Alter, ich schwör

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Wie sich herausstellte, kamen wir nie nach Lesbos. Ein Bote flog zu uns (mit einem Hubschrauber) und teilte uns mit, dass wir so schnell wie möglich nach Hesperidos kommen sollten. Die Rebellen wollten aus irgendeinem Grund jetzt schon meinen Vater angreifen. Also machten wir eine Kehrtwende und segelten so schnell wir konnten zu meiner Heimatinsel. Das Wetter spielte ausnahmsweise einmal mit und der Wind blies uns in den Rücken. Ich hielt mich während der Zeit möglichst von allen fern, ich musste nämlich mal wieder mit mir selbst kämpfen. Es war zum Kotzen. Meine Loyalität gehörte natürlich dem Käpt'n, mein Herz und meine Seele auch, mein Blut aber könnte niemals ihr gehören. Auch nicht meine Vergangenheit. Aber das war auch das einzige, was ich von meinem Vater hatte. Außer dem Thron. Das war dann die andere Sache. Wenn wir den König wirklich besiegen könnten, würde ich dann Königin werden? Wollte ich das überhaupt?

Als wir an Hesperidos anlegten, war ich schon ganz hibbelig, was meinen Freunden nicht entging. Brosnan und Tom wichen mir nicht von der Seite und Johannes und der Käpt'n warfen mir immer wieder Seitenblicke zu. Olivia schritt allen voran an Land, mit hoch erhobenem Haupt und ihrer Hand an ihrem Schwert. Ich wusste nicht, was ihr Plan war. Sie wird doch sicher nicht einfach so durch die öffentlichen Straßen zum Palast spazieren?

Sie tat es doch. Wir liefen eine Nebenstraße entlang, wo nur Passanten gehen durften. Die waffenbepackte, furchteinflößende Truppe erweckte natürlich Aufmerksamkeit, es schien aber, als würde sich keiner trauen, auch nur den Blick auf uns zu richten. Olivia war schlau, das musste man ihr lassen. Sie kannte die Menschen gut. Ich sah, wie ein kleiner Junge aufgeregt an der Hand seiner Mutter zupfte und auf uns zeigte. Ein Mann neben mir hob seine Waffe, aber ich legte meine Hand sofort auf seine und drückte sie wieder hinunter. Der Junge aber hatte es bemerkt und war plötzlich ganz kleinlaut. Ich lächelte ihm mein ermutigenstes Lächeln zu und er fing sofort wieder an zu grinsen. Fast kamen mir die Tränen. So unschuldig... Manchmal sehnte ich mich wirklich nach meiner Kindheit. Wo ich selbst als Prinzessin von allem Bösen abgeschirmt wurde.

Plötzlich rannte der Junge auf uns zu. Jetzt zogen mehrere Männer ihre Waffen, aber er ging unberührt weiter. "Er ist nur ein Kind", zischte ich und bevor irgendetwas passieren konnte, ging ich auf ihn zu und kniete mich kurz vor ihm nieder. Ich sah, dass seine Mutter voller Furcht und Grauen die Hände vor ihren Mund geschlagen hatte. "Was gibts denn, Kleiner?", fragte ich mit der kinderfreundlichsten Stimme, die ich aufbringen konnte. "Ihr habt voll die coolen Schwerter", antwortete er und zeigte mir seine Zahnlücken. Ich lachte. "Ja, aber die sind ganz schön spitz und können ganz doll wehtun." Er nickte. "Das find ich auch cool." "Das verstehe ich, hab ich früher auch gedacht. Hier." Ich zog mein Schwert aus der Scheide und legte es ihm ganz, ganz vorsichtig in die Hand. Er starrte es fasziniert an und hielt es mit seinen kleinen Händen ganz fest. "Es ist eine große Bürde, so ein Schwert zu tragen. Immerhin kann man damit töten. Wenn du fest daran glaubst, kriegst du sicher auch eines. Aber denk daran: du musst immer respektvoll damit umgehen." Das Glänzen in den murmelgroßen Augen des Jungens war unbezahlbar. Ich sah ihn liebevoll an, dann nahm ich ihm das Schwert wieder aus der Hand und stubste ihn ein bisschen an. "Jetzt geh zu deiner Mama, die macht sich schon Sorgen." Der Junge nickte traurig und sagte dann: "Ich bin übrigens Nico!" Dann drehte er sich um und rannte zu seiner Mutter, die ihn fest in den Arm nahm. "Auf Wiedersehen, Nico", flüsterte ich und drehte mich um.

Die ganze Meute war stehengeblieben und sah mich genervt an. Außer dem Käpt'n. Sie sah mich mit einem unergründlichen Blick an, den ich nicht deuten konnte. Tom hingegen himmelte mich förmlich an. "Oh. Mein. Gott. Das war so süüüß! Hihi!" Ich verdrehte die Augen. "Wir können weiter!", sagte ich und die Truppe setzte sich wieder in Bewegung. Ich sah mich noch einmal um und sah den winkenden Nico und seine Mutter, die mich, immer noch verdutzt, anstarrte. Ich winkte zurück und wandte mich wieder um, meiner Zukunft entgegen.

Die Widerstandskämpfer hatten sich schon vor dem Schloss postiert. Das Schloss sah nun aber eher aus wie eine Festung, überall standen Wachen und Kanonen, alles war verriegelt und aus jeder erdenklichen Ritze lugte eine Pistole hervor. (Nein, jetzt bitte nicht pervers denken.) Vor dem Schluss war ein Graben ausgehoben worden und daraus lugten gefährluch glänzende Spitzen hervor. Wie haben sie das so schnell aufgebaut?, dachte ich. Die Rebellion auf der anderen Seite der Mauern hatten Zelte aufgebaut, die grün und rot waren. Überall waren Stöcke an den Boden gerammt, an denen Flaggen hingen. Auf den Flaggen waren eine grüne Schlange auf rotem Hintergrund und ein roter Skorpion auf grünem Hintergrund abgebildet. Ich hatte dieses Zeichen noch nie gesehen. Jemand neben mir sagte: "Ah, wir haben endlich eine Flagge. Einen Namen aber anscheinend immer noch nicht. Die bekommen ja gar nichts auf die Reihe." Ein Skorpion und eine Schlange? Hm. Gar nicht mal so schlecht. Beide griffen eigentlich nur an, wenn sie bedroht wurden oder die Ihren beschützen wollten oder wenn sie fressen brauchten...dann aber nur andere Tiere. Ich mochte die Idee. Die Rebellen hatten auch Kanonen aufgebaut, allerdings keinerlei Verteidigung. Vermutlich, weil es klar war, dass sie erobern und somit zuerst angreifen würden. Allerdings, wenn das Schloss zuerst angreifen würde, wären wir ihnen schutzlos ausgeliefert.

"Käpt'n, Prinzessin, ihr kommt mit mir. Der Rest verteilt sich auf die Zelte." Olivia führte uns zum größten Zelt. Als wir es betraten, kam mir erstmal ein Schwall heißer Luft entgegen. Ich hielt kurz die Luft an, gab es dann aber sofort auf. Es würde sowieso nichts nützen. Der Mann, der an dem Tisch in der Mitte des Zeltes war, war wohl asiatischer Herkunft. Er war wahrscheinlich nicht viel größer als ich, was ich aber nur schätzen konnte, weil er saß. Er begrüßte uns nicht, er redete gar nicht. Er starrte mich an. Mittlerweile war ich das gewohnt. Ich starrte einfach gelangweilt zurück. Irgendwann hob er dann doch die Stimme: "Es ist also wahr. Die berühmte Tochter des Königs kämpft an unserer Seite." Ich erwiderte nichts. Er stand auf und kam auf mich zu. Olivia und den Käpt'n hatte er bis jetzt völlig ignoriert. Er stand jetzt direkt vor mir, fast Nase an Nase. "Würdest du mir Treue schwören?", fragte er. "Ich würde dem Käpt'n die Treue schwören", sagte ich wie aus der Pistole geschossen. Er sah mich noch einmal prüfend an, dann wandte er sich an den Käpt'n. "Nun, da hast du dir eine starke Seele angelacht." Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte, aber der Käpt'n antwortete nur: "Ich lache nicht." Der Mann schnaubte belustigt. "Mein Name ist übrigens Sasoriza, was Japanisch ist und Skorpion heißt." Ah. Also doch kein tiefgründige Erklärung...

She saved me from the storm | ✅Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt