Ha! Gayyy!

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"Du bist ein Erfinder?!" Er kicherte wieder. Ich hatte aufgehört zu hämmern. "Ja. Ich war mal ein sehr intelligenter Mann. Aber dann hat dein netter Vater mich völlig isoliert da unten eingesperrt. Zuerst fand ich es schön. Ich konnte rumexperimentieren. Aber dann wurde es langweilig. Und dann hab ich realisiert, dass ich ganz alleine bin. Hihi. Und niemand hat mich vermisst." "Oh Tom..." Er winkte ab. "Jetzt tut es weniger weh." Für einen kurzen Moment war er ganz stumpf, alle Gefühle waren weg und er starrte mich einfach an. Dann kehrten die Züge wieder in sein Gesicht zurück und er kicherte.

"Und...haben wir einen Namen?" Er schüttelte den Kopf. "Soweit ich weiß nicht. In eurem Fall waren wir wohl nicht sehr erfinderisch." Ich nickte lächelnd. "Können alle fliegen?" Er kicherte. "Neee. Ihr habt alle verschiedene Kräfte. Ihr könnt all das, was Menschen immer können wollten, aber nie konnten. Zum Beispiel Fliegen. Oder mit Tieren sprechen. Son Zeugs." "Leben die, die geflohen sind, noch?", fragte ich vorsichtig. Er sah mich kurz mit hochgezogenen Augenbrauen an. Dann schüttelte er den Kopf. "Was hat der König dir erzählt?" Ich sah zu Boden. "Dass...meine Mutter und er ihre Differenzen hatten und sich deshalb getrennt haben." Er lachte verbittert. "Niedergemetzelt trifft es eher. Ich habe ihrer Enthauptung beigewohnt." Ich starrte ihn entsetzt an. "Als er herausgefunden hat, dass sie so war, hat seine Majestät behauptet, sie hätte ihn verführt und wollte ihn töten. Sie hat die ganze Zeit geweint. Ich glaube, sie hat ihn wirklich geliebt. Was für ein naives Kind. Der König hatte dich auf dem Schoß, als es geschah. Er hat dich gezwungen zuzusehen, natürlich hast du nicht verstanden, was geschah. Du warst drei. Aber auch du hast geweint. Du hast es gespürt. Das war das letzte Mal, dass ich dich gesehen hab. Ich wusste allerdings damals schon, dass du anders werden würdest. Du bist nicht nur ein Hybrid und somit immun gegen Toxicus Ferrum, wie wir unter Experten das "Gifteisen" gegen die Demirobots und deine Art nennen, sondern du bist menschlicher als jeder Mensch, den ich kenne. Außerdem bist du lesbisch." Er kicherte. "Gayyyyyy!" Ich starrte ihn verwirrt an. Das letzte hatte mich sehr durcheinander gebracht. "Was zur- hast du mich nicht vorhin mit Brosnan-" "Tschüssiiii!" Und schon war er verschwunden. Schräg.

Nachdem ich das Brett fertig befestigt hatte, ging ich wieder nach oben. Brosnan winkte mich zu ihm und ich stieg die Treppen hoch auf die Plattform. "Hallo Prinzessin, du weißt ja noch, wie wir vorhin fast gekentert wären, weil da so ein dummer Stein war, oder?" Ich nickte. "Ja, also, wo so ein großer Stein ist, muss auch eine Insel sein. Ich hoffe, ich habe in deinem Einverständnis gehandelt, denn ich bin daran vorbeigesegelt. Sie schien unbewohnt und wir haben zu dritt genug Proviant für ein Ja- Sekunde. Hast du den Anker nicht gelichtet?!" Ich erstarrte. "Und ich wundere mich, warum wir so langsam sind! Trottel!" Er drückte mir das Steuer in die Hand und ging schnell zum Anker.

Alleine konnte er ihn nicht einholen. Für ein paar Minuten verschwand er deshalb unter Deck und kam dann mit einem kurbelmäßigen Ding wieder hinauf. Er zog mit Leibeskräften ein Stück der Kette auf die Kurbel und kurbelte dann, bis der Anker gelichtet war. Erstaunt sah ich ihm dabei zu. Damit wäre das Problem mit dem Anker wohl gelöst. Plötzlich machte es einen Ruck und ich wurde mit voller Wucht nach hinten geschleudert. Mein Kopf prallte zum zweiten Mal an diesem Tag gegen hartes Metall und ich fluchte laut, während ich mir den Kopf hielt. Der Schwung der plötzlichen Geschwindigkeit hatte mich umgehauen.

Ich rappelte mich auf und ging wieder zum Steuer. Jetzt war es sogar noch schwerer zu lenken. "Brosnan, kannst du-" Der lag mit blutendem Kopf und geschlossenen Augen neben seiner Kurbel. "Ach sch- Tom! Tom!! TOM!" Der Mann kam ganz lässig die Treppen hinauf. "Jaja, schrei doch nicht so, ich hör dich ja, ich hör dich ja. Was gibts?" "Nimm das Steuer! Einfach geradeaus halten!" Er kicherte. "Jawohl, Käpt'n!"

Ich holte eilig eines der kleineren Segel ein, damit das Schiff langsamer fuhr. Zumindest fürs erste. Ich wusste nicht einmal, wo wir hinfuhren. Einfach nur weg? Wir konnten ja nicht ewig fahren. Irgendwann mussten wir anhalten. Aber wann? Wo? Und vor allem...wie? Wir waren überall gesucht. Ich seufzte, als ich Brosnan auf meine Schultern hievte und ihn vorsichtig nach unten trug. Vielleicht hätten wir doch an dieser Insel anlegen sollen. Diese Reise hat kein Ziel. Ich legte ihn schnell auf irgendein Bett und verband ihm behilfsmäßig den Kopf. Ich strich ihm vorsichtig das Haar aus dem Gesicht. Auf seine Art und Weisw qar er wirklich hübsch. Er hatte glatte, braune Haut, einen netten Stoppelbart und lockige Haare. Er hatte das hier am aller wenigsten verdient. Er sollte zuhause sitzen und mit Pierce seinen Tee schlürfen. Er mochte am liebsten Ingwertee. Daran erinnerte ich mich noch, denn als ich jünger war, wollte er unbedingt, dass ich ihn probierte. Ich hatte zwanzig Minuten später immer noch gekotzt. Ich lachte leise. Seitdem hat sich so viel verändert...

Am Abend saßen wir draußen vor einem Lagerfeuer. Wir hatten eine große Metallschüssel aufgestellt und mit Holzscheiten, ein bisschen Papier und einem Feuerzeug Feuer gemacht. Es war kalt geworden, wir waren aber noch nicht müde. Tom hatte gerade Steuerdienst und wir glitten leise wie ein Geist über das Wasser. Das war es. Das war das, was ich vermisst hatte. Den Frieden. Die letzten paar Tage war Frieden für mich ein Fremdwort gewesen. Jetzt, wo ich wieder die unendlichen, sanften Weiten des Meeres spürte, fühlte ich mich endlich wieder wie zuhause.

Brosnan, dessen Kopf immer noch eingewickelt war, saß mir gegenüber und wärmte sich die Hände. Wir waren beide in Decken eingehüllt. Auch Tom hatte natürlich eine Decke, aber ich hatte das Gefühl, es war ihm egal, ob er fror oder nicht. Er hatte schon längst aufgegeben, auch, wenn er es nicht zugeben wollte. "Es tut mir leid", sagte Brosnan plötzlich. Ich sah ihn fragend an. "Dass ich dich umbringen wollte", sagte er verlegen. Ich lachte leise. "Alles gut. Ich versteh das. Dein Herz war gebrochen. Ich glaube, ich würde noch viel schlimmer reagieren, wenn jemand den Käpt'n umbringen würde. Und mir tut es auch leid. Ich hab Pierce wirklich gemocht, aber..." "Sie hast du geliebt", vervollständigte er meinen Satz. Ich nickte. "Beziehungsweise du liebst sie." "Ja. Es ist seltsam. Ich hab diese Worte schon zu ihr gesagt. Aber für sie scheinen sie keinerlei Bedeutung zu haben oder zumindest ignoriert sie sie. Vielleicht...vielleicht mag sie mich gar nicht." Brosnan schüttelte den Kopf. "Das glaube ich nicht. Du musst ihr ein bisschen Zeit geben. Aber meine Worte können dich nicht beruhigen." Er stand auf und legte einen Arm um mich. "Wenn du sie wiedersiehst, können ihre Worte es aber." Wohl eher falls ich sie wiedersehe...

She saved me from the storm | ✅Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt