Zweiundzwanzig.

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Vor der Haustür bleibe ich einen Moment stehen und atme tief durch. Dieser Morgen ist kühl und da ich meine Jacke im Auto gelassen habe, fröstle ich ein wenig. Schnell ziehe ich also meinen Autoschlüssel als aus meiner Hosentasche und laufe die Auffahrt hinab zur Straße, schließe meinen Wagen auf und greife an den Türgriff.

"Harry? Was machst du denn hier?" Auch das noch. Ich schließe kurz die Augen und sende ein Stoßgebet gen Himmel, dass ich mich nur verhört habe und hinter mir nicht die Person steht, die ich gerade gehört habe. Ich setze ein freundliches Lächeln auf und drehe mich um - meine Gebete wurden leider nicht erhört. Sie grinst und sieht mich erwartungsvoll an, fast so als erwarte sie eine spannende Story. In ihrer rechten Hand hält sie eine Brötchentüte und am liebsten würde ich sie ihr aus der Hand reißen. Sie sollen nicht wie ein verliebtes Pärchen am Frühstückstisch sitzen. Ich will das alles mit Louis haben, was sie hat. Ich weiß, dass mein Denken nicht sonderlich fair ist, aber ich kann einfach nichts dafür. Meine Gedanken kommen von ganz allein. Sie hat aber auch mein Mitgefühl, immerhin hintergeht ihr Freund sie. Nie im Leben hätte ich mal gedacht, dass ich versuchen würde, jemandem den Freund auszuspannen.

"Hey Katie. Ja, ich habe gestern Abend Louis' Schwester nach Hause gebracht und bin dann selbst irgendwie eingeschlafen", erkläre ich schnell, lache etwas nervös und hoffe, dass sie mich nicht so durchschaut wie im Freibad. Immerhin sind meine Worte nicht wirklich gelogen, nur den wichtigsten Teil habe ich irgendwie weggelassen. "Oh, achso, verstehe", antwortet sie, nickt und sieht schon fast enttäuscht aus. "Jap. Und jetzt muss ich auch los", würge ich dieses Gespräch sofort ab und baumle demonstrierend mit dem Autoschlüssel vor ihrer Nase, ehe ich die Tür öffne und mich hinters Lenkrad setze.

Während der Fahrt ist es merkwürdig still im Wagen, denn normalerweise singe ich liebend gern und lauthals die Songs aus'm Radio mit, aber heute ist mir nicht danach. Louis ist einfach noch viel zu präsent in meinem Kopf. Ich kann einfach nicht fassen, was er abgezogen hat. Zudem bin ich auch sauer auf mich selbst, wie konnte ich auch nur so blöd sein und den Bruchteil einer Sekunde denken, er würde Katie für mich verlassen.

An meiner Zieladresse angekommen, trödle ich noch ein wenig herum und versuche, Louis aus meinem Kopf zu verbannen - doch es ist zwecklos. Haare raufend laufe ich das Treppenhaus hinauf in den 3. Stock, immer zwei Stufen auf einmal und drücke dann immerzu auf die Klingel. Erst als sich die Tür öffnet und ein verschlafener Niall vor mir steht, realisiere ich wirklich, dass ich nicht zu mir, sondern zu meinem besten Freund gefahren bin. Müde reibt er sich über das Gesicht und sieht mich genauso verpeilt an, wie ich ihn.

"Wie spät ist es?", ist meine erste Frage. Wir haben Sonntagmorgen und ich habe keinen Plan, wie viel Uhr wir es haben, aber offensichtlich habe ich Niall geweckt.

"Harry! Alter, da bist du ja. Du kannst mir doch nicht so ein Bild schicken und dann nicht mehr antworten! Das ist ja, als würde man einen Mann mit 'ner Latte unfertig im Bett liegen lassen", beschwert er sich, scheint plötzlich hellwach zu sein und macht ausladende Armbewegungen. "Ich...", fange ich an, stutze dann aber. Ja, wo soll ich eigentlich anfangen. Niall hebt eine Augenbraue, legt den Kopf schief und sieht mich irritiert an. "Shit. Komm erstmal rein, du bist ja völlig durch den Wind." Als ich mich nicht bewege, stellt Niall sich hinter mich, legt eine Hand auf meine Schulter und führt mich dann ins Wohnzimmer. "Setz dich. Ich mache uns einen Kaffee", sagt Niall und verschwindet darauf auch gleich in der Küche, setzt den Kaffee auf und kommt dann zurück. "Was ist passiert? Nach dem Foto hätte ich dich eigentlich fröhlicher erwartet", fragt er besorgt und setzt sich neben mich. 

Ich brauche erst den Kaffee, vorher kann ich nicht klar denken. Und als ich ihn dann endlich auf meiner Zunge schmecke, sprudelt es aus mir heraus. Ich erzähle Niall alles, jedes kleine Detail, besonders dass er ja laut Louis nichts davon erfahren soll. Immer wieder nickt Niall, schaut etwas verstört rein und schickt dann ein paar Beleidigungen an Louis.

"Also jetzt nochmal zum Mitschreiben... Louis ist tatsächlich schwul, er wusste von deinen Gefühlen, ihr seid im Bett gelandet, trotz dass er eine Freundin hat und heute Morgen hat er dich abserviert?" - "Naja, nicht ganz. Ich habe keine Ahnung, ob er schwul ist, bisexuell oder das seine allererste Erfahrung mit einem Mann war. Glaub mir, wir haben nur ein paar Sätze miteinander gesprochen, ansonsten hätte ich ihn natürlich gefragt. Du darfst aber Katie nicht vergessen, also... ach keine Keine Ahnung."

"Kam er dir denn, wie eine Jungfrau vor?", fragt Niall und sieht mich dabei neugierig an. "Niall, ich bitte dich, er hat eine Freundin. Natürlich ist er keine Jungfrau. Was allerdings seine Erfahrungen bezüglich Männer angeht... ich weiß nicht, er wirkte sehr sicher mit dem, was er tat", überlege ich und lasse die letzte Nacht Revue passieren. Es fühlte sich toll an, ihm so nahe zu sein, allerdings ging das alles so schnell, eher wie ein One-Night-Stand und nicht wie eine romantische Nacht zwischen zwei Liebenden.

"Und wenn diese... wie hieß sie noch? Katie? Wenn sie einfach nur eine gute Freundin ist? Wohnt sie denn auch dort bei Louis?", will Niall von mir wissen und seufzend lasse ich mich nach hinten fallen. "Ich weiß nicht, ich war den ganzen Abend und auch heute Morgen total abgelenkt. Aufs Klingelschild habe ich nicht gesehen, allerdings sah die Wohnung jetzt nicht so aus, als würde eine Frau dort hausen. Naja, natürlich gibt es auch chaotische Frauen", überlege ich, zucke mit den Schultern und starre in meinen Kaffeebecher.

"Harry! Du hättest hartnäckiger sein müssen, warum hast du ihn das alles nicht gefragt?", empört sich Niall und wirft theatralisch die Arme in die Luft. "Lieber Niall, glaube mir. Ich hatte sowohl gestern Abend als auch heute Morgen andere Dinge im Sinn, als diese Fragen zu stellen", verteidige ich mich. Daraufhin schnaubt Niall und lässt sich ebenfalls zurück in den Sessel fallen.

"So kommen wir nicht weiter. Aber eine Sache musst du mir noch mal erklären. Die Sache mit seinem T-Shirt, das habe ich irgendwie nicht kapiert."

"Tja, so genau kann ich dir das auch nicht sagen, aber ich habe das Gefühl, dass niemand seinen Oberkörper sehen darf. Kannst du dich noch ans Freibad erinnern? Da ist er auch nicht schwimmen gegangen, hat die ganze Zeit sein Tanktop angelassen. Und letzte Nacht... ja, da durfte ich es ihm auch nicht ausziehen, er hat es die ganze Zeit angelassen", informiere ich Niall und runzle selbst die Stirn, da es schon etwas merkwürdig war.

"Vielleicht fühlt er sich zu dick? Und er schämt sich?", vermutet Niall, doch ich lache nur spöttisch. "Dieser... Dieser Körper ist perfekt. Louis spielt Fußball und ist Fitnesstrainer und meine Finger durften schon unters Shirt an seinen Bauch. Glaub mir, da ist kein Gramm Fett sondern lediglich ein paar nette Muskeln", schwärme ich, woraufhin Niall das Gesicht verzieht. Meine Gedanken hängen jedoch noch immer an Louis' Körper, er fühlte sich so gut unter und über mir an. Seine Haut auf meiner war wundervoll und seine Küsse schmeckten unglaublich, trotz dass er getrunken hatte. Und vielleicht hätte ich ihm einfach dieses verdammte Teil über den Kopf zerren sollen. Ich hätte seine Brust zu gerne verwöhnt, wäre mit meiner Zunge hinüber gefahren und...

"Äh Harry... kannst du bitte den Porno in deinem Kopf wieder ausschalten? Ich sehe es schon an deinem Blick, woran du denkst", lacht Niall plötzlich, ich blinzle und mich räuspere. "Sorry", nuschle ich nur, woraufhin mein bester Freund abwinkt. Noch eine ganze Weile sitzen wir hier, frühstücken gemeinsam und am Nachmittag fahre ich dann schließlich auch nach Hause, um den Sonntagnachmittag noch etwas Ruhe zu haben, außerdem muss ich dringend duschen.
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Habt ihr schon gehört, wie das Baby von William & Kate heißt? Der kleine Prinz Louis. Ich musste direkt an unseren Lou denken :)

Habt ein schönes Wochenende, ihr Lieben!

Escape and follow - [Larry-AU]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt