Kapitel 40: Dort

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Wir beide schweigen, bis mein Handy vibriert.

Heute Abend, xy Straße!
-M

Wieso möchte M ein Treffen? Was erwartet mich dort? Soll ich etwas zurückschreiben? Ich lasse es.
"Wer ist es?", reißt Mira mich aus meinen Gedanken.
"Ehm... Nur eine Zeitschrift-Abo", antworte ich.
Ich kann ihr nicht vertrauen, auch wenn sie warscheinlich die Wahrheit sagt. Deshalb lasse ich sie erst einmal im Unklaren.
"I-Ich schaue mal nach Demir", sage ich und verlasse mein Zimmer.

Demir sitzt auf dem Sofa und grübelt.
Es ist irgendwie über eine Stunde vergangen, seitdem er mein Zimmer verlassen hat.
"D-Demir", sage ich, weshalb er kurz aufschreckt und mich ansieht.
Ich setze mich zu ihm.
"E-Es tut mir leid", sage ich und senke mein Blick.
"Du hast doch nichts getan, wofür du dich entschuldigen musst", antwortet er.
"I-Ich habe plötzlich.... D-Derek gesehen und... d-dann kam diese Panik und ich-"
"Schon gut. Ich sagte ja, nichts wofür du dich entschuldigen musst", unterbricht er mich und nimmt mich in seine Arme.
"Ich warte. Ist ja nichts, was ich noch nicht gemacht habe", sagt er und gibt mir einen Kuss auf die Schläfe.

"Und da gibt es noch eine Sache", sage ich. Er seufzt.
"Können wir nicht diesen Moment genießen?", fragt er.
"Nein. Es ist wichtig", sage ich und löse mich von ihm.
"M hat mir geschrieben. Heute Abend... f-für ein Treffen", sage ich.
Demir steht sofort auf, woraufhin ich aus Reflex ebenfalls aufstehe.
"Diesmal hörst du mir zu Selin!
Du. Gehst. NICHT. Dahin!", sagt er und streckt sein Zeigefinger.
"Aber Demir wir müssen. Wir brauchen antworten"
Sein Gesichtsausdruck wird sanfter und diesmal grinst er.
"Siehst du. Das "wir" klingt doch schon viel besser", sagt er.
"Idiot", sage ich und lache kurz auf.
"Dein Idiot", sagt er und zieht mich wieder zu sich. Ich lehne mein Kopf an seine Brust. Eine Weile bleiben wir so stehen.

"Demir. Du musst zurück ins Krankenhaus", sage ich.
"Achso, das habe ich dir vergessen zu sagen. Ich wurde entlassen. Aber leider hattest du dumme Gedanken und ich musste hinter dir her", sagt er und grinst. Diese Geschichte glaube ich ihm nicht so ganz. Er merkt das an meinem Gesuhtsausdruck.
"Du glaubst mir nicht? Jetzt bin uch verletzt", sagt er und löst sich von mir.
Ich kneife ihm in die Wange.
Er sieht mich schockiert an.
"Also bitte. Was war das für eine Geste gerade!?", sagt er.
Ich wiederhole es und muss lachen.
"Bin ich ein Mädchen?", sagt er.
"Ohh armes Baby", sage ich und kneiffe diesmal beide Seiten und viel länger.
Er sieht mich einen moment lang wieder schockiert an aber grinst schief im selben Moment. Was geht gerade in seinem Kopf durch?
"Du kneiffst mir also in die Wange ja?Na warte ab Madame", sagt er und hebt mich plötzlich Kopfüber auf seine Schulter.
Ich zapple mit den Beinen und schlage meine Fäuste gegen seinen breiten Rücken.
"Lass mich runter. Sofort", sage ich.
"Das hättest du überlegen sollen, bevor du mir in die Wange gekniffen hast", sagt er und lacht.
"Dummkopf! Lass mich los", sage ich und schlage auf sein Kopf.
"Dein Dummkopf lässt dich nicht los", antwortet er.
"Bald ist Dummkopf nicht mehr mein Dummkopf, wenn er so weiter macht", sage ich.
Schon habe ich es ausgesprochen, lässt er mich plötzlich wieder runter und hält mich fest.
"Was soll das jetzt heißen?", fragt er.
Ich zucke nur mit den Schultern und grinse.
Er packt mich wiedef langsam an den Beinen.
"Nein! Nein! Nein! Schon gut ok!
Heb' mich nicht hoch", sage ich und er steht wieder aufrecht.
"Natürlich bist du MEIN Dummkopf und wirst auch MEIN Dummkopf bleiben", sage ich.
"Besser", sagt er.

Wir haben uns entschieden ein wenig spazieren zu gehen. Mira hat sich hingelegt um sich auszuruhen.
Plötzlich nehme ich ein Auto wahr, welches schon länger neben uns her fährt. Als ich einen schwarz gekleideten, breiten Mann sehe, wird mir klar, dass wir verfolgt werden. Ich lasse es mir nicht anmerken, dass ich am liebsten wegrennen würde.
Doch als wir uns in die Richtung, wo der Mann steht, nähern, erkenne ich ihn. Deshalb beschließe ich, zu ihm zu gehen.

"Ich glaube, ich sollte mit Cem mal reden. Das geht nicht, dass ihr 24 Stunden steht und mich beobachtet",sage ich.
"Das ist unser Auftrag", antwortet er emotionlos.
"Jaja, schon klar. Ich rede mit ihm", sage ich und klopfe leicht auf sein Arm.
Er nickt und lächelt diesmal leicht.

Demir zieht mich rasch wieder zurück und wir laufen weiter.
"Du darfst jetzt wieder mein Arm berühren", sagt er.
Ich versuche ein Grinsen zu unterdrücken und lasse es dabei.

Als wir uns auf eine Bank setzen im Park, vibriert mein Handy plötzlich.

Planänderung! Genieß noch den Tag:)
-M

Was soll das denn jetzt heißen?!
"Selin?", sagt plötzlich jemand.
Ich schaue hoch. Es ist Cem.
"Hey. Was machst du hier?", frage ich.
Er sieht mich eine gefühlte Ewigkeit an. Ich kann sein Ausdruck nicht einordnen.
"D-Deine Eltern...", sagt Cem und schaut zu Boden
"Was ist mit ihnen?", frage ich und stehe auf.
"Dein Vater wurde nicht festgenommen", sagt er.
"Wie? Wieso?!", fragt Demir und steht ebenfallsauf.
"D-Das wesentliche ist, dass sie weggehen. Weit weg. Und der hier ist für dich", erläutert er und streckt mir einen Briefumschlag entgegen.
"W-Was ist das?", frage ich und nehme es.
"Deine Mutter hat es mir gegeben", erzählt er.
"O-Oke. S-So wie es aussieht, sollte ich ihn dann öffnen. ", sage ich.
Ich bin mir eigentlich unsicher dabei aber naja, was solls. Ich mache es auf.

Da ist ein Zettel drin. Und ein Schlüssel. Was? Wofür ist dieser Schlüssel?
"Was ist da?", fragt Cem.
"E-Ein Schlüssel", antworte ich.
"Was? Wofür?", fragt Demir.
"Das, denke ich, werden wir hier erfahren", antworte ich und ziehe den Zettel, besser gesagt den Brief aus dem Umschlag.
Der Brief ist gefalten. Ich falte ihn auf.

Hallo Liebling,
wenn du diesen Brief in den Händen hältst, sind wir schon längst im Flugzeug. Vielleicht stehen wir gerade schon auf fremdem Boden.
Aufjedenfall, damit du es verstehst, wir mussten weg.
Wie du höchstwarscheinlich mitbekommen hast, ist dein Vater frei.
Aber wir alle wissen, das unsere Vergangenheit uns immer verfolgen wird. Ohne Ende. Und daher finden wir, ist es das beste für uns, wegzuziehen. Aber auch für dich.
Wir wissen, das du in Sicherheit bist, solange du Demir neben dir hast. Und aber auch Cem.
Mach du dir keine Gedanken und Sorgen um uns.
Vergiss niemals, das wir dich lieben!
Und dieser Schlüssel ist von unserem Haus. Wir vertrauen deinen Entscheidungen. Wir wissen, dass du schon das Richtige machen wirst.

Deine Mutter

Ich lasse mich auf die Bank fallen und lese die letzten paar Zeilen immer wieder. Sie haben mich schon wieder verlassen. Und sie haben schon wieder nur einen Brief hinterlassen.
"W-Wir müssen zum Haus", sage ich.
"Welches Haus?", fragt Cem.
"Wo ich aufgewachsen bin", antworte ich und stehe schon auf.
Ich gehe zu Cems Auto rüber und warte bis er aufschließt.
Ohne etwas zu sagen, steigen wir ein und fahren los.

Jetzt gehe ich dahin.
Dort, wo alles angefangen hat.
Dort, wo ich aufgewachsen bin.
Dort, wo Melissa aufgewachsen ist.
Dort, wo Melissa gestorben ist.

My StalkerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt