Fünfunddreißig.

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>>13. Juli<<

Obwohl wir Sommer haben, ist heute ein ziemlich kalter und stürmischer Tag. Aus meinem Kleiderschrank krame ich eine dünne Jacke hervor, die ich mir überziehe, als ich die Wohnung verlasse.

Mit einem quietschgelben Regenschirm husche ich schnell durch die Straßen, um zügig zum vereinbarten Treffpunkt zu kommen. Gemeinsam mit ein paar Kollegen treffen wir uns heute in einem amerikanischem Diner, um einen schönen Abend zu verbringen. Der Weg führt mich an einem kleinen Park vorbei, der bei diesem Wetter wie ausgestorben ist. Glücklicherweise brauche ich nicht mehr lange, als ich bereits das leuchtende Schild des Restaurants sehe, in dem wir einen Tisch reserviert haben.

Am Eingang angekommen schüttel ich eben die gröbsten Tropfen vom Schirm ab, ehe ich ihn in die vorhergesehene Halterung stecke und meinen Blick über die Tische huschen lasse. Am Ende des Raumes scheint Eleanor mich bereits entdeckt zu haben und winkt mir eifrig zu. Ich grinse und begebe mich dann ebenfalls zum Tisch, um die anderen zu begrüßen.

"Na, da bist du ja. Hattest du heute einen schönen freien Tag?", fragt Eleanor mich, als ich mich neben sie setze. "Naja, so spannend war er jetzt nicht. Ich war einkaufen, habe ein bisschen geputzt und dann etwas gelesen", erkläre ich ihr und greife dann zur Karte.

Als nach einer Weile endlich alle da sind, geben wir unsere Bestellungen auf und stoßen dann mit unseren Getränken an, welche soeben bereits gebracht wurden. Es ist ein lustiges Durcheinander, denn neben den deutschen Kollegen haben wir auch noch welche aus Dänemark und der Schweiz. Zwar beteuern die schweizerischen Kollegen ebenfalls deutsch zu sprechen, aber ich verstehe keine Wort. So kann es durchaus mal sein, dass in einem Satz drei verschiedene Sprachen vorkommen.

Etwa eine halbe Stunde später erhalten wir unser Essen. Vor mir steht ein länglicher Teller mit einem großem Schnitzel, selbstgemachten Pommes, Pilzen, Bacon und Sour Creme. Bei dieser deftigen Portion schnaube ich bereits vor dem ersten Bissen - hoffentlich bekomme ich das alles auf. Neugierig schaue ich auch auf Eleanors Teller, die sich einen Ceasar-Chicken-Burger ausgesucht hat.

Nach dem Essen verläuft der Abend feuchtfröhlich weiter und kurz nach Mitternacht verlasse ich gut angeheitert das Restaurant. Verwundert bleibe ich stehen und lasse meinen Blick über die beleuchteten Straßen schweifen, es ist noch immer ungewohnt, dass es hier nachts so hell ist. In meinem Heimatdorf gehen um 23 Uhr die Straßenlaternen aus und man sieht seine eigene Hand nicht mehr vor den Augen.

Schräg rechts entdecke ich zwei junge Männer, die Händchenhaltend durch die Straße schlendern. In der Nähe eines Baums bleiben sie stehen, teilen eine innige Umarmung, ehe sie sich zärtlich küssen. Unweigerlich zieht es in meinem Bauch und ich muss an Louis denken. Wie schön es doch wäre, wenn er hier bei mir wäre. Wenn nur dieser ganze Scheiß in seiner Vergangenheit nicht passiert wäre. Louis hätte viel gelassener und entspannter mit der Situation umgehen können, wäre nicht vor seinen Gefühlen geflüchtet und hätte ein glücklicheres Leben haben können. Aber habe ich nicht das Gleiche gemacht? Bin ich nicht ebenfalls vor meinen Gefühlen geflüchtet?

Jetzt habe ich ihn schon fast zwei Monate nicht mehr gesehen und noch immer ist er so präsent in meinem Kopf und in meinem Herzen. Nichts wünsche ich mir sehnlicher, als ihn bei mir zu haben. Statt dass meine Gefühle, wie erhofft, zu verschwinden, habe ich das Gefühl, dass die Sehnsucht nur immer größer wird.

Auf einen Schlag habe ich das Gefühl wieder stocknüchtern zu sein und seufzend vergrabe ich meine Hände tief in meinen Jackentaschen, wende dann den Blick ab. Kurz schüttel ich mich noch und zucke zusammen, als Eleanor sich bei mir einhakt. "Bringst du mich noch nach Hause?", fragt sie zuckersüß und kichert - auch sie ist gut beschwipst. "Eleanor... unsere Wohnungen befinden sich im gleichen Gebäude", gebe ich grinsend zurück.

Escape and follow - [Larry-AU]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt