Ich wachte voller Vorfreude auf den heutigen Tag auf. Ich würde lernen, mit einem Schwert zu kämpfen! Yey! Vielleicht würde sie mir auch irgendwann beibringen, eine Kanone oder ein Gewehr abzufeuern, aber das hatte Zeit. Ich sprang förmlich aus dem Bett, als Johannes mich aufrüttelte. Meine Brust beschwerte sich kurz, aber ich schob die Schmerzen beiseite. Heute würde ein toller Tag werden.
Wir saßen am Tisch und warteten geduldig auf den Käpt'n. Nach einer halben Stunde erschien sie endlich und eröffnete das Mahl. Das Essen wurde immer spärlicher, wir hatten zu wenig zum Kochen. Der anfängliche Reichtum an Essen ließ nach, sogar nachdem wir das Schiff der Piraten, die uns angegriffen hatten, geentert hatten. Ich unterhielt mich ein bisschen mit dem Käpt'n und sogar ein wenig mit dem Piraten rechts von mir, der sich mir schon bald als Marcus vorstellte. Ich sagte wie immer meinen Namen nicht, aber das schien ihn nicht sonderlich zu stören. Wir führten eine unwichtige Diskussion, ob Melonen Obst waren oder nicht, bis der Käpt'n das Mahl auflöste. Bevor ich mich erheben konnte, sagte der Käpt'n zu mir gewandt "In einer halben Stunde an Deck" und verließ das Esszimmer.
Meine Hände zitterten vor Aufregung, als ich die Treppen zum Deck hinaufstieg. Ich war noch nicht viel an Deck gewesen und hatte erst recht keine Gelegenheit gehabt, die Aussicht zu genießen und da der Käpt'n nirgendwo zu sehen war, beschloss ich, mich an die Reling zu lehen und die stetigen Strömungen des Meeres zu beobachten. Schon bald hatte mich der salzige Geruch und das Geräusch der schäumenden Wellen eingelullt und entspannt. Ich hatte das Meer schon immer über alles geliebt, was einer der Gründe war, warum ich den Wasserweg damals gewählt hatte. Man sollte meinen, dass ich nach dem Vorfall danach Angst hätte, aber dem war nicht so. Ich wusste, dass das Meer viele Gefahren beherbergte, aber ebenso wusste ich, dass es etwas Wunderschönes war, etwas Lebenspendendes und wenn man mit ihm kooperierte, würde es einem helfen können.
Jemand lehnte sich neben mich mit dem Rücken an die Reling. "Gutes Wetter zum Segeln heute", meinte der Käpt'n und rief daraufhin: "Die Segel hissen!" Ich erschrak kurz, fing mich dann sofort wieder. "Warum bist du Seemann...äh, Seefrau geworden?", fragte ich etwas unbeholfen. Der Käpt'n drehte sich nun auch dem Meer zu. "Spürst zu es denn nicht? Das Meer ist die stärkste Naturgewalt, die existiert. Ich wollte schon immer nah an ihm Leben. Ich habe außerdem das Gefühl, dass seine Aura sich auf meine auswirkt." Ich überlegte. "Du hast recht, ihr habt sehr viel gemeinsam. Ihr seid beide sehr wild, könnt aber sehr sanft sein, gefährlich, beschützt über diejenigen, die mit euch gehen. Ihr seid beide mächtig und zudem wunderschön." Nachdem einige Sekunden Schweigen herrschte, wurde mir plötzlich bewusst, was ich gerade gesagt hatte. "Ähhhhhhh- ohh, ich meine- also-", stotterte ich hilflos. Der Käpt'n stieß sich von der Reling ab. Mein Blick folgte ihr vorsichtig. Sie kramte in einem Rucksack herum. Als sie das fand, was sie gesuch hatte, drehte sie sich mit triumphierendem Lächeln zu mir um. Mir verschlug es den Atem.
Sie hielt einen Säbel in der Hand. Die dünne uns schmale Klinge war komplett aus silber glänzendem Titan, der Handschutz/die Parierstange (weiß jemand, wie man das bei dem Säbel nennt?) hatte einen blauen Hauch und der Ledergriff war dunkelblau. Es war wunderschön. Sie kramte noch kurz weiter in ihrem Rucksack und zog dann eine dunkelblaue Scheide hervor. "Ich habe sie nicht sonderlich gut sortiert da drinnen", meinte sie verlegen. Putzig. Sie steckte den Säbel vorsichtig in die Scheide und übergab ihn mir. Ich trug Gott sei Dank einen Gürtel, an dem ich die Scheide befestigen konnte. Der Käpt'n lächelte geschmeidig. "Das kannst du also schonmal." "Bitte", sagte ich, "das habe ich schon in Millionen von Filmen gesehen." Die Frau sah mich prüfend an. "Nur der Adel darf fernsehen." Ohhh Mist, Mist, Mist, Mist, Mist. In meinem Gehirn gingen alle Alarmglocken an. Ich beschloss, ihr einfach die halbe Wahrheit zu sagen. "Na schön, ich bin adelig. Aber niedrigen Grades." Sie sah mich kurz angeekelt an, setzte dann aber wieder ihr Pokerface auf. Ich schluckte. Das hat uns wieder Bahnen zurückgeworfen, dachte ich niedergeschlagen.
Als erstes zeigte sie mir, wie man das Schwert aus der Scheide zog, ohne die Scheide zu beschädigen. (Das ist schwerer als man glaubt, ich hab eigene Erfahrung!) Nachdem ich das einigermaßen geschafft hatte, meinte sie: "Wir machen jetzt erst ein paar Trockenübungen und danach kämpfen wir dann, einverstanden?" Ich nickte. Hätte ich gewusst, dass "erst ein paar Trockenübungen" stundenlanges Bahnenlaufen über das Schiff hieß, hätte ich vielleicht nicht zugestimmt. Wir ließen sogar das Mittagessen aus, was ich nicht so toll fand.
Endlich, endlich kamen wir zum wichtigsten Part: dem Kämpfen. Ich ging noch einmal alle Techniken durch, die ich gerade gelernt hatte. "Keine Sorge", sagte der Käpt'n da, "ich werde dir nicht allzu sehr wehtun." Ich schnaubte. "Dito." Der Käpt'n lachte kurz auf und zog ihr Schwert. Ich tat es ihr nach und stellte mich in Kampfposition. Sie sprang auf mich zu, ich blockte ihren schlag ab, der nächste traf meine Hüfte, aber nur mit der flachen Seite. Es tat trotzdem weh, aber ich biss die Zähne zusammen. Schnell entbrannte ein wilder Kampf ohne k.o. Ich war viel schlechter als sie, sie traf mich ununterbrochen, mittlerweile hatte ich sogar ein paar kleinere Schnittwunden, aber mein Ehrgeiz wollte sie unbedingt ein einziges Mal treffen. Ich sah meine Chance, als sie kurz abgelenkt war, weil irgendjemand gestolpert war, täuschte eine Finte nach links an, die sie sofort blockieren wollte und schlug dann mit der flachen Klinge links gegen ihren Bauch. Ich hatte sie getroffen. Jubelnd sprang ich durch die Gegend, sodass alle Piraten mich komisch von der Seite ansahen. Ein warmes Lächeln lag auf den Lippen des Käpt'ns. "Sehr gut gemacht." Wie kann jemand nur so schön sein...?
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She saved me from the storm | ✅
Teen Fiction'"Für das, was ich jetzt tun werde, brauche ich das nicht." Sie nahm mein Schwert, immer noch perplex. Dann zog ich meine Weste aus. "Atlas?", fragte sie verwirrt. Ich strich mir verlegen durch die Haare und nahm allen Mut zusammen. "Falls das hier...