Teilnahmslos sitze ich auf dem Sofa und zappe durch die vielen Kanäle des Fernsehers. Obwohl ich heute einen freien Tag habe, könnte ich gelangweilter nicht sein. Das hasse ich am Schichtdienst, welcher auch am Wochenende ansteht. Man hat dann an Tagen frei, wenn andere es nicht haben.
Der Haushalt ist erledigt, auf ein Buch habe ich gerade keine Lust und auch das TV-Programm nervt mich ohne Ende. Seufzend schnappe ich die Fernbedienung und schalte die Flimmerkiste aus, ehe ich ideenlos in meiner ruhigen Wohnung umherblicke. Vielleicht sollte ich mal wieder meine Eltern besuchen. Ich schaue zur Uhr, doch da wir erst Vormittag haben, werden auch die noch arbeiten.
Ich nehme mein Handy vom Tisch und scrolle durch die sozialen Medien, als mir ein Post unseres Fitnessstudios auffällt. Da sie heute 5-jähriges Jubiläum haben, ist heute sowas wie 'Tag der offenen Tür'. Es wird ab mittags gegrillt und es gibt Softgetränke auf's Haus.
Wie Louis wohl mit einer Grillschürze aussieht?
Bei diesem Gedanken muss ich schmunzeln und spontan entscheide ich mich dazu meine Sporttasche zu packen. Bis ich mit dem Training fertig bin, ist es auf jeden Fall schon mittags. Fest entschlossen hieve ich mich vom Sofa hoch und husche ins Schlafzimmer, packe T-Shirt, Hose, Sportschuhe sowie mein Duschzeug aus dem Badezimmer ein und laufe dann wieder in den Flur, wo ich nach Jacke und Sonnenbrille greife. Kaum dass ich draußen bin, stelle ich fest, dass ich die Jacke wohl doch zu Hause lassen könnte. Bereits jetzt ist es sehr warm und wir haben eine drückende Luft, das gibt mit Sicherheit noch Gewitter heute Abend. Also doch lieber mit Jacke?
Der Einfachheit halber ziehe ich sie aus, schmeiße sie auf meine Tasche und mache mich dann auf den Weg. Obwohl ich mir vorgenommen habe, mir Louis ein für alle mal aus dem Kopf zu schlagen, kann ich es nicht verhindern, dass ich nervös werde und mein Herz aufgeregt in meiner Brust wummert. Es könnte natürlich auch sein, dass er gar keine Schicht hat, allerdings denke ich nicht, dass er bei diesem Jubiläum abwesend sein wird.
Seufzend nehme ich meine Sonnenbrille vom Kopf, schiebe sie mir auf die Nase und lockere mit den Fingern meine Haare etwas auf. Seit dem - nennen wir es Vorfall - am Sonntagmorgen vor knapp zwei Wochen, haben wir uns nicht mehr gesehen. Allerdings kann ich mich nicht ewig verstecken, will ich auch gar nicht. Er soll nicht denken, dass es mich so gekränkt hat, dass ich den Vertrag mit dem Sportstudio seinetwegen wieder auflöse.
Am Ziel angekommen, erkenne ich auch schon, wie zwei Mitarbeiter auf einer Rasenfläche nebenan ein paar Bierbänke und -tische und den Grill aufbauen, Louis ist jedoch nicht dabei. Ein paar Meter weiter steht ein Getränkewagen, den sie offensichtlich gemietet haben und unter einem Pavillon ist eine Musikanlage aufgestellt.
Ich wende meine Blick ab, drehe mich wieder um und gehe zum Eingang des Studios. Natürlich, wie sollte es auch anders sein, kommt in diesem Moment Louis' Freundin hinaus. Ich muss wirklich aufpassen, dass ich nicht die Augen verdrehe. Nicht, weil ich sie nicht mag, sondern einfach weil ich so ein Pech habe.
"Hi Katie." - "Hallo Harry, wie schön, dich mal wieder zu sehen", begrüßt sie mich, zieht mich in eine Umarmung und drückt mir auch gleich einen Kuss auf die Wange, als wären wir schon ewig miteinander befreundet. Überrascht und perplex lasse ich es über mich ergehen und schaue sie dann erstaunt an. Kurz hält sie inne, lacht dann aber. "Guck doch nicht so. Ich weiß, du stehst auf Kerle, aber Frauen sind keine abartigen Monster", grinst sie. Doch darum geht es mir gerade nicht. Im Augenwinkel sehe ich nämlich Louis am Empfangstresen stehen, wie er uns beobachtet. Hoffentlich denkt er jetzt nicht, dass ich mich aus Rache an seine Freundin ranmache. Im selben Moment schüttle ich allerdings direkt den Kopf über mich selbst. Mensch Harry, er weiß doch, dass du schwul bist, das wäre totaler Blödsinn.
"Soll ich es beim nächsten Mal nicht mehr machen?", fragt sie etwas verunsichert nach, wahrscheinlich weil ich einfach nichts sage, doch ich winke schnell ab. "Ne ne, alles in Ordnung. Wie geht es dir?", wechsle ich rasch das Thema. "Danke, mir geht es super. Und dir?", erkundigt sie sich ebenfalls und ich nicke. "Ja, mir auch."
"Cool, das freut mich. Du bleibst doch nach dem Training mit Sicherheit noch ein bisschen oder? Dann können wir zusammen was essen. Ich muss nur eben meine Mutter zum Frisör fahren und dann komme ich nämlich wieder." Sie ist regelrecht euphorisch und das, obwohl ich noch nicht einmal zugesagt habe. Ich schaue in ihre braunen Augen, welche mich freundlich anlächeln und denen man einfach nichts abschlagen kann. "Ja, das können wir gerne machen", antworte ich ihr auch, da ich das ja eh vorhatte und so sitze ich dort wenigstens nicht alleine. "Super, dann bis später", gibt sie schon fast singend von sich und winkt mir noch einmal zu, ehe sie sich umdreht und verschwindet.
Noch einmal schließe ich kurz die Augen und hole tief Luft, da jetzt der schwierige Teil kommt. Ich muss zu Louis und mich einstempeln. "Einfach höflich bleiben und ansonsten nichts sagen, Harry. Wenn ihm das Ganze doch etwas bedeutet hat, wird ihn das am meisten ärgern", flüstere ich zu mir selbst, ehe ich schließlich meine Tasche wieder schultere und zum Empfang laufe.
"Hallo", sage ich einfach nur, versuche dabei jegliche Emotion zu unterdrücken und lege meinen Mitgliedsausweis auf den Tresen. "Hallo Harry", antwortet er mir leise, wagt es aber nicht mich anzuschauen und beißt sich stattdessen auf die Unterlippe. Verwundert hebe ich eine Augenbraue und beobachte ihn dabei, wie er den Ausweis durchs Kartenlesegerät zieht. Er traut sich tatsächlich nicht, mich anzusehen. Ist das jetzt gut oder schlecht?
Er legt meine Karte ins Fach und gibt mir stattdessen das passende Schloss für einen Spint. Sofort fangen meine Finger an zu kribbeln, also sie Louis' streifen, versuche jedoch mir nichts anmerken zu lassen. Louis seufzt, räuspert sich und sieht mir dann doch für eine Sekunde in die Augen, ehe er den Blick wieder abwendet und auf den Bildschirm starrt, als er anfängt zu reden: "Hör mal, Harry. Wegen letztens... ich wollte-"
"Louis!" Erschrocken zuckt nicht nur der Angesprochene, sondern auch ich selber zusammen, als die laute Stimme ertönt. Im nächsten Moment steht eine Frau neben uns, die ich auf etwa Mitte 40 schätzen würde. Da sie das gleiche Shirt wie Louis trägt, denke ich mal, dass sie ebenfalls hier arbeitet. "Eben hat eine junge Frau angerufen, die ihren Termin zum Probetraining verschieben wollte! Allerdings stand dieser Termin gar nicht im Kalender! Wie kann das angehen?", herrscht sie ihn an und ich habe das Gefühl, dass Louis nach jedem Wort ein Stückchen kleiner wird. Erstaunt über diesen Umgangston, hebe ich eine Augenbraue.
"Ich... keine Ahnung. Vielleicht habe ich diesen Termin auch gar nicht vereinbart?", erwidert er unsicher und mein Blick huscht wieder zu ihm. Wow, wo ist denn der selbstbewusste Louis hin? Seine Stimme klingt plötzlich ganz dünn, als wäre er total schüchtern. "Ja genau, du machst ja nie Fehler", antwortet die Frau, so dass der Sarkasmus nicht zu überhören ist. Sie schnalzt noch einmal mit der Zunge und dreht sich dann mit einem breiten Lächeln an mich. "Entschuldige bitte, falls der werte Kollege dich aufgehalten hat. Wie ich sehe, hast du bereits dein Schloss. Ich wünsche dir viel Spaß beim Training." Wie kann ein Mensch innerhalb von einer halben Sekunde die Emotionen ändern?!
Da ich wie festgefroren stehen bleibe, kichert sie ein wenig und legt dann ihre Hände auf meine Schultern. "Na los." Erst als sie mich umdreht und mit ihren Händen Richtung Kabine winkt, setze ich mich in Bewegung. Ein klares Zeichen, dass ich verschwinden soll. Doch ich weiß nicht wieso, irgendwie habe ich ein ganz merkwürdiges Gefühl im Bauch.
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Escape and follow - [Larry-AU]
Fiksi PenggemarDer 22-jährige Harry lernt in dem ortsansässigen Fitnessstudio Louis kennen. Er hat etwas an sich, was Harry nicht uninteressant findet, doch Louis scheint Harry nicht sonderlich leiden zu können, zudem ist dieser vergeben. Unglücklich verliebt zu s...