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Es klingelte zum Unterrichtsende und somit endlich zum Schulschluss. Im Gegensatz zu vorhin, nach dem Kunstunterricht, stopfte ich meinen Kram eilig und achtlos in meine Tasche, weil ich es nicht abwarten konnte, Mari gleich zu treffen. Ob es ein Treffen im schicksten Restaurant der Stadt oder im staubigen Materialraum unserer Schule war, spielte für mich keine Rolle. Ich freute mich einfach nur darauf, Mari wenigstens für einen kleinen Moment in meiner Nähe zu haben und das mit der Gewissheit, dass niemand uns beobachten würde. Ich warf mir gerade den Rucksack über die Schulter und machte einen Schritt in Richtung Tür, da ertönte die schrille Stimme unserer Deutschlehrerin, Frau Jansen.

„Anthea, Quinn und Lukas, bleiben Sie doch bitte noch einen Moment."

Ein entnervtes Seufzen entwich meiner Kehle, während ich ungeduldig stehenblieb. Was konnte so wichtig sein, dass dafür meine wertvolle Zeit mit Mari verstrich, während ich weiterhin hier in der Klasse stehen musste, anstatt bei ihr sein zu können? Meine Mitschüler liefen an uns vorbei aus der Tür und ich stand hier, zwischen Lukas und Anthea und wippte unruhig von einem Fuß auf den anderen, in der Hoffnung, Frau Jansen würde schnell auf den Punkt kommen und uns gehen lassen. Die stand jedoch hinter ihrem Pult, den Blick auf ihre Unterlagen geheftet und machte keine Anstalten zu reden, sondern sortierte in aller Seelenruhe ihre Unterlagen.

Unerträgliche Minuten schienen vergangen zu sein und ich überlegte gerade, welche halbwegs glaubhafte Ausrede ich vorschieben könnte, um zu gehen, da sah sie endlich, endlich zu uns auf und hielt uns ein Heft entgegen.

„Hier, das wollte ich Ihnen mitgeben. Ich dachte, Sie könnten es vielleicht für die Ausarbeitung Ihres Vortrags nächste Woche gebrauchen."

„Ich hätte da auch noch - ", setzte Lukas, der stetig supermotivierte König der Vorträge, gerade zum Reden an, aber ich fiel ihm schnell ins Wort.

„Vielen Dank, schönen Tag noch!", rief ich etwas zu laut und nahm Frau Jansen hastig das Heft aus der Hand, die mir einen verwirrten Blick zuwarf. Ohne diesen oder meine Freunde weiter zu beachten, drehte ich mich um und verließ schnellen Schrittes den Raum. Ich hatte keine Zeit, mir einen Kopf über mein unhöfliches Verhalten, das vermutlich ziemlich merkwürdig erschien, zu machen, denn ich war in Gedanken bereits ganz bei Mari und ihren weichen Lippen im Materialraum.

Ich sprintete die Treppen hoch in den zweiten Stock, vorbei an den Toiletten, und warf einen Blick durch den Gang, um sicherzugehen, dass niemand mich in einem Raum, in dem ich nichts zu suchen hatte, verschwinden sehen würde, während ich in meiner Hosentasche nach dem Schlüssel fischte, den Mari mir gegeben hatte.

Mit einem kribbeligen Gefühl der Vorfreude öffnete ich die Tür und wurde keine Sekunde später von zwei weichen Händen in den halbdunklen Raum gezogen.

„Tut mir leid, dass du warten musstest, ich - ", begann ich gerade eine Entschuldigung, die Mari jedoch unterbrach, indem sie mich von innen an die geschlossene Tür und ihre Lippen auf meine drückte. Ich keuchte, vor Schreck und vor allem vor Erregung, die augenblicklich in mir aufwallte, sobald ich ihren Körper an meinem spürte und drängte mich näher an sie. Ihr süßer Duft hüllte mich ein, eine Gänsehaut überzog jeden Millimeter meiner Haut, als Maris Zunge drängend über meine Lippe strich. Anscheinend hatte sie sich genau so sehr nach dieser Nähe gesehnt, wie ich. Ihre Hände wanderten unter meinen Pullover und krallten sich in meinen Rücken, während sie ihre Mitte gegen meinen Oberschenkel presste. Ich wollte den Kuss nicht unterbrechen, aber mich durchfuhr eine derartige Welle des Glücks, dass ich gar nicht anders konnte, als zu grinsen und die Augen zu öffnen, um Mari ansehen zu können. Es dauerte einen Moment, bis sie schwer atmend von meinen Lippen abließ und mich ansah. Das Honigbraun ihrer Augen funkelte mir entgegen, wild und verwirrt.

Roth wie der Mohn (lehrerinxschülerin)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt