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Johannes gab mir einen flüchtigen Kuss auf die Stirn, bevor er in sein Auto stieg und ohne das Hupen, mit dem er sich sonst verabschiedete, davon fuhr.

Die Stimmung hatte sich nach meinem ungeplanten Arbeitstag bei Cem nicht gebessert, war sogar eher noch angespannter geworden, und so bat ich Johannes darum, einen Abend früher wieder nachhause zu fahren. Ich wollte den vorletzten Abend der Ferien lieber nutzen, um mit meinen Freunden feiern zu gehen, als mit einem schmollenden Johannes im Bett zu liegen.

„Aber Quinn, ich kann doch einfach mit euch in den Club kommen, das war doch sonst auch immer lustig", lautete sein Versuch, sich doch noch anzuschließen, aber ich blieb bei meiner Meinung. Ich wollte nicht noch einen Abend mit unterschwelligen Vorwürfen und schlechter Laune verbringen und ich wusste, dass es darauf hinauslaufen würde, würde Johannes mitkommen. Vielleicht brauchte ich nach den zwölf Tagen scheiße-vielleicht-bin-ich-schwanger-Anspannung und den anschließenden Diskussionen einfach ein bisschen Ruhe.

Ich schloss die Haustür auf und lief die vier Stockwerke, an die ich mich langsam gewöhnte und die mich nicht mehr ganz so einfach aus der Puste brachten, hoch zu unserer Wohnung.

Mister Maunz strich schon um meine Beine, bevor ich die Möglichkeit hatte, die Tür ganz zu schließen und ich nahm ihn lächelnd auf den Arm, drückte mein Gesicht in sein schwarzes Fell und setzte ihn auf dem Kratzbaum in der Ecke neben meiner Zimmertür wieder ab.

Zwei Stunden blieben mir um mich fertig zu machen, bis Lukas und Anthea zum Vortrinken vor der Tür stehen würden. Ich ging zielstrebig auf meine Kommode zu und verursachte im Bruchteil einer Sekunde ein Chaos, indem ich meine Klamotten durchwühlte. Ordnung war noch nie meine Stärke, womit ich meine Mutter seit meiner Kindheit in den Wahnsinn trieb, angefangen bei meinem Zimmer, das meistens aussah, als wäre eine Bombe explodiert, bis hin zum Küchentisch, der nicht nur mit Cornflakes bestreut, sondern auch mit meinen Büchern, Schulheften und selbstgemalten Bildern belegt war. Ich verteilte mein Chaos in der ganzen Wohnung. Ein Grund mehr, weshalb mich Moms Beziehung zu Theo zum Zweifeln brachte. Schon in den wenigen Wochen, in denen ich mit ihm zusammen lebte, merkte ich, dass er mir mit seiner Unordnung in Nichts nachstand. Hier in der WG gab ich mir wirklich Mühe, wenigstens den Rest der Wohnung in Ordnung zu halten (und mich selbst somit vor einem Rausschmiss zu bewahren), was mir teilweise nicht leicht fiel, aber Luise hatte Nachsicht mit mir.

Ich fischte endlich mein heißgeliebtes olivgrünes Kleid aus der Schublade und lief damit ins Badezimmer, streifte meine Shorts und mein Shirt ab und sprang unter die Dusche. Das kalte Wasser wusch nicht nur meinen Schweiß weg - es war immer noch wirklich heiß, sondern auch meine Anspannung, die sich in den Tagen mit Johannes stetig aufgebaut hatte.

Erfrischt und wieder etwas runtergekühlt trocknete ich mich schnell ab und zog mein Kleid über, mein Blick fiel in den Spiegel und ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen, als ich meinen lockeren Dutt löste und mir die dunklen Haare auf die Schultern fielen. Die Farbe des Kleides betonte meine grünen Augen und ich war froh darüber, den Sommer über auf Make Up verzichtet zu haben. Es schien meiner Haut wirklich gut getan zu haben, ich war leicht gebräunt und jegliche Unreinheiten waren verschwunden. Ich war zufrieden. Zufrieden über meine schöne Haut. Zufrieden darüber, dank meiner kleinen Brüste bei der Hitze auf einen BH verzichten zu können, was Johannes nicht gefiel, aber jetzt war Johannes nicht da. Zufrieden über den Abend, der mich mit meinen Freunden erwarten würde.

Die paar Bier (vielen Dank an dieser Stelle an Cem für den Bonus) und die zwei Gläser Wein, die ich getrunken hatte, machten mich leicht schwindelig. Angenehm schwindelig. Ich saß auf dem Balkon, die Beine im Schneidersitz und lehnte mich lächelnd an die Brüstung. Es wurde langsam dunkler, kühlte sich etwas ab und man konnte endlich wieder richtig atmen.

Anthea und Luise saßen mir gegenüber und unterhielten sich, ich sah Luises Blick immer wieder zu Lukas wandern, der neben mir saß. Sie lachte viel, ihre Wangen leuchteten rosa und sie sah wirklich hübsch aus in ihrer leichten, gelben Bluse. Ich musste wieder grinsen bei dem Gedanken daran, wie süß sie und Lukas zusammen wären und so nutze ich die Gelegenheit.

Ich lehnte mich zu Lukas rüber, der gerade an seinem Bier nippte und versuchte leise genug zu sprechen, dass Luise nicht verstehen konnte was ich sagte, aber laut genug, um nicht zu wirken, als würde ich Geheimnisse ausplappern. „Hey Lukas, Luise mag dich wirklich gern." Der Alkohol ließ mich direkt werden, aber diese Direktheit war genau das, was Lukas brauchte. Es überraschte mich nicht, dass seine Augen größer und seine Wangen dunkler wurden.

„Wirklich?", fragte er erstaunt und etwas zu laut, weshalb Luises Blick sich auf ihn richtete, aber als ich Anthea zuzwinkerte grinste diese wissend und verwickelte Luise schnell wieder in ein Gespräch.

„Ja, wirklich." Ich lächelte. „Sprich sie an, Luke. Also, nicht auf diese freundschaftliche Art und Weise, du weißt schon, flirte mit ihr. Zeig ihr, dass du sie auch süß findest. Du findest sie süß, oder?"

Er nickte leicht und schaute mich nachdenklich an. „Kriegst du hin", sagte ich aufmunternd und stieß ihm leicht mit dem Ellenbogen in die Seite, bevor er die Möglichkeit hatte, sich in seine Verunsicherung hineinzusteigern.

Lukas war ein cooler Typ und wir waren seit Jahren gut befreundet, er war hübsch mit seinen Rehaugen und klug und lustig und er hatte eine wahnsinnige Wirkung auf Frauen, aber er war gerade im Hinblick auf alles, was über ein freundschaftliches Verhältnis zu ebendiesen hinausging, zu schüchtern, um diese Wirkung selbst erfassen zu können. Das führte dazu, dass er nach einer zweijährigen Beziehung zu einem wirklich netten Mädchen, welches ihn dann aber für ein Jahr als Au Pair verließ, keinen weiteren Kontakt zu anderen Mädchen hatte. Zumindest keinen romantischen. Und Luise - Luise war einfach perfekt für ihn. Nicht nur optisch würden die beiden ein tolles Paar abgeben, auch so glaubte ich, die beiden würden wirklich gut miteinander harmonieren. Ich merkte ja, wie die beiden freundschaftlich miteinander umgingen.

Ich nahm mein Weinglas und stieß feierlich mit ihm an. In meinem Kopf war es beschlossene Sache, das zwischen den beiden heute mehr passieren würde. Dass Funken sprühen würden, die ich im Moment zwischen Johannes und mir vermisste.

„Auf einen guten Abend", sagte ich in die Runde und alle stießen mit an, auch wenn zumindest Luise nicht wusste, worauf wirklich angestoßen wurde und wir tranken unsere Gläser aus, um uns auf den Weg in den Club zu machen.

Roth wie der Mohn (lehrerinxschülerin)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt