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Die nächsten beiden Tage fieberte ich auf Freitag hin. Seit mir so wirklich bewusst geworden war, dass ich Mari Roth nicht nur aufgrund ihrer Schönheit einschüchternd fand, sondern sie Gefühle in mir weckte, die ich nicht kannte und die mich verwirrten, ging sie mir überhaupt nicht mehr aus dem Kopf. Egal was ich machte, immer wieder kamen mir ihre honigfarbenen Augen in den Sinn, gesprenkelt von kleinen braunen Punkten, und die Art, wie sie spöttisch einen Mundwinkel hochgezogen hatte, als ich von meinem Buch aufblickte und sie das erste Mal sah. Ich versuchte mir die leise, durchdringende Stimme vorzustellen, wie sie mir wie in meinem Traum ins Ohr flüsterte und ihren Atem, der mein Ohr streifte und mir dabei heiße Schauer über den Rücken jagte.

In der Schule hielt ich auf den Fluren und im Raucherbereich Ausschau nach ihr, wartete darauf, ihren Blick wieder auf mir zu spüren. Ich ging Umwege, weil ich hoffte, ihr so eher über den Weg zu laufen und sah während des Unterrichts aus dem Fenster, um nicht die Gelegenheit zu verpassen einen Blick auf sie werfen zu können, falls sie über den Schulhof gehen sollte. Zu meiner Enttäuschung sah ich sie den ganzen Mittwoch über gar nicht, erst Donnerstag, als ich schon Schluss hatte und gerade dabei war die Schule zu verlassen, lief sie mir auf dem Flur entgegen. Augenblicklich durchströmte mich Nervosität und ich versuchte so cool wie möglich an ihr vorbeizulaufen, ihren Anblick auszukosten, ohne sie dabei auffällig anzustarren, aber sie unterhielt sich mit einem Kollegen und sah mich nicht einmal.

Bei der Arbeit im Spätkauf hoffte ich, sie würde noch einmal vorbeikommen, um Zigaretten oder irgendetwas anderes zu kaufen. Ich ging davon aus, dass sie irgendwo in der Nähe wohnte, sie war ja schließlich schon einmal hier gewesen. Ich konnte mich kaum auf mein Buch konzentrieren, sah immer wieder auf um zu bemerken falls sie kommen würde und sobald die Tür aufging und ein Kunde den Laden betrat zuckte ich zusammen und vergewisserte mich, ob sie es war. Ich legte öfter als sonst eine Raucherpause ein, weil ich dachte, sie würde vielleicht die Straße entlanglaufen, ohne in den Laden zu kommen, aber sie kam nicht.

Zuhause erzählte ich Luise ununterbrochen von Mari, sie verdrehte zwar ab und zu die Augen, grinste aber die ganze Zeit über und ich wusste, dass es okay war, wenn ich sie mit meinen Schwärmereien nervte.

Donnerstag Abend lag ich im Bett und sah ihr Gesicht vor mir. Die Sommersprossen, die übereil verteilt waren, als hätte jemand mit einem Pinsel Farbe auf ihre Haut gespritzt. Die vollen, mohnroten Lippen und die kleine Zahnlücke, die sichtbar wurde, wenn sie lachte. Gott, ihr Lachen war so schön. Ich meinte sogar ihren Duft zu riechen, diese besondere Mischung aus Orangen und Kokos, die ich nie zuvor gerochen hatte. Ich tat also genau das, von dem ich mir immer so sicher gewesen war, es nie zu tun, ich sei nicht der Typ für sowas. Ich wurde kitschig und es störte mich nicht.

Ich dachte an sie und berührte mich selbst.

Und dann die Ernüchterung: das Bild der blonden Frau schob sich wieder in mein Gedächtnis. Nicht nur, dass Mari meine Lehrerin war, sie hatte außerdem auch eine Freundin. Gedanklich boxte ich mich selbst. Quinn, sagte ich mir, du bist besessen. Genieße ihren Anblick, genieße ihre Stimme und ihr raues Lachen, aber bitte Quinn, steigere dich nicht in diese Sache hinein. Das wird in Herzschmerz enden.

Am Freitag wachte ich, ganz im Gegensatz zu sonst, noch vor dem Klingeln meines Weckers auf. Ich war schon jetzt ganz kribbelig und voller Vorfreude, sie später im Kunstunterricht endlich wieder zu sehen und meine Vorsätze von gestern Abend, mich nicht in irgendetwas hineinzusteigern, schienen sich über Nacht in Luft aufgelöst zu haben.

So stand ich schließlich gut gelaunt trotz Nervosität vor dem Kunstraum, hatte nicht ganz zufällig mein schönstes mohnrotes Sommerkleid an, das mein Dekolleté genau richtig in Szene setzte und nippte an meinem Kaffee.

Roth wie der Mohn (lehrerinxschülerin)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt