Ich sehe alles doppelt

1.9K 150 6
                                    

Ich quietschte erschrocken auf und drehte mich langsam um. Mein Vater stand vor mir, die Arme verschränkt und mit einem Gesichtsausdruck, der sich nicht deuten ließ. Vermutlich aber war er nicht erfreulich für mich. "Hi...Vater. Wie gehts so? Lang nicht...gesehen." "Was machst du hier?", fragte er, ohne auf mein Gestottere einzugehen. Ich zuckte die Schultern und sah ihn mit meinem unschuldigsten Engelsgesicht an. Er runzelte die Stirn. "Warst du im Kerker?", fragte er und auch diesmal schien er meine Gestik absolut zu ignorieren. "Nein!", sagte ich schnell. Zu schnell. "Hmm, und wenn ich jetzt die beiden Wachen fragen würde...?" "Nein! Ähh...ich meine, die würden dir dasselbe sagen...natürlich. Aber du musst sie nicht fragen. Du kannst mir ja vertrauen." Ich zwinkerte ihm verschwörerisch zu, in der Hoffnung, das würde ihn irgendwie überzeugen. Er schüttelte verwirrt den Kopf. "Nun gut, geh jetzt ins Bett. Wir haben morgen einen langen Tag vor uns. Das Verhör wird eröffnet." Er richtete seine Krone. "Und wenn sie nicht hören wollen", sagte er mit einem sadistischen Lächeln, "müssen sie fühlen." Mir lief ein Schauer über den Rücken.

Es war nicht so, als wäre mir nicht klar gewesen, dass wir hier eine Folterkammer hatten und diese auch benutzten. Aber jetzt, wo Personen, die mir wirklich wichtig waren, drauf und dran waren, dort hineingesteckt zu werden, und ich wusste, das würden sie, bemerkte ich erst wie falsch das alles war. Das ganze Prinzip meines Vaters basierte auf "Gewalt für Ordnung". Was meiner Meinung nach jeden früheren Diktator ausgemacht hatte. Ist mein Vater auch so? Ich weiß es nicht. Was ich weiß, ist, dass ich die anderen um jeden Preis retten muss. Ich straffte meine Schultern und machte mich auf den Weg zu meinem Zimmer.

An Schlaf war gar nicht zu denken. Ich konnte zwar mit ihr reden, aber trotzdem wälzte ich mir vor Sorge in meinem Bett herum und tat kein Auge zu.

So kam es, dass ich am nächsten Tag, ohne eine Sekunde geschlafen zu haben, gerädert im Speisesaal aufkreuzte. Meinen Vater interessierte das wenig, er diskutierte mit seinen Beratern darüber, welche Foltermethoden wann angewendet werden sollten. Mir wurde schlecht und ich schob meinen Teller wieder von mir.

"Eure Majestät!", rief plötzlich ein Mann, den man anhand seiner Kleidung klar als einen Untertanen meines Vaters identifizieren konnte. Mein Vater und die anderen Männer sahen auf. Schnaufend blieb der Mann, der gerade in Windeseile die Türen aufgerissen hatte, vor dem König stehen und verneigte sich eilig. Er flüsterte meinem Vater etwas ins Ohr und der König grinste. "Dieser Tag könnte nicht besser werden! Lass sie herein!" Der Untertan nickte und eilte schnell aus dem Saal. Ich sah den König fragend an, der hatte sich aber wieder abgewandt und tuschelte jetzt mit seinen Anhängern. Da ertönten eine Trompete und ich erbleichte. Widerstandskämpfer.

Ohne das Essen beendet zu haben, begaben sich mein Vater und ich in den Thronsaal. "Perle", hob der König auf dem Weg an und wieder legte sich der bittere Geschmack auf meine Zunge, "diesmal will ich keine Störung, verstanden? Das letzte Mal hast du meine Autorität schon genug untergraben." Ich biss die Zähne zusammen, jetzt aufzubegierden, würde alles nur noch schlimmer machen.

Die Gefangenen wurden in den Saal geführt und ich sah mir jedes Gesicht genau an. Keines von ihnen kam mir bekannt vor. Ich atmete erleichtert auf, gleichzeitig aber wuchs meine Angst, dass den anderen Piraten tatsächlich etwas zugestoßen wäre. Auch diese Menschen sahen aus wie eine eingespielte Mannschaft. Allerdings waren sie nur wenige und viele waren schwer verletzt. Die Soldaten hatten ihnen wohl zugesetzt. In der Mitte der Truppe kniete eine wunderschöne Frau. Ihr welligen Haare fielen sanft auf ihre Schultern und ihre Augen blitzten sarkastisch. Wieder holte Pierce eine lange Liste ihrer Sünden hervor und posaunte sie in die Welt hinaus: "Anhänger der Rebellen, Kampf bei der Festnahme..." Blablabla, ich hörte ihm bald nicht mehr zu. Das charismatische Lächeln der Frau zog mich an. Diese blickte mich and und zwinkerte mir grinsend zu. Als...würde sie mit mir flirten?! Nein, das bilde ich mir sicher nur ein. Warum sollte sie auch? Immerhin kniete sie hier vor dem Mann, der sie zum Tode verurteilen würde und ich war seine Tochter. Ja, die Tochter des Königs. So würde ich bekannt werden. Als die Tochter des Königs, der Tausende Lebewesen nur aufgrund ihrer Abstammung abgeschlachtet hatte. Als die Tochter des Königs, dessen Vater die Macht gewaltsam an sich gerissen hatte und der sie sicher nicht wieder loslassen würde. Als die Tochter des Königs, der die einzigen Personen, die der Prinzessin etwas bedeuteten, umbringen lassen wollte.

Nachdem die lange Liste endlich gelesen war, sagte jeder der Männer bereitwillig seinen Namen, auch die Frau, die sich als Olivia Morgan vorstellte. Interessant, den Namen Olivia mochte ich schon immer. Auch, wenn mir ihre positive und herablassende Einstellung gespielt vorkam, wirkte sie irgendwie sympathisch auf mich. Sie reckte fast arrogant das Kinn in die Höhe und sah meinen Vater auffordernd an. Ich kannte keinen Menschen, der es auch nur wagen würde, meinen Vater mit diesem Blick anzusehen, mit Ausnahme von mir vielleicht. Die Verhandlung war kurz, die zum Tode Verurteilten wurden in den Innenhof gebracht, wo die Strafe vollstreckt werden würde. Gleichzeitig wurde meine Crew auch dort hingeführt, damit sie zusehen konnten, wir ihre Mitstreiter getötet werden würden.

Ich folgte meinem Vater auf leisen Sohlen in den Hof. Auch dort war eine Erhöhung aufgebaut, wo der König und ich wieder über allen sitzen konnten. Auch das kotzte mich an. Wie so ziemlich alles an diesem Palast. Ich atmete tief durch, ich wollte das gar nicht sehen. Aber mein Blick haftete am Käpt'n, die eine Art mentale Konversation mit Olivia zu halten schien. Der sorglose Blick auf Olivias Gesicht war immer noch nicht gewichen. Ich musste sie dafür wirklich bewundern.

Olivia wurde als erstes an die Wand geführt, wo sie erschossen werden würde. Sie stellte sich mit dem Rücken zu uns hin, die Hände gefesselt. Trotz dieser Situation war sie ruhig. Sie weinte nicht, sie flehte nicht, sie blieb ganz still. Es fühlte sich an wie eiskalte Unendlichkeit, die Ruhe vor dem Sturm, so als würde die Zeit stillstehen. Die Luft war zum zerreißen gespannt und alles war still. Da stand mein Vater auf. Seine Stimme durchschnitt die Stille: "Olivia Morgan, aufgrund deiner unverzeihlichen Taten wirst du zum Tode verurteilt. Irgendwelche letzten Worte?" Die Frau neigte den Kopf in unsere Richtung. "Fick dich", sagte sie. Alle Köpfe wandten sich zum König. "WIE WAR DAS?", donnerte mein Vater. "Ach ja", sagte Olivia und man konnte das Grinsen in ihrer Stimme hören. "Verzeihung. Ich meinte natürlich: Ficken Sie sich." Mein Vater war rot vor Zorn, gab aber nur ein Handzeichen und der Vollstrecker hob seine Waffe. Ich nahm die Hände vor meine Augen. Wieder trat eine unheimliche Stille ein, bis ein finaler Schuss die Luft zerriss. Oh, bitte nicht...

Hallo Menschen,
jo, ich bin wieder da. Sorry, dass es so lange gedauert hat, hatte vieeeeel Schulstress (Latinum 2. Juli) und musste nebenbei über Choni fangirlen...hartes Leben, ja. Wir sehen uns im nächsten Kapitel. Keine Ahnung, bei Fragen fragt einfach. Private Nachrichten sind btw immer willkommen.
Bye bishes,
Eire Vidka😁❤

She saved me from the storm | ✅Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt