Kapitel 51 : Leb' wohl

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"Alles fing damit an, als mir bewusst wurde, dass unser Vater in irgendeiner Scheiße steckt. Anschließend habe ich es Mom erzählt und sie hat auch angefangen alles irgendwie schön zu reden und, dass es ja nicht so sei und sie hat irgendwelche komischen Begründungen genannt. Da wurde mir klar: Nicht nur Dad sondern auch Mom saß in irgendeiner Scheiße.
Ich habe mehrmals in den Mails von Dad durchstöbert, seine Briefe versucht zu lesen oder seine damals immer geschlossene Schublade versucht zu öffnen.

Eines Tages, als ich wieder am Suchen war auf irgendeinen Hinweis, bekam Dad eine E-Mail an sein Computer.
Es waren zum Teil Drohungen aber auch Dehmütigungen gegenüber ihm. Du und ich, wir wurden verflucht und mitgehasst. Auch Drohungen gegenüber uns bekam er.
Ja, und wie es nun einmal kommen sollte, hat Dad mich ertappt.
Und im nächsten Moment wart ihr drei auch schon weg. Es hieß, "eine kleine Auszeit" würde guttun. Aber wieso ohne mich?
Lange konnte ich nicht darüber nachdenken, denn nach nichtmal 3 Tagen stand ein Mann an der Tür und im nächsten Moment war es aus für mich....", erläutert sie und ihre Stimme versagt am Ende. Ihre Augen werden glasig, doch sie blinzelt die Tränen weg.

"Ich habe dem Arzt meine Situation geschildert. Ja, Ärzte haben ein Schweigepflicht aber so etwas  dürfte er theoretisch nicht vortäuschen.
Ich habe ihn dann bezahlt für sein Schweigen.
Er stimmte ein und so war ich ofiziell als tot erklärt. Und seitdem verfolge ich alles, was ihr macht bzw. dich, nachdem sie dich zurückgelassen haben im Haus.
Irgendwann wurde es mir zu viel.
Ich meine, wie lange sollte das denn noch gehen?
Also habe ich Mom und Dad entführen lassen.
Und ich kann jetzt immernoch sagen, alle beide sind für mich gestorben. Ich hätte da wirklich sterben können und ihnen wäre es jetzt nach 2 Jahren egal gewesen... so wie es schon immer war", erklärt sie weiter und sie ist wieder den Tränen nahe.

"...D-Du weißt es bestimmt immernoch, wie sie mich behandelt haben. Wie ein Stück Scheiße haben sie mich behandelt. Meine Meinung war nicht wichtig. Alles was ich gesagt habe oder wollte war nicht von Bedeutung.
Naja, und den Rest weißt du.
Ich wollte genau diese Situation viel früher planen bzw. durchsetzen. Geplant habe ich alles schon vor langem.
Aber dann warst du mit Demir zusammen und dann ist Cem aufgetaucht auf.
Cem kannte ich noch von meiner Kindheit. Ich kann mich gerade noch so erinnern, wie wir gemeinsam immer gespielt haben.
Fünft Sekunde haben mir schon gereicht, um zu erfahren, wer Demir ist.
Mir war dann klar, dass er nicht ohne Grund so aufgetaucht ist. Mir wurde dann auch klar, dass er dich verletzen wird. Ich musste dich beschützen. Und dann wart ihr doch wieder nicht zusammen.
Also, zusammengefasst, eure Beziehung hat mir meinen eigentlich kompletten Plan ruiniert. Immer, wenn ich etwas vorhatte, passierte irgendetwas zwischen euch.
Ich wollte so sehr wieder mit dir reden, lachen und Zeit verbringen.

Die gestohlene Zeit können wir nicht mehr rückgängig machen. Sie bleibt uns für immer gestohlen. Aber ab nun an, können wir gemeinsam Zeit verbringen.
Wir haben eine Ewigkeit lang Zeit", sagt sie und ihre Augen strahlen wieder.
"Ja, du hast recht. Nicht nur unsere gemeinsame Zeit bleibt uns gestohlen sondern auch meine. Ich konnte mein letztes Schuljahr nicht genießen. Ich musste auf sovieles verzichten und auf alles achten.
Wegen wem? Wegen DIR!
Ständig habe ich auf den Moment gewartet, bis wieder mein Handy klingelt und irgendeine Nachricht mit der Endschrift "-M" steht.
Ich musste meine Freunde anlügen, ich musste Demir anlügen. Ich musste alle, die ich liebe anlügen. Und das mehr als ein halbes Jahr lang. Das alles ist deine Schuld.
Klar, hast du recht. Mom and Dad waren nie gerecht dir gegenüber, aber DU hast etwas schlimmeres getan!
Nur weil die sowas getan haben, heißt es noch lange nicht, dass DU etwas schlimmeres machen sollst.
Du hast dein Tod vorgetäuscht.
Du hast Mom angelogen.
Du hast Dad angelogen.
Du hast die ganze Familie angelogen.
Du hast mich angelogen...
Wenn ich dir doch soviel bedeute, wieso bist du dann nicht einfach aufgetaucht? Wieso bist du nicht einfach zu mir gekommen, sobald ich allein im Haus war?
Wieso musstest du soviel Drama drauß machen? Du hast mein ganzes Leben zu einer Tragödie gemacht. Und ich weiß nicht, ob ich es einfach so vergessen kann", erkläre ich.
"Und was willst du jetzt tun?", fragt sie.

"Ich fliege zurück. Es tut mir leid, falls meine Handlung deiner Vorstellung nicht entspricht aber ich denke ich werde es nicht so schnell verdauen können und erst recht nicht, wenn wir jeden Tag zusammen sind", erläutere ich.
"Okay...dann s-schönen Rückflug noch", sagt sie und schaut zu Boden.
"Danke. Tschüss", antworte ich und ziehe meinen Koffer hinter mir her.

***Seine Sicht***

Sie ist weg.
Sie ist fort.
Für immer.
Vielleicht ist es das beste für sie.
Ich hätte bestimmt irgendwann etwas gegen ihre New York Auswanderung gehabt. Sie hat Ziele und Wünsche.
Es wäre egoistisch von mir, ihr im Weg zu stehen. Ich ziehe den Reißverschluss von der Reisetasche zu und schultere diese.
Ich sehe mich noch einmal in ihrem Zimmer um.
Nein! Ich kann nicht!
Sie wird bestimmt zurückkommen!
Ich werde auf sie warten!
Selin wird zurückkommen!
Schönheit kommt zurück!
Da bin ich mir sicher. Sehr sogar!

*
*

Ich schrecke auf.
Ich bin anscheinend auf dem Sofa eingenickt.
Es ist schon hell draußen.
Wann wird sie kommen? Ich werde noch ein wenig warten.

Weitere 3 Stunden sind vergangen und sie ist immernoch nicht da.
Dann ist sie wohl für immer fort.
War ihr Traumberuf wirklich wichtiger als ich?
Hat unsere Beziehung ihr nie etwas bedeudet?

Nein! Nein Demir! Was denkst du da?
Selin hätte alles dafür getan! Und schließlich hast du sie gehen lassen! Du hast ihr vorgeschrieben, dass sie ihren Zielen folgen soll!

Aber sie hätte trotzdem zurückkommen können. Sie hat sich wohl gegen mich, gegen UNS entschieden.
Es klopft mehrmals plötzlich gegen das Fenster. Es hagelt und regnet sehr stark.
Auch noch mieses Wetter.
Ich hebe meine Tasche und schaue noch mal in Selins Schlafzimmer.
Ich öffne ihre Schublade. Ihr Schal.
Ich greife nach dem Schal und rieche dran.
Ich werde sie nie vergessen.
Den Schal stopfe ich in meine Jackentasche und lasse die Tür hinter mir fallen.

Ein letztes Mal schaue ich nochmal zurück, bevor ich ein Taxi anhalte und dieser losfährt.
Sieh es ein Demir! Sie hat sich für ihre Zukunft entschieden. Ihre Zukunft, in der ich kein Teil sein werde. Es gibt keine gemeinsame Zukunft.
Wer weiß, wo unsere unterschiedlichen Wege uns hinführen werden.
Ich schaue auf die Uhr.
Es ist 16 Uhr. Ich hole Selins Schal wieder hervor und rieche nocheinmal dran.
Lebe wohl Schönheit!
Lebe wohl Selin!

My StalkerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt