Sieben.

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"Gibt es eigentlich etwas Neues von deinem Stecher aus dem Internet?", fragt Liam wie beiläufig, als wir am Donnerstag im Büro sitzen und gemeinsam im Aufenthaltsraum frühstücken. "Er ist doch nicht mein Stecher. Wir schreiben nur ein wenig, er ist ganz nett", informiere ich ihn.

"Ganz nett? Wollt ihr euch Mal treffen?" Liam schiebt sein graues Essen von links nach rechts und von oben nach unten, rümpft dabei die Nase. "Liam, ich schreibe gerade mal ein paar Tage mit Nick. Da denk ich doch noch nicht ans Treffen", gebe ich vor, doch eigentlich wäre ich einem Treffen gar nicht so abgeneigt. Meine Bedürfnisse könnten mal wieder von jemand anderem als meiner Hand gestillt werden.

"Na, wenn du meinst. Kommst du heute wieder mit zum Sport?" Seufzend lege ich mein Besteck auf die blaue Tischdecke und schüttle den Kopf. "Ich war nur einmal mit wegen der Wette. Denk mal nicht, dass ich da jetzt Stammmitglied werde", pflichte ich ihm bei. "Ach komm schon. Das hat doch voll Bock gemacht, du kannst mir nicht sagen, dass du keinen Spaß hattest."

Ich greife zum Teller, stehe auf und kippe meinen Rest in den Mülleimer. Ja, er hat schon Recht, Spaß hatte ich. "Ich habe aber keine Lust, mich für zwei Jahre an einen Vertrag zu binden, nur um dann nach zwei Wochen nicht mehr hinzugehen", versuche ich es trotzdem. Liam steht ebenfalls auf und wirft sein Essen weg, das Kantinenessen war schon Mal deutlich besser. "Tja Harry, wie gut, dass es aktuell ein Angebot aufgrund des Jubiläums gibt. Du kannst die Flex-Variante zum gleichen Preis wie einen 24-Monatsvertrag abschließen. Also wenn du nicht mehr gehen willst, kannst du jederzeit zum Monatsende kündigen", erwidert mein Kollegen und kommt mir dabei wie ein Staubsaugervertreter vor.

Jetzt gehen mir langsam die Argumente aus und ich knicke ein: "Meinetwegen." Vor Verwunderung lässt er fast sein Glas fallen und vollführt dann einen halben Freudentanz. "Geil! Endlich nicht mehr alleine beim Pumpen", freut er sich mit erhobener Faust, woraufhin ich die Augen verdrehe.

Direkt am gleichen Tag überredet er mich tatsächlich noch ins Studio zu gehen. Und so sitzen wir ein paar Stunden später auf den Fahrrädern im Ausdauerbereich. Auf meinen Ohren liegen die Kopfhörer mit schnellen Beats, bis wir ausreichend aufgewärmt sind. Gemeinsam gehen wir in den Hantelbereich, Liam beginnt und legt sein Handtuch als Unterlage auf die Bank. Während er die Langhantel stemmt, entdecke ich in den zahlreichen Spiegeln Louis. Er steht am Tresen, hat einen Ordner vor sich aufgeklappt und trägt dort etwas ein. Seine Haare sind heute gekonnt verwuschelt und ich muss etwas schmunzeln, als er nachdenklich auf seinem Kugelschreiber kaut. Mein Blick wandert seinen Körper hinunter und wieder muss ich mir eingestehen, dass ich diesen Kerl wirklich attraktiv finde.

"Hörst du mir überhaupt zu, Harry?" Liam zieht die Aufmerksamkeit auf sich und ich muss blinzeln, um ihm wieder folgen zu können. "Was hast du denn da Spannendes gesehen?", fragt er, beugt sich vor, um auch in den Spiegel schauen zu können und bekommt große Augen. "Ne oder? Sag nicht, du stehst auf Tomlinson." Schnell schaue ich mich um, ob das jemand gehört haben könnte, aber die anderen Mitglieder sollten weit weg genug sein, um nichts verstanden zu haben. "Was? Quatsch, natürlich nicht."

"Gut, ich dachte schon. Wäre auch blöd, wir haben ja gestern gesehen, dass er eine Freundin hat", sagt er erleichtert und macht dann die Bank frei, damit ich die Übungen ausführen kann, während er schon weiter zieht. Schnell lege ich mein Handtuch rauf und lege mich dann rücklings hin, während meine Gedanken noch bei Louis sind. Eigentlich schade, dass er eine Freundin hat, er ist ganz niedlich. Wir hätten bestimmt eine Menge Spaß haben können. Seufzend schüttel ich meinen Kopf, versuche so mein Hirn auszuschalten und mich stattdessen auf die Übung zu konzentrieren - doch vergebens.

"Du hast eine falsche Haltung. So wirst du keine Erfolge haben", höre ich die helle Stimme in einer barschen Tonlage sagen. Stirnrunzelnd lege ich vorsichtig die Langhantel ab und richte mich dann auf. Louis steht vor mir und sieht mich einfach nur an. Also freundlich ist er ja nicht unbedingt. "Aha. Und was mache ich genau falsch?"

Louis zieht die Augenbrauen zusammen und verschränkt die Arme vor der Brust. "Hast du bei der Einweisung nicht aufgepasst?" Ich komme mir vor wie ein kleiner Junge, der von seinem Vater für sein böses Verhalten ausgeschimpft wird. "Sorry, aber ich hatte keine. Liam hat mir alles gezeigt", erwidere ich daher nun auch etwas genervter. "Den sehe ich hier aber gerade nicht. So hättest du nicht trainieren sollen."

"Ich hab's kapiert. Dann zeig mir doch, wie ich es richtig mache." Er seufzt, nickt dann aber. "Leg dich wieder auf den Rücken, ich korrigiere dich." Ich mache, was er mir sagt, umfasse die Stange und warte auf seine Anweisung. Kaum bin ich in Position, spüre ich auch schon seine Hände an meinen Fußknöcheln. "Du hast die Beine zu weit ausgestreckt, stelle sie in einem 90 Grad-Winkel auf", sagt er zunächst, führt meine Beine an den richtigen Fleck. 

Anschließend steht er auf und stellt sich hinter meinen Kopf, legt seine Hände auf meine und schiebt diese etwas zur Seite. "Außerdem musst du die Hantel etwas breiter als schulterbreit umgreifen, deine Hände sind viel zu nah aneinander... So ist es richtig. Und aus dieser Position heraus, lässt du die Hantel langsam herab, indem die Ellenbogen gebeugt werden. Kurz vor der Brust stoppst du, legst die Hantel aber definitiv nicht ab. Danach drückst du das Gewicht wieder langsam und kontrolliert nach oben, ohne dabei die Ellenbogengelenke ganz durchzustrecken. Bekommst du das hin?"

Ich nicke und presse die Lippen aufeinander, denn zum Sprechen bin ich gerade nicht in der Lage. "Wie hast du das Gewicht bestimmt? Schaffst du die Wiederholungen? Ansonsten würde ich mit weniger Gewicht beginnen", zischt er noch mahnend hinterher und am liebsten hätte ich die Augen verdreht, doch in diesem Moment bin ich zu konzentriert auf das Gewicht über mir. Es ist gerade mal die dritte Wiederholung, ich kann doch nicht jetzt schon schlapp machen. "Harry...", sagt er mahnend. Oh wow, er hat sich meinen Namen gemerkt. "Harry, leg das Gewicht bitte ab. Du kannst dir sonst eine Verletzung zuziehen."

Seine Stimme ist grantig, doch vielleicht hat er wirklich Recht, also drücke ich die Stange angestrengt hoch und lege sie dann ächzend wieder in die vorgesehene Halterung. Meine Brust hebt und senkt sich angestrengt und aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Louis missbilligend mit dem Kopf schüttelt und an den Gewichten hantiert. Ich würde ja gerne etwas sagen, aber ich weiß gerade nicht was, also schaue ich ihm einfach nur dabei zu, wie er die schweren Gewichtsscheiben austauscht.

"So, versuche es jetzt noch einmal", bittet er mich und tatsächlich klappt es dieses Mal schon um einiges besser. "Wichtig ist, dass du erst einmal die Technik sauber ausführst. Wenn du das kannst, kannst du das Gewicht erhöhen."

 "Okay danke... Louis", sage ich langsam dieses Mal etwas freundlicher und schaue ihn von unten herauf an. Er nickt und winkt ab. "Solltest du noch einmal Schwierigkeiten, sag einem Trainer Bescheid."

"Werde ich machen." Kurz kontrolliert er noch meine restlichen Wiederholungen, ehe er sich dann umdreht und sich wieder an die Arbeit macht.

Ich schaue ihm hinterher, wische dann aber meine schwitzigen Hände an meiner Hose ab, ehe ich mich wieder an die Übung mache. Das merkwürdige Gefühl in meiner Brust, welches mit Sicherheit von der Anstrengung kommt, ignoriere ich dabei.
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Habt ein tolles und sonniges Wochenende, ihr Lieben. Ich werde jetzt den Garten etwas aufhübschen ;)

Escape and follow - [Larry-AU]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt