34

2.7K 172 21
                                    




Hey ihr,

ich bin so einer dieser Schreiber, bei denen die Worte meistens schneller auf dem Papier stehen, als sie sich überhaupt im Kopf geformt haben. Das meiste passiert also ziemlich spontan und Pläne werden beim Schreiben gern mal über den Haufen geworfen, weil die Charaktere plötzlich einfach machen, worauf sie Lust haben und aus dem Handlungsrahmen springen, den ich irgendwann mal ganz vage in irgendeiner hinteren Ecke meines Hirns für die Story hatte. Vor allem in diesem Kapitel hat Quinn einfach das totale Eigenleben entwickelt und so gar nicht das getan, was eigentlich vorgesehen war - weswegen ich jetzt mal wieder nicht so genau weiß, wie ich weitermachen soll, und ein bisschen neu planen muss. Eigentlich wollte ich nur sagen: ich übernehme keine Verantwortung mehr für das, was hier passiert - wenn ihr also (wie ich übrigens auch) manchmal findet, dass jemand Blödsinn macht, gebt die Schuld nicht mir, sondern den Charakteren.


***


Zum zweiten Mal an diesem Tag klopfte jemand an meine Tür. Ohne auf meine Antwort zu warten wurde sie geöffnet und Anthea stand im Raum. Ihre roten Locken sprangen auf ihren Schultern auf und ab, ihre Wangen waren gerötet, sie keuchte. Offensichtlich hatte sie sich ziemlich beeilt herzukommen und war vermutlich die vier Stockwerke schneller hochgesprintet, als ihre verrauchte Lunge es zuließ. Und wenn Anthea, die lieber zwanzig Minuten auf die nächste Bahn wartete, statt auch nur ein klitzekleines bisschen schneller zu laufen, um die gerade einfahrende Bahn noch zu bekommen, sich beeilte, dann sollte das schon etwas heißen. Und was es in diesem Fall hieß, konnte ich mir denken: Mari.

Mein träger Körper saß auf einmal kerzengerade im Bett, meine Finger fingen an, auf dem Nachttisch zu trommeln, noch bevor Anthea sich soweit von ihrer sportlichen Meisterleistung erholt hatte, dass sie mir mitteilen konnte, was los war.

Ich war ungeduldig, wollte sie fragen, was passiert war, aber als ich zum Reden ansetzte und nur ein klägliches Krächzen zustande brachte, wurde mir klar, dass ich seit Tagen keinen Ton gesagt hatte.

„Mari hat uns abgefangen", fing Anthea an, noch immer schwer atmend, „nach der letzten Stunde. Du hättest sie sehen müssen, Quinn. Die Frau ist völlig fertig."

Während ich Anthea zuhörte, bildete sich ein Kloß in meinem Hals, Beklommenheit machte sich in meiner Brust breit. Zu hören, dass es Mari tatsächlich so schlecht ging, war noch viel schlimmer, als es mir nur vorzustellen. Jetzt wusste ich, dass es schlimm für sie war, Anthea hatte sie gesehen und mit ihr geredet und damit war es nicht mehr nur in meinem Kopf. Es war real.

„Du musst mit ihr reden, Quinn", fuhr Anthea fort, „sie hat uns gefragt, was los ist, warum du nicht in der Schule bist. Sie ist nichtmal böse auf dich, weil du dich seit Tagen tot stellst, sie macht sich einfach nur unglaubliche Sorgen. Sie hat gesagt, egal was ist, du sollst einfach nur mit ihr reden. Ich weiß nicht, ob dir bewusst ist, wie viel sie für dich empfindet, aber ich kann dir sagen, sie hat kein Auge zugemacht die letzten Nächte. Sie ist gut darin, Gefühle zu verstecken, aber sogar ich habe gesehen, wie sehr sie sich zusammenreißen musste, um nicht vor uns zu weinen."

Das ließ den Kloß in meinem Hals platzen und jetzt war ich es, die weinte. Es zerriss mir das Herz.

Anthea ließ sich neben mich sinken und zog mich in ihre Arme.

„Was habt ihr gesagt?", fragte ich, meine Stimme noch immer brüchig und heiser.

„Dass wir ihr nicht sagen können, was los ist. Dass du das selbst tun musst. Was hätten wir auch anderes sagen sollen? Es tut mir leid, Quinn, aber du musst mit ihr reden, auch wenn es beschissen schwer wird. Das können wir dir nicht abnehmen. Und du kannst dich nicht davor verstecken. Aber du kannst Mari auf keinen Fall weiter ignorieren."





Roth wie der Mohn (lehrerinxschülerin)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt