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Die Erleichterung ließ mich laut auflachen. Ich dachte an die Doc Martens, die ich ein paar mal an Maris Füßen gesehen hatte und die Anthea seit Jahren ausschließlich trug.

„Luke", brachte ich noch immer lachend hervor und sah seinen verwirrten Blick, „Anthea ist nicht der einzige Mensch auf dieser Welt, der diese Schuhe trägt."

Eine erneute Welle des Lachens überkam mich und ich musste den Kaffeebecher abstellen, um nichts zu verschütten. Anthea betrunken im Club zu küssen, um Mari eifersüchtig zu machen, war eine Sache, aber der Gedanke daran, mit ihr zu schlafen... Nein, Anthea war fast etwas wie eine Schwester für mich, es war einfach total absurd.

„Dann war sie es nicht?", fragte Lukas, der sich anscheinend schon darauf eingestellt hatte, dass aus unseren Cliquen-Abenden nun Pärchen-Abende werden würden. Er sah noch immer etwas durcheinander aus, schien zu überlegen, welche Alternativen es gab.

Ich schüttelte grinsend den Kopf und versteckte mich wieder hinter meiner Tasse, hatte das Gefühl, mein ganzes Gesicht müsse Maris Namen schreien. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es für irgendwen nicht direkt ersichtlich sein könnte, dass ich die Nacht mit ihr verbracht hatte. Vor allem Lukas, der immer so feinfühlig war und mich so gut kannte, müsste es eigentlich in meinem Ausdruck lesen können, wie in einem offenen Buch. Schließlich war sie es gewesen, wegen der ich tagelang gelitten hatte, wie sollte also jemand anderes als sie mich plötzlich so glücklich machen können? Vielleicht steckte er selbst zu sehr in seinem Gefühlsrausch wegen Luise, so dass es ihm jetzt nicht möglich war, eins und eins zusammen zu zählen. Zu meinem Glück.

Auf dem Weg von der Bahnhaltestelle zur Schule zog ich meine Strickjacke enger um mich. Anscheinend war ich in letzter Zeit so sehr mit mir selbst beschäftigt gewesen, dass ich nicht einmal mitbekommen hatte, wie es kühler geworden war.

Ich war froh, dass Lukas meiner Privatsphäre genug Wert zusprach, um mich nicht mehr auf die letzte Nacht und meinen heimlichen Besuch anzusprechen. Erst, als er ein anderes Thema ansprach, wünschte ich, er hätte mich stattdessen weiter über meine Liebschaft ausgefragt.

Er räusperte sich, war anscheinend nicht ganz sicher, wie er fragen sollte.

„Quinn... Dein Vater- "

„Karsten", unterbrach ich ihn, schroffer als gewollt, aber es fühlte sich komisch an, über ihn als meinen Vater zu reden, wo er doch nie  als mein Vater da gewesen war und wo ich jetzt seinen Namen hatte, um ihn betiteln zu können. Außerdem hatte Mari es mit ihrem überraschenden Auftauchen in der Nacht geschafft, ihn gänzlich aus meinen Gedanken zu verdrängen und ich wusste nicht, ob ich schon bereit war, mich mit diesem Mann und der Geschichte, die er mir erzählt hatte, auseinander zu setzen.

„In Ordnung", sagte Lukas mit seiner weichen, verständnisvollen Stimme, dank der ich ihm nicht böse sein konnte, weil er über Dinge sprach, über die ich vielleicht noch nicht sprechen wollte, „Was wirst du tun?"

Ich zuckte die Schultern, antwortete nicht. Zog meine Strickjacke noch enger um mich, weil mich der Gedanke an die Begegnung mit Karsten irgendwie frösteln ließ und die restliche Wärme, die Maris Berührungen in meinem Körper hinterlassen hatten, verpuffte.

„Ich meine, willst du ihn denn kennenlernen?"

Ich seufzte. „Keine Ahnung, Luke. Ich konnte gut ohne ihn leben, hatte nie das Bedürfnis, ihn zu treffen. Aber jetzt ist er da, und ich hab keine Ahnung, was ich machen soll."

Lukas nickte, verstand, dass ich im Augenblick nicht mehr dazu sagen konnte, und legte seinen Arm um meine Schultern.

Im Raucherbereich trafen wir auf Anthea, die mir zur Begrüßung grinsend ihr Handy unter die Nase hielt.

Roth wie der Mohn (lehrerinxschülerin)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt