und grinst verlegen. Es ist kein weiterer Wortwechsel nötig, denn er tritt sofort den Rückzug an.

»Komm mit hoch, Allie«, sagt er kühl und ich trete an ihm vorbei und flitze die Treppen hinauf. Erst als ich oben angekommen bin, fällt mir ein wie kurz mein T-Shirt doch ist und das Kielan sicher freien Ausblick hatte. Röte steigt mir ins Gesicht.

»Vielleicht solltest du die Boots lieber ausziehen. Sonst werde ich es nicht bis in das Bett von West schaffen«, murmelt Kielan als er die Treppe hochkommt. Schnell streife ich sie ab und setze mich auf sein Bett.

»Allie... falsches Bett!«

»Ups...« Schnell stehe ich wieder auf und eile zum anderen Bett.

Ich lege mich unter die Decke und atme den Duft ein. Es riecht so gut nach Kielan. Ich hoffe er merkt nicht, wie ich gerade an seiner Bettwäsche schnuffle.

»Schlaf gut«, sagt er mit einer warmen Stimme und schaltet das Licht über sein Handy aus.

»Du auch«, sage ich und drehe mich auf die Seite.

Dreißig Minuten später liege ich immer noch wach und starre die Decke an. Irgendwie fühle ich mich total unwohl. Ich kann so einfach nicht schlafen. Es ist nicht meine Welt, nicht mein Bett und irgendwie ist hier alles befremdlich...

»Kielan?«, flüstere ich. Stille. Fuck, er schläft sicher. Nach einigen Sekunden kommt ein gegrummeltes »Mhhm...«

»Kannst...also kannst du zu mir kommen? Ich... kann nicht schlafen«, flüstere ich etwas lauter zurück.

»Ok«, murmelt er und ich kann hören wie er die Bettdecke zurück wirft. Dann tapst er auf dem Laminat und nähert sich seinem Bett.

»Rutsch rüber«, murmelt er.

Schnell rutsche ich an die Wand, sodass genug Platz für Kielan da ist. Er schlüpft unter die Bettdecke und deckt sich zu. Er bleibt auf dem Rücken liegen.

»Danke...«, murmle ich.

Nach einer Zeit muss ich mich umdrehen, da mein Arm einschläft. Nun sehe ich direkt auf Kielan, der noch immer auf dem Rücken liegt. Ohne genau zu wissen welcher Schalk mich reitet, lege ich meinen Kopf auf seine Brust.

Kielan sagt nichts und legt seinen Arm sanft auf meinen Rücken.

»Gute Nacht«, murmle ich ein letztes Mal, ehe ich einschlafe. In Kielans Armen. Im Studentenwohnheim. Mitten in der Woche.

Kings of New YorkWo Geschichten leben. Entdecke jetzt