Ich baue Mist

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Irgendjemand riss mich zur Seite, hob mich hoch und trug mich bis zu einem Baum. Ich wurde auf den Boden fallen gelassen und Brosnans Gesicht tauchte vor mir auf. Er war schweißgebadet und sah mich wütend an. Da packte er mich am Kragen. "Hör mir mal zu, du Memme. Das hier ist kein Abenteuer. Es ist kein Märchen, in dem die holde Maid gerettet wird und es ist vor allem keine Heldengeschichte, in der es Gut und Böse gibt. Es gibt nur Krieg. Und wenn du damit nicht klar kommst, dann gehörst du nicht auf den Thron. Also reiß dich zusammen und-" Er hielt plötzlich inne. Dann drehte er sich um. Ich folgte seinem Blick und sah Tom inmitten von kämpfenden Menschen leblos am Boden liegen. Er blutete aus den Ohren und seine Augen waren verdreht. "TOM!", schrie Brosnan panisch und ließ mich los. Er rannte zu seinem Partner. Ich rappelte mich auf und betrachtete voll Grauen das Szenario, das sich vor meinen Augen abspielte: Brosnan brüllte auf Tom ein, er solle seine Augen öffnen, rüttelte an ihm und gab ihm eine Ohrfeige, während Tom sich nicht bewegte. Da sah ich den Mann, der neben den beiden stand und grinste. Er hob eine seltsame Waffe, mit der er auf Tom geschossen hatte, um auch noch Brosnan den Garaus zu machen. Und plötzlich war mir egal, wer sah, dass ich Kräfte hatte. Meine Flügkünste übernahmen und in (zumindest wie es mir vorkam) Lichtgeschwindigkeit schnellte ich auf den Typen zu. Der konnte gerade noch seinen Blick auf mich richten, ehe er und zwei unglückliche Soldaten von mir mit voller Wucht gegen die Wehrmauern geworfen wurden. Als sie fielen, wurden sie von den Pflöcken am Boden aufgespießt. Ich landete gerade so auf den Füßen, direkt vor dem Graben. Wieder wanderte mein Blick nach oben, aber der König war verschwunden.

Ich drehte mich um und rannte zu Brosnan, der Tom mittlerweile aus dem Getümmel gezogen hatte. Tränen strömten über seine Wangen und er wiegte sich verzweifelt vor und zurück, Toms Kopf auf seinem Schoß. "Nicht nochmal, nicht nochmal, nicht nochmal", schluchzte er, als wäre das das einzige, das ihn bei Sinnen halten könnte. Ich kniete mich neben ihn, er aber fauchte: "Geh weg. Geh weg! Du hast schon genug angerichtet!" Ich zuckte zurück, ging aber nicht. Stattdessen legte ich meinen Zeige- und Mittelfinger an Toms Halsschlagader. Ich hielt inne. "Puls. Brosnan, da ist ein Puls." Brosnan erstarrte und versuchte es selbst. Dann hellte sich sein Gesicht auf und er stieß einen Freudenschrei aus. "Hol einen Arzt", schrie er mich da an. Ich nickte, stand auf und stolperte zurück, während er begann, auf Tom einzureden. Ich hörte nur den Satz: "Ich liebe dich und du hast recht, ich will mir wirklich die Haare lang wachsen lassen."

Ich fokussierte mich wieder auf das Schlachtfeld. Auf gut Glück rief ich: "Ich brauche einen Arzt!" Sofort löste sich der Käpt'n aus der Menge. "Wieso?", rief sie, während sie auf mich zu lief. "Bist du verletzt?" Sie scannte mich von oben bis unten, aber ich schüttelte den Kopf. Ich trat zur Seite und gab ihr den Blick auf Tom frei. Auf ihren Gesicht lagen gemischte Gefühle. "W-wir haben keine Zeit, jeden während dem Kampf zu verarzten, ich-" "Achso, aber wenn ich es bin, dann schon?!" "Atlas-" "Er könnte sterben!", schrie ich. Da wurde der Blick des Käpt'ns stumpf. "Das könnten wir alle." Dann drehte sie sich um und stürzte sich auf den nächsten Soldaten. Entsetzt starrte ich ihr hinterher. Und da wurde mir zum ersten Mal klar, dass ich hier alles und jeden verlieren könnte.

Gott sei Dank kam es nicht so weit. Irgendwann ertönte eine Fanfahre und die Männer und Frauen meines Vaters zogen sich zurück. Und wir ließen sie. Ich wusste gar nicht, was ich tun sollte. Überall hasteten Menschen mit Verbänden, Tüchern voller Blut oder Wassrreimern umher und ich stand da und fühlte mich nutzlos. Brosnan war mit Tom im Krankenzelt, Johannes half mit den Verbänden, Sasoriza bellte Befehle, Olivia und der Käpt'n redeten unablässig auf die Verletzten oder Sterbenden ein, versicherten ihnen, dass es nicht umsonst war und dass sie die Helden dieser Geschichte wären und ich stand da und wunderte mich, warum sie etwas von Geschichten erzählten. Denn Brosnan hatte recht. Das hier war keine glohrreiche Geschichte, wie sie im Buche stand. Ich konnte Menschen sterben sehen. Ich konnte Menschen sehen, deren Familien zuhause sitzen und trauern würden, weil der geliebte Vater oder die geliebte Tochter nie zurückgekommen war. Und ich konnte Menschen sehen, die verzweifelt versuchten, eben diesen Menschen nur einen Funken Hoffnung einzuhauchen, der in ihnen selbst schon erloschen war. Denn wenn man starb, dachte man nicht daran, dass es für eine große Sache war oder dass die zukünftigen Menschen sie ehren würden. Man dachte vermutlich nur: Scheiße. Ich dachte, ich hätte noch Zeit.

Und in diesen ganzen Filmen und Büchern und Märchen. Da gewann immer das Gute am Ende. Der Protagonist lernte seine Lektion und sie lebten glücklich bis ans Ende ihres Lebens und niemand sprach über die Menschen, deren Leben das gekostet hatte oder machte sich Gedanken darüber, wie an es vermeiden hätte können oder wenigstens, wer sie waren.

Und all das fiel mir hier ein, in diesem Moment und ich fühlte mich nutzlos. Ich stand hier und dachte. Während all diese unschuldigen Menschen für etwas starben, wofür mein Vater verantwortlich war. Ich biss mir auf die Unterlippe. Dann drehte ich mich um und tat etwas. Ich tat etwas, das ich schon vor langer Zeit hätte tun sollen: Ich stellte mich meinem Vater entgegen. Ich rannte auf die Mauer zu und blieb kurz vor den Pflöcken stehen. "Hey!", rief ich aus voller Lunge. Circa zwei Dutzend Augen glotzten mich von oben an. Und mindestens noch ein Dutzend aus dem Lager. Mein Name ist Atlas Peloponnesis von Hesperidos, ich bin die Prinzessin von euch Ärschen hier und ich würde gerne eine Audienz bei meinem hochwürdevollsten Vater erbitten", sagte ich mit einem sarkastischen Unterton in der Stimme. "Du hattest immer schon einen Hand zum Dramatismus, du kleines Biest", rief mir da eine bekannte Stimme von oben zu. Der oberste Berater des König fügte hinzu: "Und jetzt scher dich zurück zu deinem ekelhaften Rebellen-Pack. Oder, ich schwöre dir, wir schießen." Ich straffte meine Schultern. "Erst, wenn ich mit dem König gesprochen habe." "Wie du willst. Sch-" "Stopp!" Ich zuckte wegen der lauten Stimme an meinem Ohr zusammen und drehte mich um. Der Käpt'n stand neben mir und hatte die Hände erhoben. "Nicht schießen! Wir gehen!" "Was machst du denn?", flüsterte ich wütend. "Ich rette deinen Arsch. Und jetzt geh zurück oder ich-" "Hey! Was tuschelt ihr beiden da?", rief der Berater, dessen Name mir entfallen war. Ich hörte Klacken. Alle Waffen waren jetzt geladen. Der Käpt'n zog mich zurück zum Lager, ihr Gesicht verzerrt vor Wut. Als wir in Sicherheit waren, packte sie mich am Kragen und brüllte: "Was bildest du dir-" Sie wurde unterbrochen von dem Aufschrei einer wohlbekannten Stimme. "Ich kann nichts hören! Hilfe! Ich höre nichts!" Ist das...?

Hallo Menschen,
okay. Vermutlich hätte ich es früher sagen sollen, aber ich muss es sagen, weil es mir irgendwie zu schaffen macht. Brosnan ist schwarz. So, das ist eigentlich kein "big deal", meiner Meinung nach, aber ich hab das am Anfang nicht erwähnt. Obwohl ich ihn mir immer so vorgestellt hab. Und, wenn euer ganzes Bild von ihm jetzt zerstört ist, dann seid ihr wohl schon alte Hasen, denn ich habs vor kurzem eingefügt im früheren Verlauf der Geschichte. (Und hab noch ein paar Sachen verbessert und so.) Wenn ihr verwirrt seid, weil ihr das schon wisst, dann hi und willkommen bei unserem schrägen Haufen. Aber, das Ding ist: Mir ist Repräsentation unglaublich wichtig. Und ich glaube, das geht dem Rest der Welt genauso. Ich will einfach ein "Zeichen" setzen, dass es egal ist, welche Sexualität, Hautfarbe oder was auch immer du hast, in der Fantasy-Welt bist du immer willkommen. Und hier wirst du repräsentiert. Und, wenn von niemandem sonst, dann von mir.
Tut mir leid, dass ich das nicht früher gesagt hab,
Eure Vidka😁❤

She saved me from the storm | ✅Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt