26

3.3K 169 1
                                    




Ich war vierzehn Minuten zu früh bei Pepe angekommen, stand vor der Tür herum und inhalierte den Rauch meiner Zigarette. Es war inzwischen die dritte und ich hoffte, das Rauchen würde nicht nur die Zeit, sondern auch meine Nervosität vertreiben, aber bislang half es nicht wirklich. Im Minutentakt zog ich mein Handy hervor, um auf die Uhr zu schauen. Zwei Minuten vor sechs. Gerade, als ich es wieder in meine Hosentasche steckte, deutete es mit einem Vibrieren auf eine eingegangene SMS hin. Hoffentlich war es nicht Karsten, der in letzter Minute absagte und mich wie einen Trottel hier stehen ließ, nachdem ich mich endlich dazu durchgerungen hatte, ihn zu treffen.

Mari - hey quinn, du schaffst das. solltest du danach das bedürfnis haben zu reden, oder einfach schweigend mit mir einen wein zu trinken, komm einfach vorbei. x

Schlagartig wurde ich ruhiger, ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen und Wärme machte sich in mir breit. Es tat so gut zu wissen, dass Mari, der ich noch gestern Abend per SMS von dem bevorstehenden Treffen berichtet hatte, an mich dachte, dass sie an mich glaubte, dass sie für mich da war und es war ein schönes Gefühl, zu wissen, dass ich willkommen bei ihr war. Egal wie das Treffen mit Karsten laufen würde, ich würde danach in Maris Armen liegen können und dieses Wissen gab mir augenblicklich Sicherheit.

Um Punkt sechs Uhr sah ich Karsten auf mich zukommen. Er sah noch eingefallener, noch verbrauchter aus, als ich es von unserer ersten Begegnung in Erinnerung hatte, aber sein Gesicht wirkte freundlich, als er mich sah und anfing zu lächeln.

„Quinn", sagte er, als er vor mir zum Stehen kam und machte kurz eine merkwürdige Bewegung, als wüsste er nicht so recht, ob er mir die Hand geben oder mich umarmen sollte, aber dann ließ er den Arm einfach fallen und sah mich bloß an. Noch immer lächelte er, aber ich sah die Unsicherheit in seinen grünen Augen, die meinen so ähnlich waren, und auch ich wusste nicht, was ich tun sollte. Also standen wir einen Moment lang einfach nur da und sahen uns an und ich musterte jede Falte seines Gesichts, jede Kerbe und überlegte, ob es die Drogen gewesen waren, die ihn so fertig aussehen ließen, fast schon krank. Ich nahm wahr, dass sogar seine Ohren aussahen wie meine, klein und oben ein bisschen spitz, weswegen Mom mich als Kind Elfe genannt hatte. Ich fragte mich, ob wir mehr Gemeinsamkeiten hatten, als die, die auf den ersten Blick zu erkennen waren.

Ich folgte ihm, als er schließlich die Tür öffnete und in den kleinen Laden trat, der bis auf Pepe hinter dem Tresen und zwei Jugendliche an einem Tisch in der Ecke leer war.

Wir setzten uns an einen Tisch am Fenster und Karsten strich sich die mit grauen Strähnen durchzogenen Haare aus der Stirn, setzte zum Reden an und schloss dann doch wieder den Mund. Es war eine absurde Situation, wie wir uns hier gegenübersaßen und beide nicht wussten, was wir tun, was wir sagen sollten und ich fragte mich kurz, ob der richtige Zeitpunkt nach achtzehn Jahren vielleicht einfach vorüber war, aber dann bemerkte ich seine Finger, die leise auf der Tischplatte trommelten und ich lächelte ihn zum ersten Mal an.

„Danke, dass du gekommen bist", sagte er mit seiner tiefen Stimme und ich stellte mir vor, wie es sich angefühlt hätte, hätte er neben meinem Kinderbett gesessen und mir mit dieser Stimme vorgelesen. Ein Kloß machte sich in meinem Hals breit, also nickte ich ihm nur zu.

Pepe brachte uns die Speisekarten und wir blätterten schweigend in ihnen herum, die Stimmung war noch immer angespannt. Wir bestellten eine Käsepizza und Cola für mich, Peperonipizza und Apfelschorle für Karsten und erst danach fühlte ich mich wieder dazu in der Lage, etwas zu sagen.

„Du willst mich also kennenlernen", war das erstbeste, was mir einfiel.

Karsten lächelte schief. „Ja. Es tut mir leid, dass es so lang gedauert hat, bis ich genug Mut gefunden habe, aber jetzt wüsste ich gern, wer du bist", er hielt kurz inne, „wer meine Tochter ist."

Roth wie der Mohn (lehrerinxschülerin)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt