Kapite 22 : Alte Wunden

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"Das, Selin, ist meine Schwester!", sagt er.

"Was?"
"Ich weiß nicht, wer das gemacht hat, aber das war noch vor 1 Jahr. Bevor die Schule anfing"
"Und wo ist sie jetzt?", frage ich vorsichtig.
"Tot", sagt er und Tränen steigen hoch.
Wir schweigen. Ich weiß nicht, was ich darauf antworten oder sagen könnte.
Wie kann ich so dumm sein und sofort denken, dass er mich betrügen würde?!
"Entschuldigt mich", sagt er und geht.
Dann peept mein Handy erneut:

Oh! Armer Prinz!
Habe ich seine Wunde geöffnet?
Wie schrecklich von mir!
Aber sei ehrlich, du hast es geglaubt! Auch wenn es nur für eine Sekunde war!
-M

Miststück!
"Hast du eine Ahnung, wer das gemacht haben könnte?", fragt Tess.
"Nein. Wenn ich nur wüsste..", antworte ich.
Wir schweigen. Schüler, die an uns vorbei laufen, schauen nochmal zurück.
Ich halte es hier nicht mehr aus!
"I-Ich sollte mal nach ihm schauen", sage ich, während ich Richtung Schulgebäude laufe.

Ich bleibe vor dem Jungs WC stehen.
"Demir! Bist du da drin?", sage ich.
"I-Ich komme jetzt rein oke?", füge ich hinzu.
Ich öffne langsam die Tür.
Vor mir ist noch eine Tür. Ich schätze dahinter sind die Toiletten.
Ich schaue nach Links zu den Waschbecken und bei dem Anblick spüre ich einen schmerzahften Stich in der Brust.
Demirsteht da, den Rücken zu mir gedreht.
Vor ihm und auf dem Boden liegen Scherben.
Er hat den Spiegel kaputt gemacht.
Ich schaue wieder hoch.
An der Wand hängt noch ein Teil vom Spiegel. Darauf sehe ich sein Blut überlaufenes Auge.
Er schaut mich vom Spiegel aus an.
So habe ich ihn noch nie erlebt.
Dieser Blick, diese Augen. Es tut mir weh, ihn so zu sehen.
Ich nähere mich mit langsamen Schritten.
"Komm nicht!", sagt er plötzlich mit einer rauen und kalten Stimme, weshalb ich kurz zusammen zucke.
Ich werde ihn nicht alleine lassen!
Nur weil er das sagt, heißt es noch lange nicht, dass ich auf ihn höre!
"Nein", sage ich und bin leicht erstaunt, wie selbstbewusst ich klinge.
Ich merke jetzt schon wie er zittert. Vor Wut.

Jetzt stehe ich hinter ihm. Ich schaue über seine Schulter und schokiere.
Seine Hand blutet.
Ich stelle mich neben ihn und nehme seine große und kalte Hand in meine Hände.
Ich drehe den Wasserhahn auf und halte seine Hand unter den Wasserstrahl.
Er verfolgt jede einzelne Bewegung.
Ich streiche leicht über seine Hände.
Die Haut auf seinen Knöcheln hat geblutet und ist jetzt rot.
Ich öffne seine Hand und mir stockt der Atem. Er hatte eine Scherbe in der Hand.
Ein Schnitt, der seine Hand durchquert.
Von dem Schnitt qualmt immernoch Blut raus.
Ich halte auch diese Wunde unters Wasser.
Der Schnitt ist, so wie es aussieht, sehr tief.
"Wein' nicht",sagt er ernst.
"Ich weine nicht", antworte ich.
"Ach ja? Von wo kommen dann diese Tränen?", fragt er und berührt meine Wange leicht mit seinen Fingerspitzen.
Ich berühre meine Wange. Und tatschächlich sind anscheinend paar Tränen runter gerollt. Super!
Ich kann meine Tränen nicht mehr kontrollieren.

Danach nehme ich ein Tuch und trocke seine Hand ab, in dem ich langsam und zart auf die Wunden tupfe.
"I-Ich...Es tur mir leid", sagt er und seine Stimme bricht ab.
Jetzt sieht er mich an. Seine Augen sind glasig und immernoch rot.
Ich schlinge meine Arme um seinen Hals und ziehe ihn an mich. Deshalb muss ich jetzt auf Zehspitzen stehen.
Er legt sein Kopf in meine Halsbeuge und weint.
Von dem starken, unverletzbarem und selbstbewussten Demir ist keine Spur.
Ich streiche ihm durch das Haar.
"Du hast doch nichts gemacht, wofür du dich entschuldigen musst", flüster ich in sein Ohr.
"Doch! Sogar sehr viel"
"Nein", sage ich ruhig.
"I-Ich habe dich nicht verdient", sagt er.
Ich löse mich von ihm und schaue ihn an.
"Nein Schatz! Das stimmt nicht!"
"Schau doch! Es gibt kein anderen Weg! Auch wenn wir nicht wissen wer M ist, wissen wir beide, dass das alles wegen mir passiert. Du hättest wieder mit den damals alltäglichen Problemen weitergekämpft, wenn ich dich nie getroffen hätte. Wenn ich nie gekommen wäre. Es gibt keinen anderen Weg Schönheit"
"Doch! Doch, es gibt einen Weg!
Und das weißt du auch", sage ich und lege mein Kopf auf seine Brust.

Er erwiedert zuerst meine Umarmung nicht aber danach schlingt er seine Arme um mich.
"Pssshht! Hörst du das?", frage ich.
"Nein. Was denn?"
"Die schönste Melodie. Der Herzschag. Das wird deine und meine, UNSERE Wunden heilen"
Wir lösen uns wieder. Er schaut mich ernst an.
Er nimmt meine Hand und legt es auf seine Brust.
"Ich weiß Schönheit. Hörst du das?"
"Ich spüre es", antworte ich.
"Nein. Hörst du nicht, wie mein Herz die ganze Zeit 'Selin','Selin','Selin' schreit? Und das schon seitdem ich in deine Augen gesehen habe?"
"Ich weiß", antworte ich und lasse meine Hand auf seiner Brust ruhen.
Und dann klingelt es.
Er schaut hoch auf dir Decke und lässt seine Schultern fallen. Ich kann mein Lachen nicht unterdrücken. Er lacht dann mit und es hört sich fantastisch an. Unser Lachen harmoniert miteinander. Und dann hört er auf und schaut mich wieder ernst an. Ich verstumme.
Er schaut mich einfach nur an. Ohne etwas zu sagen.
"L-Lass und zur Krankeschwester gehen", sage ich und schaue auf den Boden, weil es langsam unangenehm wird, wie durchdringlich er mich ansieht.
Er hebt mein Kopf mit seinem Finger am Kinn.
"Ich liebe dich Schönheit", sagt er ernst und schaut mir fest in die Augen.
"I-Ich liebe dich a-auch", sage ich.
"A-Aber wir gehen trotzdem zur Krankenschwester", füge ich hinzu.
"Nein, das tun wir nicht", antwortet er.
"A-Aber d-du kannst dich n-"
Er legt seine Hand auf mein Mund, wodurch er mich unterbricht.
"Gehen wir?", sagt er.
Ich nicke mit dem Kopf und er lässt seine Hand fallen.
Als ich mich undrehen wollte, hält er mich auf und streckt seine verletzte Hand.
"Oder möchtest du kein Händchen halten?", sagt er.
"D-Doch a-aber es wird weh tun"
Er greift dann nach meiner Hand und spannt sich an.
Ich lasse meine Hand locker in seiner, damit es ihm nicht weh tut.
Auf dem Weg zum Klassenzimmer ist er immernoch angespannt.

Natürlich sind alle Blicke auf uns gerichtet.
"Wie kann sie SOWAS einfach nur verzeihen? Sie sollte mal loslassen! Er sollte auch mal loslassen! Da wäre ich tausendmal besser", sagt Steffi, grade noch so laut, dass ich es höre.
Ich möchte mich auf sie stürzen, aber Demir hält mich zurück, weshalb er kurz zuckt.
Ich hasse es! Warum hält er mich auf?!
Wir setzen uns auf unsere Plätze und schweigen.

Zuhause

Demir hat kein einziges Wort mit mir gewechselt in der Schule.
Jetzt sitzen wir und schweigen.
Schweigen. Schweigen. Schweigen.
"Sie wusste nichts von euch", sagt er plötzlich.
"Was meinst du?", frage ich und er schaut mich endlich an.
"Meine Schwester. Sie wurde weggegeben"
"Demir das musst du mir nicht erzählen", sage ich.
"Aber ich möchte, Selin"
"Ich höre dir zu", sage ich und er fährt fort.
"Du wirst nicht so erfreut sein"
"Wie jetzt", frage ich.
"W-Wir sind vielleicht..", sagt er und stoppt.
"I-Ich wollte diesen Gedanken, beziehungsweise diesen Fakt ignorieren und vergessen. Es ist mir auch gelungen aber es kommt immer wieder zurück. Ich kann es nicht mehr ignorieren"
Er schaut mich jetzt genau an.
"Wir sind vielleicht verwandt Selin"







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