Zweiundvierzig.

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Louis lächelt schüchtern und tippt dann mit seinem linken Zeigefinger auf seinen rechten Ringfinger. "Siehst du das? Kein Ring... es gab keine Hochzeit", klärt Louis mich endlich auf und ich kann nicht in Worte fassen, wie unglaublich froh mich das macht. Ein riesiger Stein fällt mir vom Herzen, den man wahrscheinlich bis nach Tokio hört.

"Es gab keine Hochzeit", wiederhole ich Louis' Worte noch einmal hauchend, um mir deren Bedeutung klar zu machen und Louis schüttelt den Kopf. "Nein, Katie und ich haben sie abgesagt und das bereits Anfang Juni."

"Was hat deine Mutter dazu gesagt?", frage ich nach und hoffe inständig, dass sie die Finger von Louis gelassen hat, da ich sonst wirklich für nichts garantieren kann. "Najaaaa...begeistert war sie nicht gerade. Aber da wir gesagt haben, dass die Absage Katies Wunsch war, kam ich relativ glimpflich davon." Verstehend nicke ich und mustere den Mann, der noch immer vor mir kniet und seine Hände auf meine Knie gelegt hat. Er ist frei, es gibt keine vorgespielte Verlobung mehr und er hat mir seine Gefühle offenbart, dennoch bin ich unsicher, was er jetzt wirklich möchte.

"Ich arbeite zwar immer noch im Fitnessstudio meiner Mutter, aber ich habe mich woanders beworben, habe allerdings noch keine Zusage. Im Falle eines Outings würde ich bei meiner Mutter meines Lebens nicht mehr froh werden." - "Im Falle eines Outings?", hake ich nach und hebe eine Augenbraue. Louis schluckt und schaut mich zögerlich an. Er wendet den Blick ab und beäugt die in diesem Moment scheinbar super interessante Bank, seine Augen huschen von einem Fleck zum anderen, doch er schweigt. "Louis... sieh mich an", bitte ich ihn, "Was meinst du damit?"

Da er weiterhin keine Anstalten macht, irgendetwas zu sagen, lege ich sachte eine Hand an sein Gesicht und drehe es vorsichtig wieder zu mir, damit ich ihn aufmunternd anlächeln kann. Für einen Augenblick schließt er die Augen und holt tief Luft, ehe er mich wieder anblickt. "Ich würde mich outen, allerdings nur...", wieder unterbricht er sich und beißt sich verlegen auf die Unterlippe. "Allerdings nur mit dir zusammen", flüstert er. Mein Herz setzt aus. Heißt es wirklich das, was ich denke? Ist das gerade die Wunschäußerung gewesen, dass er eine Beziehung mit mir möchte?

"Also nur wenn du möchtest?", schiebt er noch fragend hinterher und schaut mich erwartungsvoll an. Ob ich möchte? Was für eine Frage... natürlich, denn nichts habe ich mir in den letzten Monaten mehr herbeigesehnt. Was mir jedoch Bauchschmerzen bereitet, ist, dass er hier in England lebt und ich in Hamburg. Zwar würde ich ihn jederzeit mit in meiner Wohnung leben lassen, allerdings weiß ich nicht, ob er bereit ist, mitzukommen - immerhin hat er sich hier nach neuen Jobs umgesehen. Und vor einer Fernbeziehung habe ich wirklich Angst und ich weiß auch nicht, ob ich das möchte und überstehen würde.

"Wie stellst du dir das vor? Du bist hier und ich in Hamburg", gebe ich zu bedenken und versuche aus seinem Gesichtsausdruck irgendwas zu lesen, doch er bleibt unleserlich. An meinen Knien spüre ich leicht seine zittrigen Hände, wodurch ich davon ausgehe, dass er genauso nervös wie ich ist, als er sich räuspert. "Also... wenn...wenn du möchtest und... wenn... wenn ich darf... und dein Angebot noch steht... dann... also nur, wenn das für dich okay ist... würde... würde ich mit nach Hamburg kommen? ... also nur, wenn du wirklich willst", stottert er und ich muss mir ein Grinsen verkneifen, weil es ja doch irgendwie niedlich ist, wenn er so unsicher ist. Natürlich wäre auch das für mich, mehr als nur schön, wenn er mich nach Deutschland begleiten würde. Das ist alles, was ich mir in den letzten Wochen gewünscht habe.

Langsam aber weiterhin mit fester Miene nicke ich: "Wie kann ich mir sicher, dass du es ernst meinst, Louis? Dass du mich nicht wieder fallen lässt? Dass du mich nicht wieder enttäuscht und verletzt? Ich habe mich mehr als einmal von dir verarscht gefühlt." 

Louis zuckt zusammen, als hätte ich ihm gerade wirklich eine Ohrfeige verpasst und gefühlt wird er noch kleiner. Er verzieht das Gesicht, kneift die Augen zusammen und schüttelt heftig den Kopf. "Ich war immer ehrlich zu dir, Harry. Also ehrlich in der Hinsicht, dass ich dir immer gesagt habe, dass es nicht klappt und dass ich nicht mit dir zusammen sein kann. Kein einziges Mal habe ich dir damals gesagt, dass ich es mir vorstellen könnte. Mein Leben lang wurde mir immer wieder eingeprügelt, dass ich nichts mit einem Mann haben darf und auch ich selbst, habe mir eine Beziehung verboten, obwohl mir im Inneren natürlich immer klar war, dass ich schwul bin. Es tut mir leid, dass ich das alles nicht von heute auf morgen hinter mir lassen konnte... Aber jetzt bin ich bereit dazu. Ich will von meiner Mutter weg und ich will von meiner Vergangenheit weg... Ich will mit dir sein, ich möchte dich Meins nennen können und ich wünsche mir, dass ich auch Deins sein darf... Ob hier oder in Hamburg, wo auch immer du in Zukunft sein wirst, da will ich auch sein... Ich kann dir nicht versprechen, dass es immer einfach mit mir wird, aber ich kann dir versprechen, dass ich mein Bestes geben werde, dass ich hinter und zu dir stehe, dass ich dich mit jeder Faser meines Körpers lieben werde, dass ich dich mit allem Respekt, den du verdienst behandeln werde und dass ich für dich da bin, wenn mal schlechte Zeiten anstehen... Harry, ich bitte dich vom ganzen Herzen um Entschuldigung. Bitte verzeih mir, dass ich dich hab gehen lassen, dass ich dich von mir gestoßen habe und dass ich dich immer wieder verletzt habe. Aber genauso bitte ich darum, dass du mir noch eine Chance gibst, denn der Gedanke an dich macht mich wahnsinnig... Ich will dich... Immer." War sein Ton am Anfang noch ernst und fest, so wurde seine Stimme zum Ende hin immer weicher, bittender und flehender. Sprachlos starre ich ihn an, denn seine Worte berühren mich so sehr, dass der eben besiegte Tränenfluss nun wieder allgegenwärtig ist. Auch über Louis Wangen rollen erneut Tränen, die er sich vergeblich versucht wegzuwischen.

Nie hätte ich erwartet, dass ich so ehrliche Worte von Louis gesagt bekomme. Vor allem ein Satz hat sich direkt in mein Gehirn gebrannt: Es tut mir leid, dass ich das alles nicht von heute auf morgen hinter mir lassen konnte. Ich schlucke, denn irgendwie wird mir in diesem Moment erst so richtig bewusst, wie heftig das alles für ihn gewesen sein muss. Es ist ja nicht so, dass wir monatelang Zeit hatten, um uns kennen zu lernen oder Louis sich irgendwie an die Situation hätte gewöhnen können. Nein, ich Volldepp zwinge ihn nach einem Monat dazu, seine größte Schwäche preiszugeben und versuche ihn zu überreden, auszuwandern. "Es tut mir leid", hauche ich fassungslos über mein eigenes Verhalten. Ich war so geblendet von meinen Gefühlen, dass ich Louis unbedingt für mich haben wollte. Natürlich will ich das immer noch, aber wie ich mich damals benommen habe, war echt daneben.

Louis stößt einen überraschten Luftstoß aus und leicht panisch blickt er mich an. "Du... willst nicht", flüstert er, als wäre es eine Feststellung. "Nein, nein. Also doch!", schnell greife ich zu seinen Händen, halte sie fest in meinen, damit er mich nicht falsch versteht, "Es tut mir leid, wie ich mich verhalten habe. Ich hätte dich nicht so in die Enge treiben sollen", wispere ich und schaue ihm dabei in die Augen. Einen Moment ist es still, dann deutet er ein leichtes und schüchternes Lächeln an: "Also heißt das ja?"

"Ja! Oh Gott, ja! Und jetzt komm endlich hoch vom Boden, du Idiot!", grinse ich und ziehe Louis zu mir auf die Bank.

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Hallelujah!

Larry!

Und jetzt habt einen tollen Start ins Wochenende, ihr Lieben :) 

Escape and follow - [Larry-AU]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt