7

3.9K 214 7
                                    




„Und als ich dann zum Rauchen rausgegangen bin, ist sie an mir vorbeigelaufen. Ohne was zu sagen."

„Vielleicht hat sie dich nicht gesehen, Quinn. Warum ist das wichtig?"

„Sie hat mich gesehen. Ich bin mir ganz sicher, dass sie mich gesehen hat. Aber jetzt lass mich doch mal zum wichtigen Teil der- ''

„Warte, das war noch gar nicht alles?"

„Luise Karlotta Schmidt!" rief ich empört, „Jetzt hör mir doch mal zu! Natürlich war das noch nicht alles."

Sie war meine beste Freundin, ja, und ich liebte sie, aber in diesem Moment wollte ich wirklich gern das Nudelholz, mit dem ich gerade die Pizza ausrollte, nehmen und sie damit erschlagen. Oder ihr zumindest einen leichten Klaps verpassen. Sie war einfach zu ungeduldig. Sie konnte sich keine Geschichte anhören, die aus mehr als zwei Sätzen bestand. Sie wollte direkt zum Höhepunkt der Story kommen, ohne wichtige Infos zur Einleitung.
„Na dann erzähl schon!"

Ich verdrehte die Augen. „Also, gestern in der Schule habe ich auf dem Hof jemanden umgelaufen. Und das war sie. Und ich weiß nicht Luise, aber es war komisch. Jede der Begegnungen war irgendwie komisch."

„Was hat sie denn auf eurem Schulhof verloren?"

„Ja, das habe ich mich auch gefragt. Und sie. Und jetzt halt dich fest: sie unterrichtet."

Luise wartete einen Moment, als ich aber nichts mehr sagte, sah sie mich fragend an. „Und das war jetzt der wichtige Teil?"

Ich seufzte. „JA!"

„Quinn, tut mir leid, aber habe ich irgendeinen Teil der Story verpasst? Was ist das Problem?"

Ich konnte es nicht fassen. „Das Problem? Du fragst, was das Problem ist?"

Und dann hielt ich inne, kratzte mich am Kopf und fragte mich zum ersten mal selbst: verdammt, Quinn, was ist eigentlich dein Problem?

„Ich... ich weiß nicht." Ich seufzte erneut. „Sie macht mich irgendwie... nervös."

Luise lachte. „Warum? Weil du sie im Club mit ihrer Geliebten gesehen hast? Hast du ein Problem damit, von einer lesbischen Lehrerin unterrichtet zu werden?"

„Was? Nein!" Hatte ich ein Problem, von einer lesbischen Lehrerin unterrichtet zu werden? Meine Gedanken schweiften ab, zu dem Traum, den ich letzte Nacht hatte. Der Traum, in dem ich die fremde fuchsrote Frau fast geküsst hatte. Allein bei dem Gedanken daran schoss mir wieder das Blut ins Gesicht.

Ich versuchte mich auf die Pizza zu konzentrieren, rollte energischer am Teig herum, aber Luise grinste mich von oben an und schnappte mir das Blech weg, um die Pizza zu belegen, also ließ ich, schon wieder seufzend, die Arme fallen.

„Du findest sie heiß", sagte sie und biss von ihrer Pizza ab.

Ich wusste genau worauf sie hinauswollte, sie hatte während der halben Stunde, in der die Pizza im Ofen war, immer wieder versucht auf die Fremde zu lenken, egal wie oft ich versuchte, das Thema zu wechseln. Ich stellte mich dumm.

„Natürlich. Sie kommt gerade aus dem Ofen." Ich kaute, Luise brach in lautes Lachen aus. Als sie sich wieder gefangen hatte, guckte sie ernst.

„Du findest sie wirklich heiß, oder?"

Ich zuckte mit den Schultern. Fand ich sie heiß? Keine Ahnung, ich hatte mir nie Gedanken darüber gemacht, ob irgendwelche Frauen heiß waren. Sie waren schön oder weniger schön und rein objektiv konnte ich wohl auch irgendwie sagen, ob eine Frau sexy war, aber ich fand nie eine Frau heiß. Nicht in dem Sinne, dass ich aufgeregt war in ihrer Nähe und sie anfassen oder küssen wollte.

Aber ich war aufgeregt in ihrer Nähe. Und in meinem Traum wollte ich sie anfassen und küssen. Nur... wollte ich das auch in echt? In echt war ich mit Johannes zusammen, hatte auch vorher nur Männer geküsst und berührt. Jedenfalls auf diese Art und Weise.

Glücklicherweise ließ Luise mich vorerst mit der Sache in Ruhe, auch wenn ich sehen konnte, wie es hinter ihrer Stirn arbeitete und sie mir ab und zu ein wissendes Grinsen zuwarf und wir aßen schweigend.

„So, ich bin dran", meinte ich, als wir es uns auf dem Balkon bequem gemacht hatten. Ich zog an meiner Zigarette und aschte in den kleinen Blumentopf neben mir. „Wie läufts mit Lukas? Dein Freund ist in dieser Hinsicht leider eher schweigsam."

Luise grinste und ihre Wangen färbten sich rosa. „Mein Freund?" Ich zwinkerte ihr zu. „Ich glaube, so weit sind wir noch nicht. Aber er ist toll, wirklich. Ich wollte erst abwarten, bevor ich etwas erzähle, was vielleicht nur wegen unseres betrunkenen Zustands passiert ist, aber ich glaube, wir meinen es beide ernst, also..."
Jetzt war ich die, die sie ungeduldig unterbrach. „Du hast mir wirklich etwas verschwiegen? Ich bin enttäuscht." Ich gab ihr einen spielerischen Klaps auf den Arm. „Habt ihr euch geküsst?"

Der Farbton ihrer Wangen veränderte sich vom zarten Rosa in ein leuchtendes Rot. Sie sah so hübsch aus, wenn sie glücklich war und ich musste unwillkürlich lächeln.

„Ja. Als wir uns verabschiedet haben. Ich dachte erst, es wird nur eine Umarmung, aber dann, irgendwie..."

Ich zog sie näher zu mir, legte einen Arm um sie und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Innerlich klopfte ich mir selbst auf die Schulter - ich war einfach wirklich, wirklich gut im Verkuppeln.

„Ich würd sagen, nach dieser Information habe ich mir das Recht auf mehr Fragen erwirkt.", grinste Luise und schob mich leicht von sich, um mich besser anschauen zu können.

Ein Seufzen entwich mir. Ich seufzte erstaunlich oft in letzter Zeit.

„Schatz, ich schwöre dir, du wärst die erste, die irgendwas erfahren würde. Aber ehrlich, ich hab keine Ahnung, was ich sagen soll. Ich weiß es doch selbst nicht. Sie macht mich einfach nervös." Ich dachte wieder an meinen Traum und daran, dass Luise mir gerade von ihrem Kuss mit Lukas erzählt hatte, also gab ich mir einen Ruck.

„Okay, ich habe letzte Nacht von ihr geträumt. Wir standen im Club und haben uns unterhalten, ich weiß nicht worüber, und dann hat sie meine Wange berührt und ich glaube, wir waren kurz davor uns zu küssen, aber dann bin ich aufgewacht."

Luise sah mich mit großen Augen an. „Du - findest - sie - heiß. Ich wusste es."

„Ich weiß nicht. Vielleicht. Ja. Sie ist wirklich schön. Und sie ist cool und irgendwie lässig und sie hat einfach so eine Ausstrahlung- ''

„Okay, Quinn, Stopp. Du findest sie nicht heiß, du bist total verknallt in sie."

Mein Kopf schoss zu ihr herum und ich starrte sie entgeistert an. Verknallt. In eine Fremde. In eine fremde Frau.

Beinahe musste ich lachen. „Luise, du spinnst doch."

Immerhin kannte ich sie kaum, ich hatte sie doch erst drei mal gesehen und kaum ein Wort mit ihr gewechselt. Luise hatte wirklich einen Hang zum Überdramatisieren. Aber ja, ich konnte ihr irgendwie auch nicht komplett widersprechen, irgendetwas war da. Ich wusste nur nicht genau was.

„Ob ich spinne oder nicht, sei jetzt mal dahin gestellt. Aber ich höre wie du über sie redest und ich sehe dein Gesicht. Und ich kenne dich, Quinn. Lassen wir diese Frau erstmal beiseite und stellen uns eine andere Frage: was ist mit Johannes?"

Und das war der Moment, in dem ich schlagartig merkte, dass ich mit Johannes nicht mehr glücklich war.

Roth wie der Mohn (lehrerinxschülerin)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt