Kapitel 37: Wellen und Ströme

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Ich weiß, dass so ein Prozess nicht 1-2 Tage dauert und, dass es mehrere Prozesse gibt vor einer Festnahme aber da diese Szene nicht eine so große Rolle spielt, wollte ich es kurz halten. Hoffe ihr habt Verständnis dafür!
Viel Spaß beim weiterlesen
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Wir betreten den Gerichtssaal.

Wir setzen uns und mein Vater steht vorne.
Er sieht mir in die Augen. Seine Augen zeigen Enttäuschung. Ich bleibe stehen.
Er sieht mich immernoch an. Ich kann das nicht. Ich kann das nicht mit ansehen. Ich schaue in die Reihen und sehe meine Mutter. Sie schaut mich auch enttäuscht, verwirrt aber auch wütend an.
Ich kann das nicht mitmachen. Ich verlasse den Saal und renne raus.
Ich renne weiter. Weiter und weiter.

Irgendwann finde ich eine Bank und lasse mich drauffallen.
Ich vergrabe mein Gesicht in meinen Händen und atme ersteinmal tief ein und aus.
Da klingelt plötzlich mein Handy.

"Ja?"
"Kannst du nicht mitansehen, wie dein Vater seine gerechte Strafe bekommt?", sagt die Person am anderen Ende der Leitung.
"Was willst du noch von mir? Mein Vater wird höchstwarscheinlich hinter Gittern landen. Ich halte mich von allen fern, die ich liebe. Also sag jetzt, WAS WILLST DU VERDAMMT NOCHMAL?!?", sage ich.
Ich stehe auf und drehe mich im Kreis, um ausschau zu halten, ob irgendjemand mich beobachtet.
"Du kapierst das nicht oder? Ich wollte mit dir reden. Nur wir beide. Unter 4 Augen. Alleine. Aber dein Freund ist zwischen uns gekommen. Er stand im Weg. Und auch alle anderen stehen im Weg", antwortet M.
"Sag doch einfach, was du möchtest", sage ich verzweifelt.
"Bis dann Selin", sagt M und legt auf.
Miststück. M weiß selbst nicht, was er macht.
Ich brauche einen freien Kopf, deshalb laufe ich nach Hause.

Als ich vor meinem Haus stehe, steht ein Junge vor mir, den Rücken zu mir gekehrt.

Er hat eine Jogginghose an und ein weit geschnittenes, weißes T-Shirt.
"Demir?", rufe ich.
Er dreht sich um und sieht mir in die Augen.
"Schönheit", sagt er und bleibt stehen.
Ich eile zu ihm mit größeren Schritten.
"Spinnst du?! Was suchst du hier?!", schnauze ich ihn an.
"Darf ich nicht meine Freundin besuchen?", fragt er überrascht.
"Nein! D-Doch aber doch nicht so", sage ich und strecke meine Arme in die Luft.
"Tut mir leid. Ich hatte keine Zeit mich umzuziehen. Ich hoffe du nimmst es mir nicht so übel Schönheit.
Meine Haare konnte ich auch nicht gescheit machen", sagt er und zuckt mit den Schultern und fährt mit der einen Hand durch seine Haare.
Ich würde das am liebsten machen. In seine weichen Haare grei-
NEIN SELIN! Ich schüttle den Gedanken wieder ab und schaue ihn ernst an.
"Du solltest im Bett liegen. Und nicht hier draußen rumlaufen", sage ich.
"Du redest so, als sei ich ein Mädchen, das spät Abends draußen nichts zu suchen hat", entgegnet er.
"Und wie ich sehe, geht es dir super, so wie du Witze machst", antworte ich.
"Immerdoch", sagt er und lacht.
Sein lachen erlischt aber ganz schnell.
Er schaut mich durchdringlich an und seine Augenbrauen sind wieder zusammengezogen.
"Was ist los?", fragt er und kommt ein Schritt näher.
Er nimmt mein Gesicht in seine Hände.
Ich drehe mein Kopf aber zur Seite, damit er loslässt.
Er lässt seine Hände runterfallen.
"Unser Gespräch gestern wurde unterbrochen. Was war das gestern?", fragt er.
"Du hast mich verstanden", antworte ich.
"Nein, habe ich nicht", antwortet er anschließend.
"Doch hast du. Ich habe mich klar und deutlich ausgedrückt. Ich brauche eine Pause. Etwas Abstand. Etwas Zeit...alleine", erkläre ich.
Ich schaue ihn an. Meine Sicht ist leicht benebelt, da meine Tränen wieder hochsteigen.
Aber ich erkenne sein traurigen und gleichzeitig wütenden Blick.
Er schaut mich wieder so durchdringlich an. Also ob er schon wieder die Antwort in meinen Augen sucht.
"Das habe ich verstanden", antwortet er in einem ganz anderen Ton.
So kalt. So abstoßend. So enttäuscht. Alles in einem.
Ich kämpfe gegen die Tränen aber leider wieder mal ohne Erfolg. Sie fließen einfach über meine Wange.
"Aber ich verstehe nicht, wieso?", erklärt er.
"W-Weil ich für alles verantwortlich bin. Weil so etwas ohne mich nie in deinem Leben passiert wäre. Weil es nicht mehr klappt", erläutere ich ihm.

"Und ich habe dir gesagt, dass ich nicht mehr leben könnte ohne dich", sagt er und hält sich am Kopf.
"Verdammt Selin! Ich liebe dich! Ich liebe dich mehr als alles andere. Ich liebe dich verdammt nochmal", sagt er diesmal.
Ich schaue ihn an. Alles um uns herum ist wieder wie eingefroren. Wir sind wieder bei UNS. Aber das dürfen wir nicht.
"Demir, das geht nicht. Bleib bitte fern von mir", sage ich und laufe an ihm vorbei doch er hält mich am Handgelenk auf.

"Und so einfach ist es nicht, mein Leben zu verlassen. Ich habe dir gesagt, dass du mich nie wieder los wirst. Und... tu mir das nicht an. Bitte. Ich kann nicht Selin.
Ich kann nicht ohne dich.
Jedesmal, wenn du nicht bei mir bist, kann ich nicht genügend atmen. Jedesmal, wenn du mich nicht berührst, ist es kalt und ich friere. Jedesmal, wenn du mich ignorierst, zieht sich mein Herz zusammen und zerbricht. Ich fühle Leere.
Und nur eine Berührung, ein Kuss, ein Blick von dir genügt, um die zerbrochenen Stellen zu heilen und das Leeregefühl zu füllen.
Eine Berührung, ein Kuss, ein Blick von dir genügt, um mein Herz jedes mal zum rasen zu bringen.
Manchmal habe sogar ICH Angst, dass ich einen Herzinfarkt bekommen könnte, wegen diesen gigantischen Gefühlswellen in mir.
Nein, das sind keine Wellen es sind Ströme. Jedesmal werde ich überschwemmt von gigantischen Gefühlen und ich habe Angst, darin zu ertrinken.
Also bitte, tu mir das nicht an", sagt er und seine Augen werden glasig.

Wie kann ich mich von ihm fernhalten? Das geht nicht. Jetzt erst recht nicht.
Ich schmeiße mich um seinen Hals und weine. Ich lasse alles raus. Alles, was noch übrig geblieben ist.
Wir lösen uns wieder und sehen uns an.
"E-Einer seits möchte ich dich schützen, indem ich mich fern halte von dir a-aber anderer seits bin ich zu egoistisch und liebe dich dafür zu sehr.
Ich fühle mich verletzlich und klein, wenn ich nicht in deine Armen liege.
I-Ich fühle mich einsam, wenn ich deine Stimme nicht hören kann.
Ich fühle mich schwach, wenn ich dich nicht küssen kann.
Ich kann nicht ohne dich.
Verdammt! Ich...."
Wir schauen uns weiterhin an. Es sieht mich durchdringlicher an, als er es schon tut.
"I-Ich liebe dich", sage ich leise und er lacht. Währenddessen werden seine Augen glasig.
Ich nehme sein Gesicht in meine Hände und lege meine Lippen auf seine.
Unsere Lippen passen perfekt zusammne. So wie zwei Puzzleteile, die zusammen gehören.
Wir lösen uns und ich schlinge meine Arme nochmal ganz fest um ihm, weshalb er nochmal kurz zusammenzuckt.
Ich löse mich sehr schnell.
"Tut mir leid", sage ich und lege meine Hand auf seine verletzte Stelle.
Er legt seine Hand auf meine, an der Stelle.
"Jetzt geht es mir besser. Viel besser", sagt er.

Ich stelle mir vor, wie es ausgehen könnte, wenn ich ihn weiterhin bei mir behalte.
Er sieht mich immernoch an.
Ich reiße mich von seinem Griff und wische mit die Tränen weg.
Ich darf nicht egoistisch werden.
"E-Es tut mir leid", bringe ich nurnoch raus und da bricht auch schon meine Stimme ab. Ich stürme rein und schlage die Tür zu. Ich lehne mich dran und sinke zu Boden.

Er klopft. Er haut. Er tritt. Mit jedem erschüttern der Tür, weine ich noch mehr und es schmerzt.
Es tut so weh. Ich hatte noch nie so einen Schmerz enpfunden. Noch nie.
Er hört auf.
"Ich weiß, dass du hinter der Tür stehst", sagt er. Seine Stimme klingt verletzt und bricht am Ende ab.
"A-Aber ich möchte verstehen. Ich möchte wissen, wieso? Wieso jetzt? Wieso nicht damals, als ich dich gehasst habe? Wieso?", sagt er.
Plötzlich höre ich ein Auto parken und eine Tür zufallen.
"Selin", ruft eine andere Person und hämmert gegen die Tür.

"Geht weg! Geht weg! Warum kümmert ihr euch um mich? Warum mögt ihr mich? Hört auf! Hört auf! Hört auf!...", schreie ich.
Nach langem schweigen höre ich wieder ein Auto. Ich glaube sie fahren jetzt weg.
Ich gehe in mein Zimmer und lasse mich aufs Bett fallen. Sofort werde ich vom Schlaf überrempelt.

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