Kapitel 45

5K 238 6
                                        

Mit großen Augen stehe ich vor Kielan und gaffe ihn an. Er hingegen scheint bester Laune zu sein und grinst mich nur schelmisch an. Langsam fährt er sich mit der Hand durch seine längeren Haare. Dabei wird er von dem frühmorgendlichen Sonnenschein angestrahlt und sieht damit aus wie ein verdammtes Model aus der Calvin Klein Werbung. Für mein Hirn verdammt gefährlich. »Also nochmal auf Anfang. Du machst ein Praktikum hier. Wieso zum Teufel hier und für was? Du studierst doch...«, unterbreche ich mich selbst. Genau, was studiert er eigentlich? Immer wenn ich mehr von ihm erfahren wollte hat er mich unterbrochen. Und bis auf die komische Geschichte auf der Party wo jemand ihn auf sein Studium ansprechen wollte, habe ich bisher gar nichts davon mitbekommen. Kielan nimmt seine Sonnenbrille wie in Zeitlupe ab und steckt sie in die Tasche seiner Lederjacke. Dann grinst er mich wieder an.

»Ja, ich studiere auf der Columbia. Mein Dad ist aber der Meinung, dass ich wenn ich in das Familiengeschäft einsteigen will, etwas mehr Engagement zeigen sollte. Also hier bin ich und mache ein Praktikum«

Wütend schnaube ich. Soll das ein Witz sein? Das kann unmöglich wahr sein. Dieser Kerl treibt mich in den Wahnsinn. Wie soll ich bitte ganze Schultage aushalten, wenn er mir über den Weg läuft? Vor allem wie kommt er mal eben so an ein Praktikum, wo er sich neulich in der Cafeteria geprügelt hat... »Dir scheint mein Engagement nicht zu gefallen«, stellt Kielan fest.

»Äh, nein nicht wirklich. Weißt du heute ist mein erster Tag wieder an der Schule. Seit London. Seit den Vorfällen und ... naja ich wollte wirklich neu anfangen. Und jetzt bist du hier und mein Dad wird davon erfahren und was bist du überhaupt? Jetzt mein Lehrer?« Mein Gehirn fährt noch immer Achterbahn. Es ist kaum möglich einen klaren Gedanken zu fassen. Ich weiß genau was ich will, aber diese Bedingungen, die damit einhergehen machen es nicht gerade einfach für mich. »Allie, komm mal zu Atem. Was ist los mit dir? Du bist völlig durch den Wind«

»Ja ach nee! Woher meinst du wohl kommt das? Ich musste mir gerade erst anhören, dass du Menschen verletzt und tötest und naja das meine Sicherheit nicht zwingend gewährleistet ist«, spotte ich. Kielan's Blick wird ernst. Er greift nach meinem Arm und zieht mich vom Haupteingang der Schule weg, in den Vorhof der Schule und bleibt unter einem Baum stehen. »Könntest du das vielleicht nicht ganz so laut rumposaunen? Ich habe dir das im Vertrauen erzählt. Damit du weißt, wie ich bin. Was ich wirklich tue« Während er das sagt ziehen sich seine Augenbrauen besorgt zusammen. Sofort versetzt das mir einen Stich ins Herz. Ich will nicht, dass er denkt das ich ihn deswegen nicht mehr mag. So ein Mist, ich habe ihn immer noch genauso gern. Mein Herz droht manchmal zu zerreißen, weil es so sehr nach ihm und seiner Nähe schreit. Und langsam habe ich von diesem Keil zwischen uns so die Schnauze voll. Scheiß auf Elite, scheiß auf die Leute und darauf was sie von mir denken. Das ist schließlich mein Leben. Mein eigenes und nicht ihres. Ich will nicht in zwanzig Jahren dasitzen und mich ärgern, dass ich nie etwas gewagt habe oder meine Jugend nicht genossen haben. Mit entschlossenem Blick schaue ich zu Kielan auf und mustere seinen Ausdruck. Ehe ich mit meiner Hand in seinen Nacken greife, ihn zu mir ziehe und einen Kuss auf seinen Lippen platziere. In den ersten fünf Sekunden kann ich seine Überraschung spüren, doch dann gibt er nach und öffnet sich für den Kuss. Er greift in meine Haare und zieht mich näher an sich, dabei lasse ich meine Schultasche fallen, die mit einem lauten Plumpsen auf dem Boden landet. Dies scheint Kielan zu wecken, denn nun reißt er die Augen auf und nimmt schnaufend Abstand von mir. »Scheiße«, murmelt er und blickt sich zu allen Seiten um.

Genauso hatte ich mir die Reaktion jetzt eigentlich nicht vorgestellt. Geknickt sehe ich ihn an. »Scheiße also? Was willst du eigentlich?«, zicke ich los. Entschuldigend sieht er mich an. »Nein, nein! So meinte ich das nicht. Ich meine ich mache hier ein Praktikum. Wenn uns wer gesehen hat, kann ich gleich wieder gehen. Es ist nicht so, dass mir das nicht gefällt. Bitte nimm mir das nicht übel«

»Klar«, schwindle ich und zucke gleichgültig mit den Schultern. »Ich muss los, sonst komme ich zu spät zu Geschichte. Viel Spaß bei deinem ersten Tag auf der Windsor High, Kielan«

Bis zur Mittagspause kann ich mich absolut nicht konzentrieren. Wie beschissen ist das bitte, dass er sich genau diese Schule aussucht? Hätte er nicht jede andere nehmen können? Irgendwie habe ich das Gefühl, das an seiner Story mächtig was faul ist. Aber ganz so genau, weiß ich es natürlich nicht. Nachdem ich Zoe auf dem Weg zur Cafeteria davon erzählt habe, dass Kielan nun hier quasi arbeitet, hat sie einen lauten Begeisterungsschrei ausgestoßen. Sie meinte ich könnte mir das zunutze machen, dass er mich nicht anfassen darf und ihn sozusagen scharf machen. Wo sie Recht hat...

»Der Salat ist heute endlich mal wieder frisch«, jubelt Zoe als wir endlich ein freies Plätzchen gefunden haben. »Wie ist es für dich wieder zurück zu sein?«

»Ich schätze ganz ok. Die ersten Stunden waren unspektakulär. Bis auf das gegaffe«

»Du kennst doch die verwöhnten Aasgeier hier. Es gibt längst neuen Klatsch. Zum Beispiel von einem super heiß aussehenden Praktikanten Mr. King«

Genervt verdrehe ich die Augen. »Wenn ich jetzt auch noch mit Konkurrenz zu tun habe, kann er gleich wieder verschwinden«, maule ich.

»Quark! Sieh doch wie er dich beobachtet. Als würdest du unter seinem Schutz stehen«, sagt Zoe und blickt zur Schlange rüber in der sich Kielan angestellt hat. Alle beobachten ihn, doch sein Blick liegt auf mir.

»Schutz? Rede doch nicht so ein Quark. Das hört sich an, als wäre ich seine Schwester«

»Nö. So habe ich das nicht gemeint. Es schaut eher so als würde er gerne das beschützen wollen, was sein ist«, grinst Zoe. »Naja, wir sehen uns beim Cheerleading? Ich muss los, sonst komme ich zu spät zur nächsten Stunde.«

»Alles klar, bis dann«

Kings of New YorkWo Geschichten leben. Entdecke jetzt