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Es kam mir vor wie eine Ewigkeit, seit ich zum letzten Mal in Maris Armen aufgewacht war, mit ihrem warmen Atem in meinem Nacken. Eine Gänsehaut machte sich auf mir breit, als ich mir ihres nackten Körpers bewusst wurde, der mich von hinten umklammerte. Erst jetzt, wo ich sie wieder bei mir hatte, wurde mir bewusst, wie sehr mir dieses Gefühl eigentlich gefehlt hatte. Ein Gefühl, das mich mit Wärme erfüllte und das ich nicht mehr missen wollte. Ich verdrängte den Gedanken, dass es noch einige Monate dauern würde, bis es zur Normalität werden könnte, jeden Morgen neben ihr aufzuwachen. Jetzt gerade war sie schließlich hier, bei mir, ich konnte sie riechen und fühlen und das Kribbeln genießen, das diese Situation in mir auslöste, und diesen Moment wollte ich ganz bewusst auskosten.

Vorsichtig hob ich ihren Arm an, um mich zu ihr drehen zu können. Ich wollte sie nicht wecken, aber dieses kleine, selige Lächeln sehen, das sie immer auf den Lippen hatte, wenn sie neben mir schlief. Aber als ich es schließlich geschafft hatte, mich so leise und behutsam wie möglich auf die andere Seite zu drehen und einen Blick auf ihr Gesicht werfen zu können, war da statt des kleinen Lächelns ein breites Grinsen und ihre honigfarbenen Augen strahlten mich an.

„Guten Morgen", flüsterte sie und zog mich näher an sich.

„Selber guten Morgen", flüsterte ich zurück und sog ihren Kokos-Orange-Duft tief ein.

Mari rutschte mir noch ein Stückchen entgegen, näher als ich es für bequem, oder für überhaupt möglich gehalten hätte, und legte ihre Lippen sanft auf meine. Eine einzige, leichte Berührung unserer Münder, die ausreichte, um mich hungrig werden zu lassen, nach den ewig langen Tagen, in denen wir kaum die Gelegenheit hatten, uns nah zu sein. Sie schmeckte nach einer Mischung aus dem Rotwein, der gestern Abend in rauen Mengen geflossen war, Zahnpasta und Schlaf.

Ihre Zunge wanderte über meine Lippen, ihre Hände über meinen Körper und es dauerte keine Minute, bis sie mir das erste unterdrückte Stöhnen entlockte.


„Ich dachte schon, ich müsste mit den beiden Turteltäubchen hier alleine frühstücken", begrüßte mich Jana, als ich nach einer ausgiebigen Dusche das Wohnzimmer betrat. Sie saß mit Luise und Lukas, die synchron bei Janas Worten erröteten, am bereits gedeckten Tisch, der ähnlich vollgestellt war, wie die Küchenzeile am letzten Abend. Ich machte es mir auf dem Stuhl neben ihr bequem und schenkte mir einen Kaffee ein.

„Wo sind die anderen?", fragte ich, während ich nach einem Brötchen griff.

Luise grinste mit hochgezogenen Augenbrauen. „Hallo? Du kennst doch Anthea."

Mit dem Brötchen in der einen, dem Messer in der anderen Hand, hielt ich inne. „Das meinst du nicht ernst."

Luise warf mir einen vielsagenden Blick zu, während Jana neben mir anfing zu kichern.

Anthea und Felix hatten sich, ganz wie Mari vorhergesagt hatte, ausgezeichnet verstanden. Den ganzen Abend über war er ihr nicht von der Seite gewichen, sie hatten sich zwischen den Gesprächen in der Runde immer wieder angeregt miteinander unterhalten, ausgiebig gelacht und waren des Öfteren zusammen zum Rauchen rausgegangen. Natürlich war mir auch nicht entgangen, welche Art von Blicken die beiden sich zugeworfen hatten, vor allem, nachdem ein gewisser Alkoholpegel erreicht worden war. Ich wusste, dass Anthea gerne flirtete und laut Mari gehörte dies auch zu einer von Felix Lieblingsbeschäftigungen, aber dass die beiden bereits am Tag ihres Kennenlernens miteinander ins Bett gehen und am nächsten Morgen nicht zum Frühstück auftauchen würden, war... okay, zugegebenermaßen war es so ziemlich vorhersehbar gewesen. Trotzdem war es nicht das gleiche, wie ein One-Night-Stand mit irgendeinem Typen, den sie in irgendeiner Bar aufgabelte. Schließlich war Felix Maris bester Freund und somit würden wir alle uns vermutlich, höchstwahrscheinlich, hoffentlich, noch öfter über den Weg laufen. Daher konnte ich auf ein Drama zwischen den beiden gut verzichten. Wobei die beiden, so wie ich Anthea kannte und über Felix aus Maris Erzählungen gehört hatte, ja wahrscheinlich eh beide nur auf das Eine aus waren. Andererseits, und bei diesem Gedanken wanderte mein Blick zu Lukas und Luise, hatte ich erst vor nicht allzu langer Zeit meine Verkupplungsfähigkeiten unter Beweis stellen können, und der Gedanke an ein weiteres Pärchen in dieser Runde gefiel mir irgendwie. Zum einen war es schön, Zeit mit Mari und den Leuten, die vielleicht irgendwann unsere gemeinsamen Freunde sein würden, zu verbringen, und zum anderen hatte ich mir gestern des Öfteren nicht den Gedanken verkneifen können, dass Anthea und Felix wirklich ausgesprochen gut zusammen passen würden. Auch, wenn ich mir Anthea absolut nicht in einer Beziehung vorstellen konnte. Aber vielleicht würden meine magischen Tricks und Felix Charme sie zumindest einmal über einen Einstellungswechsel nachdenken lassen.

Roth wie der Mohn (lehrerinxschülerin)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt