Es hat keine fünfzehn Minuten gedauert und schon ist Annabelle aufgetaucht und erdolcht mich seitdem mit ihren Blicken. Ich weiß nicht wieso es Kielan oder vielmehr mir nicht erlaubt ist, einen gottverdammten normalen Abend zu verbringen. West, Ian und Paul sind auch wieder von der Partie und bereits gut angeheitert. Nicht das ich die drei nicht mögen würde, aber ich hätte gerne mal Zeit mit Kielan allein. Eigentlich war genau das bisher ziemlich selten der Fall.
»Alles in Ordnung bei dir?«, erkundigt sich Kielan indem er mit seiner Schulter gegen meine stupst. Allie, reiß dich zusammen und sag einmal im Leben, dass was du denkst – ermahne ich mich bevor ich anfange zu sprechen. »Ich habe gerade daran gedacht, dass wir bisher nie richtig Zeit zu zweit hatten und das ich mir das mal wünschen würde«, gestehe ich und blicke dabei etwas beschämt über mein Geständnis zu Boden.
»Sollen wir hoch gehen?«, fragt Kielan, doch ich schüttle den Kopf. Stattdessen greife ich nach seiner Hand, ziehe ihn vom Sofa und anschließend auch aus dem Haus. Erst auf dem Gehweg vor dem Haus bleibe ich stehen und ziehe Kielan zu mir herum. Ein spitzbübischen Grinsen stiehlt sich auf sein Gesicht.
»Ich dachte wir fahren in den Central Park. Jetzt ist es eh dunkel, niemand erkennt uns« Kielan lässt meine Hand los und fährt sich durch die Haare. »Babe, nein. Das geht nicht. Wir können nicht einfach in der Öffentlichkeit herumspazieren...«
»Sagt wer?«, protestiere ich schmollend. Warum ist es uns nicht gegönnt sich wie normale junge Erwachsene zu verhalten? Dates zu haben, Spaß zu haben ohne dass man ständig Angst haben muss, dass ein Paparazzi im nächsten Busch lauert.
Kielan atmet schwer und seufzt. »Ich glaube es wird Zeit, dass ich dich über einige Dinge aufkläre... Scheiße!«, flucht er. »Ich hatte gehofft, dass ich dich davor noch etwas hätte beschützen können. Bitte, Allie. Wenn ich dir das erzähle, du musst bis zu Ende zu hören.«
Mein Herzschlag beschleunigt sich und ich habe das Gefühl, dass ich Angst vor der großen Beichte haben muss. Ich habe ja immer gespürt, dass er mir etwas verheimlicht aber nicht, dass es so schlimm ist.
»Komm!«, sagt Kielan schließlich und zieht mich hinter sich her über den Campus. Er geht schnurstracks auf die Bibliothek zu, gibt den Pin-Code ein und öffnet die Tür. In der Bibliothek herrscht Stille. Absolute Stille und Dunkelheit. Niemand ist da, natürlich nicht um 23 Uhr am Abend. Kielan zieht mich weiter hinter sich her, ohne das Licht einzuschalten. Jedoch fällt von außen genug Licht in die Räume, sodass wir uns gut zurechtfinden. Wir gehen eine Treppe hinauf und lassen uns schließlich auf zwei Sitzsäcken unter dem Glasdach der Bibliothek nieder.
»Ich sollte wahrscheinlich nicht fragen, woher du den Code für die Bibliothek hast«, spotte ich und Kielan schüttelt grinsend den Kopf. »Also, schieß los.«
»Ok. Gut. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wo ich anfangen soll. Weißt du ich bin nicht der nette Typ, den du kennengelernt hast. Eigentlich bin ich gar nicht so... nett.«
Verwundert blicke ich ihm in seine Augen und sehe so viel mehr darin, als er von sich sieht. Wovon zum Teufel redet er hier. »Also ich glaube du bist unglaublich nett. Fürsorglich und liebevoll«
Kielan lacht höhnisch, als würde ich einen schlechten Witz machen. »Nein. In Wahrheit...in Wahrheit bin ich nichts weiter als der Laufbursche meines Vaters. Du hast mitbekommen, was ich zu deinem Vater gesagt habe, als wir deinen Eltern das mit dem Ball gebeichtet haben«
Er macht eine kurze Pause, woraufhin ich kurz nicke. Ich erinnere mich an die Situation wie gestern. Noch nie hat mein Dad vor irgendwem den Schwanz eingezogen. Außer an diesem Tag. Vor Kielan. »Er... also mein Dad ist ja offensichtlich Anwalt. Aber das ist er nicht wirklich hauptberuflich. Hauptberuflich würde ich sagen ist er in erster Linie kriminell«
»Ich kann mich an die Situation erinnern«, werfe ich ein. »Mom hat mir erklärt, als ich auf dem Internat in London war, dass dein Dad zu gewissen Bedingungen den Wahlkampf meines Dad's gefördert hat«
»Richtig. Weißt du warum er das tut, Allie?«, fragt Kielan und ich habe sofort das Gefühl er würde viel lieber meine Theorie hören, als mir so direkt die Wahrheit vorzulegen.
»Keine Ahnung. Er erhofft sich bestimmt Vorteile dadurch. Aber ich habe nicht den blassesten Schimmer, welche Bedingungen das waren«
»Bitte versteh, dass ich dir nicht die ganze Wahrheit erzählen kann. Es gibt Dinge, die kann ich dir nicht sagen. Ich versuche es so zu sagen, dass du es verstehen kannst.«
Wieder nicke ich ihm als Zeichen der Bestätigung zu, ehe er fortfährt. »Belassen wir es also bei Vorteilen. Er hat also Vorteile sagen wir für gewisse Geschäftsabwicklungen. Jetzt ist es so, dass ich sein ältester Sohn bin und er erwartet von mir seine Nachfolge anzutreten. Ich hänge da tief mit drin, weißt du? Mein Dad hat sehr viele Feinde. Leute, mit denen er Geschäfte macht oder die er vernichtet hat. Es ist für unsere ganze Familie daher nicht ganz ungefährlich einfach draußen rum zu laufen. Das hat nichts mit Paparazzi zu tun. Glaub mir, die sind mir scheiß egal. Das tue ich allein für Dich und für deine Eltern. Es geht mir um deine Sicherheit, Babe. Ich habe keine reine Weste.«
Nach diesen ganzen Informationen habe ich das Gefühl, das mein Hirn überläuft. Er macht kriminelle Geschäfte. Er ist bald der Nachfolger von Mattheo King... aber was hat das für mich zu bedeuten? Bin ich in richtiger Gefahr?
»Bin ich in Gefahr, wenn wir zusammen... abhängen?« Ich muss das einfach wissen. Kielan fährt sich erneut durch die Haare, ehe er zerknirscht antwortet: »Ja.«
Verdammt. Dieses scheiß Leben in New York. Diese scheiß Elite. Dieses Scheiß Herz, dass sich dann auch noch den falschen aussucht. Ich blicke zu Boden, geschockt von der ernüchternden Wahrheit. »Wenn du jetzt nicht mehr mit mir abhängen willst, dann verstehe ich das. Allie, aber bitte glaub mir. Ich würde niemals zulassen, dass man dir weh tut.«
»Ich...ähm... brauche noch ein paar Antworten, Kielan.«
»Was immer du willst. Ich versuche es zu beantworten, sofern ich kann.« Ich schlucke schwer ehe ich mich dazu aufraffe all die Fragen zu stellen, die mir unter den Nägeln brennen. Dabei komme ich mir vor wie in einem schlechten Actionfilm, denn diese Welt kannte ich bisher nicht. »Tust du anderen Menschen weh?«, frage ich als erstes.
»Ja«, antwortet Kielan sofort. »Physisch oder psychisch?«, bohre ich weiter nach.
»Sowohl als auch.« Ich schnaufe und stoße einen grummeligen Laut aus. Eine Mischung aus Frustration und Zufriedenheit. Frustriert bin ich, weil er offensichtlich Menschen weh tut. Zufrieden, weil er so ehrlich ist. In was für einem verdammten Zwiespalt bin ich hier gelandet? »Haben die Leute, denen du weh tust, das verdient?« Kielan schluckt und ich ahne, dass mir die Antwort nicht gefallen wird. »Nicht immer. Aber meistens.«Inzwischen haben meine Hände angefangen zu zittern. Sowas ist mir so weltfremd. Da komme ich kaum drauf klar.
»Hast du dir dabei schon mal weh getan? Also so richtig?«
»Ja.«
»Hast du schon mal wen getötet?« Stille. Ich habe das Gefühl, es vergehen Stunden ehe Kielan sich regt. »Ja, einmal bisher und er hat es verdient«
»Puuh... Ok... Was geht hier nur ab. Ich hänge also mit einem Killer ab...«
»Sag.sowas.nicht!«,zischt er. »Du hast ja keine Ahnung wie das ist. Warum er gestorben ist. Also bitte, rede nicht so über mich.«»Sorry«, murmle ich und muss mir eingestehen, dass meine Reaktion ein bisschen drüber war.

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Kings of New York
RomanceIhr sagt immer wir wären die Könige, aber wenn ihr genau hinsehen würdet, würdet ihr sehen, dass wir nichts als Verlierer sind. Wir betrügen, verletzen und manipulieren. Wenn uns jemand nicht passt, wird er aus dem Weg geräumt. - Kielan --- Teure Au...