Ich werde mit einem Hai verwechselt

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Vor mir saßen etwa drei Dutzend abgemagerte Männer, die Flaschen gefüllt mit Ambrosia in der Hand hielten und deren Wangen von dem alkoholhochwertigen Getränk glühten. Am Kopf des Tisches saß jedoch kein Mann. Es war eine Frau. Sie war ungefähr meines Alters, vielleicht etwas älter, ihre Haare waren dunkelblond und ihre Augen eisblau. Sie starrte mich berechnend an, ihr Blick strahlte keinerlei Liebenswürdigkeit aus. Etwas mysteriöses haftete an ihr. "Tritt ein", befahl sie mit kräftiger Stimme. Ich tat wie gesagt. Sie deutete auf den Stuhl neben ihr und ich machte mich rasch auf den Weg. Ich wollte diese Lady (fürs erste) nicht verärgern. Alle Augen lagen auf mir, warteten wie hungrigen Hyänen auf einen falschen Schritt, eine unüberlegte Tat.

Als ich endlich saß, blickte ich mich erst einmal um. Goldene Kronleuchter hingen an der Decke, was mich darauf schließen ließ, dass sie nicht arm waren. Allerdings waren alle hier relativ dünn, was bedeuten konnte, dass sie das entweder schön fanden oder nicht genug zu essen hatten. Alle trugen Halstücher auf ihrem Kopf, nur die Frau nicht, sie trug einen Hut, weshalb ich annahm, dass sie der Chef war. Jack, der sich auf der anderen Kopfseite ausgebreitet hatte, trug einen kleinen Stern auf seinem Tuch, also war er wohl der erste Maat. Der Tisch war reich gedeckt und die Piraten schlangen nach kurzem Zögern alles in sich hinein, als wäre das ihre erste Mahlzeit seit langem. Vielleicht war sie das ja. Alle trugen allerdings brandneue und geschliffene Waffen, ich sah Knarren, Säbel und FBI-Pistolen. Seltsam. Ich dachte, Letztere wären ohne Ausnahme vernichtet worden? Irgendetwas konnte hier nicht mit rechten Dingen zu gehen. Und die Bewegungen, die die Männer machten, waren eindeutig zu schnell, um menschlich zu sein. Sie waren wohl tatsächlich allesamt Demirobots. Nicht nur Jack. Es war schlimmer als in meinen schlimmesten Albträumen. Der Begriff Demirobot wurde abgeleitet von dem englischen Wort "demigod", was so viel bedeutete wie "Halbgott". Diese Kreaturen hier waren allerdings "Halbroboter". Eigentlich waren es ja keine Roboter, das unwissende Volk hatte sie so genannt. Denn, um für den 3. Weltkrieg zu rüsten, hatten die Menschen Roboter erfunden, die schneller, stärker, größer, klüger und mächtiger waren als wir. Innerhalb des 3. Weltkrieges waren Wissenschaftler darauf gekommen, die DNA von Menschen zu verändern, damit sie genauso stark werden würden wie die von ihnen erfundenen Roboter und um den Krieg zu gewinnen. Allerdings hatten die Experimente so vielen Menschen das Leben gekostet, dass die "Regierung" gefordert hatte, das Projekt einzustellen. Ein paar Wissenschaftler hatten dann allerdings diese Forschungen und Versuche weitergeführt, doch als sie zum Durchbruch kamen, wurden sie entdeckt und verhaftet. Es gab allerdings dann genug Demirobots, die sich dann "vermehrten". Es gab nicht mehr viele dieser Art, aber die, die es gab, wurden gefürchtet. Gefürchtet und gejagt, die Menschen wollten nicht, dass irgendjemand ihnen überlegen war. Die ursprünglichen Roboter wurden bereits beseitigt, aber es gab noch zu viele Demirobots.

"Und", fragte plötzlich eine belustigte, aber kalte Stimme neben mir, "was hat dein kleines, nettes Gehirn deduziert?" Ich drehte mich zu der Kapitänin. "W-was meinen Sie?" "Ach komm, ich hab doch gesehen, wie dein süßer Kopf gerattert hat." Süß? Also wirklich. "Nun?" Sie ließ wohl nicht locker. "Das geht Sie nichts an", sagte ich aufmüpfig. Sie hob eine Augenbraue. Wir starrten uns eine Weile an, aber keiner von uns beiden wollte nachgeben. Bis einer der Männer rief: "Käpt'n? Warum haben Sie diese Göre eigentlich aus dem Wasser gezogen?" Ich erstarrte. Das hatte mir gerade noch gefehlt. Ich hatte ihr mein Leben zu verdanken? "Nun, mein lieber Clifford, jedes Lebewesen ist wichtig." Für eine Sekunde war Stille, dann fügte sie hinzu: "Außerdem dachte ich, sie wäre der Hai." Die gesamte Männerschaft fing an loszubrüllen, ich fand das allerdings überhaupt nicht lustig. Beleidigt verschränkte ich die Arme. Ein amüsiertes Lächeln kräuselte sich auf den Lippen des Käpt'ns. Sie zwinkterte mir zu und stand dann auf. "Jack, das Mädchen schläft in deiner Nähe, verstanden? Wenn sie das nicht will, kann sie beim Küchenjungen schlafen", sagte sie mit einem Blick zu mir. Jack grinste dreckig. "Ich bevorzuge den Küchenjungen", sagte ich schnell. "Dachte ich mir", antwortete die Frau und zog mich hoch. "Johannes?", rief sie mit lauter Stimme. Ein verschüchterter Junge, der etwas jünger als ich sein musste, erschien im Türrahmen. "Ja, Käpt'n?" "Sie hier", sie stieß mich zu ihm, "schläft ab jetzt bei dir." Johannes nickte eifrig. Ich musste fast lächeln. Süß.

"Komm!", sagte er grinsend. Bevor ich ihm folgen konnte, packte der Käpt'n mich am Arm. "Johannes ist der einzige hier, der noch nichts von der bösen Welt da draußen weiß und du wirst das nicht ändern, verstanden?" Sie betonte das letzte Wort scharf. "Aww, kommt da der Mutterinstinkt hervor?", erwiderte ich grinsend. Der Griff um meinen Arm verstärkte sich. "Au, au- na gut, na gut." Schmerverzerrt zog ich meinen Arm weg und sie ließ mich zufrieden los. "Ach und-", sie grinste fies, "das bedeutet natürlich, dass du auch in der Küche helfen musst." Sie wandte sich um und nahm wieder Platz. Innerlich stöhnte ich. Das kann ja heiter werden...

She saved me from the storm | ✅Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt