Gewalt ist eine Lösung

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Tom war taub. Dieses Arschloch von Soldat hatte ihn mit einer Art Schall-Pistole abgeschossen. Wir hatten auf dem Schlachtfeld noch andere gefunden, die auch davon getroffen wurden. Sie waren aber alle tot. Der Arzt hatte gesagt, es wäre ein Wunder, das Tom überhaupt noch lebte und dass ein kaputtes Trommelfell das geringste Übel war. Aber Tom sah das nicht so. Er hatte zwar zuerst noch geschrien, aber dann war er plötzlich still geworden. Er war nicht außer sich vor Wut, er verfiel auch nicht in Panik, geschweige denn zeigte er überhaupt irgendwelche Anzeichen von Angst. Er zeigte gar nichts. Keine Regung. Er saß auf seinem behilfsmäßigen Bett und starrte nur auf die Zeltwand. Egal, wer was tat, er reagierte gar nicht. Posttraumatische Erfahrung, meinte der Arzt. Brosnan war verzweifelt und um sich abzureagieren, bot der Käpt'n an, mit ihm zu kämpfen. Das war vielleicht ein Spektakel. Aber ich sah nicht lange zu. Ich wusste, dass es alle schon mit ihm versucht hatten, aber ich musste es einfach tun.

Ich setzte mich an seine Bettkante und legte meine Hand auf seine. Er starrte an die Decke. Ich wollte etwas sagen, bis mir auffiel, dass er es ja nicht hören konnte. Ich eilte schnell aus dem Zelt und holte Papier und einen Stift. Ich setzte mich wieder zu ihm und schrieb: Gib nicht auf. Wir brauchen dich. Du bist ein Erfinder! Du bist mein Erschaffer. Und ich bin einfach toll. Also Glückwünsch. Naja... Brosnan braucht dich. Er flippt sonst komplett. Und ihn brauchen wir auch. Ich bitte dich. Für ihn. Ich hielt es ihm vors Gesicht, aber er sah es nicht an. Also sprang ich kurzerhand auf und schwebte über ihm, versuchte, den Zettel genauso zu platzieren, dass er es lesen musste. Aber er starrte einfach hindurch. Ich gab einen genervten Laut von mir, reckte meine Hand nach vorne und gab ihm eine leichte Ohrfeige. Langsam, ganz langsam wandte sich sein Blick auf mich und dann auf das Papier. Er überflog es und streckte die Hand aus. Ich verstand, dass er den Stift wollte und reichte ihn ihm. Er nahm ihn und kritzelte auf das Papier. Als ich es wieder zurückbekam, waren alle "er/ihn" weggestrichen und mit "sie/ihr" eingesetzt. Ich sah ihn verwirrt an, dann sagte er vorsichtig: "Geschlecht." Ich überlegte kurz und verstand dann. Er hatte also seine Pronomen von "er" zu "sie" verändert. "Brosnan will, dass ich ihr mit Genetik helfe, eine Frau zu werden", sagte Tom lächelnd und schien nicht zu bemerken, dass er das letzte Wort einfach verschluckt hatte.

Ich schrieb noch etwas auf das Blatt und als Tom es las, lächelte und nickte er. Lässt sie sich die Haare lang wachsen? Ich setzte mich wieder am Boden ab und reichte ihm eine Hand. Er zögerte kurz, nahm sie dann aber. Ich hievte ihn nach oben und führte ihn nach draußen. Ich lief mit ihm zum kämpfenden Brosnan, der- Verzeihung, die sofort das Schwert fielen ließ, als sie Tom sah. Sie bekam eine auf den Schädel vom Käpt'n, beachtete das aber nicht weiter und rannte auf uns zu. "Wie hast du-", hob sie an, aber ich hob die Hand. "Gern geschehen." Ihre Gesichtszüge gingen vom Genervtsein zu Verwirrung bis zur Dankbarkeit. Sie umarmte mich und nahm Tom an die Hand. Sie sprach langsam und deutlich auf ihn ein,macjte Gestiken und tätschelte ihm mit der anderen Hand den Rücken. Ich grinste den beiden hinterher.

Zwei Hände legten sich auf meine Schultern. "Gut gemacht", hauchte der Käpt'n und mir lief ein Kribbeln über den Rücken. "I-ich weiß. Ich- ich bin ein Genie", sagte ich stotternd und mein Kommentar verlor so an Wirkung. Der Käpt'n gab ein leises, sanftes Lachen von sich und ich hasste es, dass die so etwas mit meinem Körper anstellen konnte. Sie musste nur nahe genug an mir stehen und sämtliche Gehirnzellen versagten bei mir. Jemand räusperte sich hinter uns und wir drehten und ertappt um. Sasoriza stand vor und, die Hände am Rückn verschränkt. "Denkst du, dass dein Erfinder-Freund uns ein paar tolle Waffen basteln kann, nachdem er jetzt wieder einsatzfähig ist?" Ich schnaubte. "Er braucht Ruhe und Frieden. Außerdem ist seine Spezialität Genmanipulierung." Sasoriza gab ein seltsames Geräusch von sich. "Gib mir Bescheid, sobald du irgendwo Ruhe und Frieden findest." Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und rief mit lauter, bestimmter Stimme: "Nachdem die meisten Verletzten versorgt sind, versetzen wir das Lager in den Wald und begraben dort in der Nähe unsere Kameraden." Mir lief ein Schauer über den Rücken. An eine Beerdigung hatte ich gar nicht gedacht.

Die nächsten zwei Stunden bestanden nur aus Einpacken, Umpacken und überall Helfen, wo man konnte. Dann brauchten wir circa fünfzehn Minuten zu unserem neuen Rastplatz und dann hieß es wieder für ungefähr zwei Stunden Auspacken, Umpacken und überall Helfen, wo man konnte. Es war ermüdent, aber gutes Training für die Muskeln. Ich sah, dass es den anderen wegen der Entfernung zum Toxicum Ferrum immer besser ging und irgendwann trugen sie sechs Taschen auf ein Mal. Aber ich bemerkte zum ersten Mal, dass nicht alle Demirobots waren. Ein paar waren normale Menschen. Ich nahm nicht an, dass jemand so war wie ich, sonst hätte Johannes sich schon gemeldet. Apropos Johannes. Ich suchte ihn und fand ihn schließlich in irgendeinem Zelt, als er gerade sein Zeug auspackte. Er war gleichzeitig auch in einer hitzigen Diskussion mit Olivia verwickelt. "Du musst es ihm sagen! Und mir hättest du es auch viel früher sagen sollen! Das verschafft uns doch einen immensen Vorteil, verdammt!" "Jetzt ist es eh zu spät. Der Käp- ähm, ich meine, ich wollte es dir sagen, aber dann wurden wir gleich hierher beordert!" "Ach jetzt ist der Käpt'n auch noch involviert?! Toll, ich-" Ich räusperte mich schüchtern, bevor die Diskussion eskalieren konnte. Die beiden hielten inne. "Oh", sagte Olivia, "w-wir haben über nichts ge-" "Olivia, ich weiß es schon." Johannes sackte noch ein bisschen in sich zusammen. Sie fuhr zu ihm herum. "Ernsthaft?!" Sie stürmte an mir vorbei aus dem Zelt.

Johannes vergrub sein Gesicht in seinen Händen. "Toll, jetzt hast du alles kaputt gemacht!" Ich stemmte die Hände in die Hüften. "Entschuldige mal, du hast es ihr aus keinem ersichtlichen Grund gesagt!" Er seufzte. "Sie wusste, dass ich was verheimliche. Sie vertraut mir nicht und ich dachte, das könnte vielleicht irgendwie helfen." Ich hob eine Augenbraue. "Warte. Woher wusste sie es?" Er zuckte die Schultern. "Instinkt?" "Oder", setzte ich mit glitzernden Augen an, "sie mag dich. Sie muss dich ja näher beobachtet haben, um das zu erkennen." Johannes nahm die Hände vom Gesicht. "Meinst du echt?!" Ich grinste unsicher. "Ähm, jaa...?" Er stöhnte auf und warf sich auf den Rücken. "Blöde Liebe!" Du sprichst mir aus der Seele...

She saved me from the storm | ✅Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt